Seewölfe Paket 13. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer


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an, sie wollte Dalida befreien, weil sie sie als Verbündete brauchte – und weil Dalida die einzige außer Lord Henry war, die das Schatzversteck in der Kapitänskammer der „Cruel Jane“ kannte.

      Lord Henry hatte es Dalida dummerweise verraten, als sie eines Nachts wie üblich zu ihm in die Koje gekrochen war. Es war ein schwacher Moment gewesen, und für diese Schwäche sollte er noch teuer bezahlen.

      Plötzlich überstürzten sich die Ereignisse.

      Am nördlichen Ufer des Hafens erhellte ein Feuerball die Nacht, der unter grollendem Donner und starker Rauchentwicklung auseinanderbrach.

      Auf den Schiffen und am Kai wurden Rufe laut, die Türen der Kneipen und Spelunken öffneten sich und spien Gestalten aus. Alle Blicke richteten sich nach Norden, dorthin, wo Ben Brighton, Ferris Tucker, Al Conroy, Smoky und Stenmark für das von Hasard angeordnete Ablenkungsmanöver sorgten.

      Auch die Ankerwache der „Grinta“ lief zum Schanzkleid der Backbordseite und spähte angestrengt zum Ufer hinüber, wo jetzt eine zweite heftige Explosion erfolgte. Aufgeregt redeten die Türken durcheinander und stritten sich darüber, was wohl die Detonationen hervorgerufen haben mochte.

      Ben hatte drei Flaschenbomben mit langen Lunten am Ufer anbringen lassen. Jetzt, da die Zündschnüre abbrannten und die Pulverladungen der Flaschen hochgehen ließen, entfernte sich die Jolle bereits wieder und steuerte zur Reede, um bei Bedarf dem Seewolf zu helfen.

      Der hatte seine Jolle zur Steuerbordseite der Schebecke gesteuert und war an der Bordwand längsseits gegangen, ohne daß die Ankerwache es bemerkte.

      Die „Grinta“ lag am weitesten nach Südosten versetzt auf der Reede von Paphos und wandte ihre Steuerbordseite dem offenen Meer zu. Somit konnten die fünf Männer der „Isabella“ auch von der „Cruel Jane“, von der französischen Galeone oder von anderen Schiffen aus nicht beobachtet werden, und die Schebecke war also wegen ihrer Position das für das Unternehmen geeignete Schiff.

      So schnell sie konnten, befestigten Hasard, Shane, Dan, Blacky und Matt acht Höllenflaschen an der Bordwand des Piratenseglers, und zwar dicht über der Wasseroberfläche. Sie benutzten Segeltuchstreifen und Leim, der von Dan O’Flynn mit einem dicken Pinsel aus Sauborsten aufgetragen wurde, um die Flaschen anzubringen und vor einem verfrühten Herunterfallen zu bewahren.

      Dann zündeten sie die Lunten, legten wieder ab und pullten nach Südosten davon. Erst nach gut fünfzig Yards beschrieben sie mit der Jolle einen Halbkreis und wandten sich nach Norden, um sich mit Ben und den anderen zu treffen und dann zur „Isabella“ zurückzukehren.

      Am Nordufer flog die dritte Höllenflasche mit einem Donnerhall auseinander. Immer noch galten alle Blicke dem rätselhaften, beängstigenden Ereignis. Am Kai liefen immer mehr Menschen zusammen. Reiter der Stadtgarde verließen das Hafenviertel, um zum Platz des Geschehens zu jagen. Ein paar Boote setzten sich von den Piers aus in Bewegung – und Selims Ankerwache bemerkte immer noch nicht, daß es an der Steuerbordseite des Zweimasters „Grinta“ knisterte und schwelte.

      Dann gingen die acht Höllenflaschen fast gleichzeitig hoch und rissen ein gewaltiges Loch in den Bauch der Schebecke. Von Selims Piraten gerade erst wieder notdürftig instand gesetzt, empfing sie ihren entscheidenden, vernichtenden Schlag: Das Wasser flutete rauschend in den offenen Rumpf, das Schiff neigte sich zur Seite und begann zu sinken.

      Keiner der Seeräuber war ernstlich verletzt, nur waren drei von ihnen bei der Explosion sogleich übers Schanzkleid weg ins Wasser katapultiert worden. Die anderen sprangen jetzt von Bord und schwammen mit ihren Kumpanen entsetzt zur „Cruel Jane“, die ihnen am nächsten ankerte.

      Im Nu war im Hafen der Teufel los, doch niemand sah die beiden Jollen, die sich in rascher Fahrt um die Landzunge herum entfernten und zurück zur „Isabella VIII.“ glitten.

      10.

      Lord Henry, Selim, Marciaux und ihre Begleiter hatten Dhalis Haus verlassen und waren unterwegs zum Hafen, um ein für Marciaux’ Zwecke geeignetes Warenhaus zu finden und auszuplündern. Als jedoch die Explosionen ertönten, liefen sie entsetzt zum Kai und wohnten von hier aus fassungslos dem Untergang der Schebecke bei.

      „In die Boote!“ schrie Selim. „Wir müssen retten, was noch zu retten ist!“

      In Windeseile kletterten sie in ihre Boote und pullten auf die Reede hinaus, übersahen jedoch das zweite Beiboot der „Grinta“, das an einer Pier vertäut war.

      Jella und die Türkinnen hatten unterdessen unbeobachtet und unbehelligt durch einen Seiteneingang Einlaß in Dhalis Haus gefunden. Dhali und seine Dienerschaft eilten gerade verwirrt in die Gasse nach draußen, lauschten dem Donnerschlag der großen Explosion und sahen den Feuerblitz, der aus dem Rumpf der „Grinta“ über dem Hafen aufstieg.

      Jella entdeckte die Treppe, die in den Keller hinunterführte, und sah unten, im Gewölbe, Licht brennen. Sie ahnte, daß Dalida dort zu finden war, und zögerte nicht, die Stufen hinunterzueilen. Sie hatte eine Pistole gezückt, die sie von Bord der Schebecke mitgenommen hatte. Ihre Gefolgschaft war ebenfalls mit Pistolen und Messern bewaffnet.

      Dalida, immer noch halb nackt, war an eine Säule des Gewölbes gefesselt worden. Mechmed und die vier Berber lagen nach wie vor bewußtlos am Boden. Sämtliche Wächter hatten das Gefängnis verlassen und befanden sich oben bei Dhali und den anderen Hausbewohnern in der Gasse.

      Jella schnitt Dalida von der Säule los und befreite sie von dem Knebel. Rasend vor Wut entriß die Ägypterin der Libanesin das Messer und stürzte sich damit auf die Berber.

      Die Türkinnen sammelten Dalidas Kleidungsstücke vom Boden auf. Jella lief zu Dalida, zerrte an ihrem Arm und zischte: „Hör auf damit! Wir müssen schleunigst verschwinden. Willst du, daß sie uns hier ertappen und niederprügeln?“

      Dalida richtete sich von Mechmed auf. „Nein. Aber diese Hunde haben geduldet, daß Henry mich verkaufte, mehr noch, Mechmed hat Henry gut zugeredet. Tod – Tod allen Verrätern und Bastarden! Ich will mich auch an Dhali rächen und …“

      „Nein. Du kommst mit.“ Jella zerrte sie an der Hand mit sich fort. Sie verließen das Gewölbe, gefolgt von den Türkinnen. Erst als sie in der kleinen Seitengasse waren, konnte Dalida sich wieder ankleiden.

      „Was haben diese Explosionen zu bedeuten?“ fragte sie keuchend.

      „Ich weiß es nicht“, erwiderte Jella. „Aber ich fürchte, sie haben mit unseren Schiffen zu tun. Wir müssen so schnell wie möglich zum Hafen und nachsehen, was es damit auf sich hat.“

      So eilten sie durch das Gewirr von Gassen zum Hafen hinunter, ehe Dhali die Flucht der Ägypterin entdeckte.

      Mechmed erwachte aus seiner Ohnmacht und verspürte einen brennenden Schmerz in der linken Schulter. Stöhnend richtete er sich auf. Er drehte sich um und sah entsetzt auf seine vier Kumpane, die aus tiefen Wunden bluteten.

      Er untersuchte sie, dann erhob er sich wieder und taumelte zur Treppe. Er zog sein Messer, das Dhalis Diener ihm noch nicht abgenommen hatten.

      Tot, dachte er erschüttert, alle vier tot, und Dalida ist fort. Sie ist die Mörderin, nur sie kann es sein.

      Im Erdgeschoß des Hauses drückte er sich in einen Alkoven, als er Stimmen vernahm. Der Sklavenhändler und seine Diener kehrten zurück. Was immer sich im Hafen abspielen mochte, es berührte ihn nicht weiter, da er seine persönliche Sicherheit nicht gefährdet sah.

      Mechmed sah die Männer zum Greifen nah an sich vorbeischreiten, doch sie entdeckten ihn nicht im Dunkel des Alkovens. Er überlegte, ob er sich auf Dhali stürzen sollte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Gegen die Übermacht der Diener kam er nicht an, zumal er verletzt war und Schwindelgefühle und würgende Übelkeit verspürte.

      Dalida, dachte er voll Haß, du hast auch mich erstechen wollen, du wolltest mich töten, aber es ist dir nicht gelungen. Rache, Rache, Rache!

      Die Männer stiegen in den Keller hinunter. Mechmed verließ den Alkoven und hastete aus dem Haus.


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