Seewölfe Paket 20. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer


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die Jolle mehr als anderthalb Meilen Distanz zwischen sich und das Schiff gelegt.

      Caligula erwachte im Morgengrauen, alarmiert durch die Rufe von Codaro und Mescalin. Die Kerle waren wieder bei Bewußtsein und spielten ihre Rolle weiter – als die Überrumpelten, die von ihren eigenen Kumpanen tätlich angegriffen und niedergeknüppelt worden waren.

      Mit langen Sätzen eilte Caligula auf das Hauptdeck. Sein Gesicht war genauso, wie sich das Ross, Bragozo und Arco in ihren Phantasien ausgemalt hatten – von grenzenlosem Erstaunen gezeichnet. Erst nach und nach wich seine Betroffenheit einem unbändigen Gefühl der Wut.

      Codaro rieb sich das Kinn, Mescalin zeigte eine Beule vor, die er durch den Hieb davongetragen hatte.

      „Sie sind über uns hergefallen“, sagte Codaro. „Drei Mann. Wir hatten keine Chance. Sie haben sich von hinten angeschlichen. Zur Hölle, warum haben sie das getan?“

      Caligula war zunächst sprachlos. Es fiel ihm auch nicht auf, daß Codaros Bericht einige Ungereimtheiten enthielt. Zum Beispiel erklärte Codaro übereinstimmend mit Mescalin, daß man sie von hinten angegriffen hätte, während doch die Spuren in ihren Gesichtern darauf hinwiesen, daß man sich ihnen von vorn genähert hatte. Solche feinen Einzelheiten entgingen Caligula.

      „Wer?“ brüllte er nur – und dann platzte ihm der Kragen. Er packte die Neunschwänzige und drosch auf Codaro und Mescalin ein. „Ihr hättet besser aufpassen sollen, ihr Dreckskerle! Wir sprechen uns noch!“ Er stürmte übers Deck, enterte die Back, raste ins Logis hinunter und wußte wenig später Bescheid. Ross, Bragozo und Arco waren die Ausreißer, und sie hatten auch noch einiges mitgehen lassen, wie die fluchenden Kerle feststellten, als sie aus ihren Kojen kletterten.

      Caligula tobte fluchend durchs ganze Schiff.

      „Satanspack!“ brüllte er. „Bastarde! Ich hab’s geahnt! Aber jetzt ist Schluß! Wer rummotzt, kriegt was aufs Maul!“

      Die Kerle hüteten sich, aufzubegehren. Sie waren jetzt ganz klein und besorgten schweigend die übliche Bordroutine: aufklaren und Reinschiff. Sie wußten, daß Caligula jetzt nicht zusätzlich gereizt werden durfte.

      Caligula reagierte seine überschüssigen Kräfte ab. Er fluchte und polterte herum, und immer wieder fuhr er mitten zwischen die Kerle.

      „Einfach abgehauen sind die Hunde!“ schrie er. „Soweit mußte es in diesem Sauhaufen ja kommen! Aber wenn noch einer quertreibt, hänge ich ihn eigenhändig an der Rahnock auf!“

      Wenig später hatte er eine handfeste Auseinandersetzung mit der Black Queen, die zu wissen verlangte, was geschehen sei. Er schilderte nur kurz, was sich zugetragen hatte.

      Dann schrie er: „Das ist nur passiert, weil die Kerle die Warterei satt haben! Und ich habe auch die Schnauze voll! Ich will wissen, was mit Cariba los ist, damit wir endlich wieder auslaufen können und nicht hier, in der elenden Scheiß-Bucht, vergammeln müssen!“

      „Wohin willst du denn auslaufen?“ fuhr sie ihn an. Ihr Kopf ruckte dabei vor wie der einer Schlange, die auf ein Beutetier zuschnellt.

      „Das weiß ich selbst nicht!“ brüllte er. „Irgendwohin! Nach Kuba, nach Hispaniola, tief in die Karibik! Auf zu neuen Beutezügen! Plündern und brandschatzen wollen wir, wozu sind wir sonst da?“

      „Das frage ich mich auch!“ schrie sie. „Ein Narr wie du hat in meinen Augen kaum noch eine Existenzberechtigung, wenn er derart blödes Zeug daherredet! Die Hitze hat wohl dein Hirn ausgedörrt, was?“

      „Das kann sein“, sagte er und knallte die neunschwänzige Katze auf das Pult der Kapitänskammer. „Aber mein Entschluß steht fest. Ich suche Cariba. Ich will jetzt klar sehen.“

      „Nein, ich kümmere mich persönlich um die Angelegenheit“, erklärte er rigoros. „Wir müssen mit allem rechnen, auch damit, daß er uns verraten hat. Deshalb gehe ich nach Havanna und forsche nach, was passiert ist.“

      „Das verbiete ich dir!“ schrie sie.

      „Ich breche trotzdem auf.“

      „Das ist Meuterei!“ Ihre Stimme war schrill, sie kreischte vor Wut.

      „Du willst doch selbst, daß festgestellt wird, wo der Hurensohn abgeblieben ist“, sagte er. Je mehr sie sich aufregte, desto ruhiger wurde er. „Ich handle also in deinem Interesse, und von Meuterei kann keine Rede sein. Im Gegenteil. Sobald der Fall Cariba geklärt ist, atmet die Bande auf.“

      „Ich beauftrage einen von ihnen mit der Sache!“

      „Nein.“ Caligula schüttelte den Kopf. „So wie die Stimmung im Moment ist, können wir keinem mehr trauen, wenn wir ihn an Land setzen und sich selbst überlassen. Ich muß das erledigen, es geht kein Weg darum herum.“ Er ließ sich auf keinen Kompromiß ein. Er wollte die Angelegenheit selbst klären, auch wenn er jetzt an Bord der „Caribian Queen“ fehlte. Dieses Mal setzte er sich durch.

      Die Queen tobte und beschimpfte ihn auf die unflätigste Weise, aber auch das nutzte nichts. Sie mußte nachgeben. Vielleicht ist es eine günstige Gelegenheit, dachte er, als er sich in seiner Kammer mit dem Nötigsten für den Ausflug versorgte. Vielleicht rafft sie sich endlich auf und verläßt ihre Kammer. Wenn die Kerle sehen, daß sie das Kommando wieder voll übernimmt, vergessen sie alles andere und blicken wieder zu ihr auf.

      Er ahnte nicht, wie sehr er sich gerade in diesem Punkt täuschte. Er steckte sich kleine Säckchen mit Perlen in die Taschen und band sich eine Geldkatze um die Hüften. In Havanna konnte sich herausstellen, daß er Cariba freikaufen mußte, falls dieser sich in Gefangenschaft befand. Aber auch sonst würde er eine Verwendung für das Geld und die Perlen finden, dessen war er sicher.

      Grinsend begab sich Caligula auf das Oberdeck. Die Black Queen schrie und tobte immer noch in ihrer Kammer, aber er kümmerte sich nicht darum. Er ließ das Boot abfieren und gab den Kerlen Befehle, wie sie sich während der Zeit seiner Abwesenheit verhalten sollten.

      Das letzte, was er zu ihnen sagte, bevor er von Bord ging, war: „Und wenn auch nur einer von euch sich einbildet, er könne sich ein Ding wie Ross, Bragozo und Arco leisten, kann er schon jetzt sein letztes Gebet sprechen. Ich bringe jeden eigenhändig um, der hier große Töne spuckt.“ Er sah sie einen nach dem anderen drohend an, besonders Casco, den Kreolen. Dann enterte er ab.

      Von der Black Queen verabschiedete er sich nicht. Das war ihm zu gefährlich. Vielleicht knallt sie mich ab, wenn ich nur die Tür öffne, dachte er. Wieder grinste er. Die Vorstellung von dem, was ihn in den Hafenkneipen von Havanna erwartete, besserte seine Stimmung.

      Er nahm sich vor, die Chance wahrzunehmen und das „süße Leben“ in vollen Zügen zu genießen.

       2.

      Joanna, eine der erfahrensten und hartgesottensten Hafenhuren von Havanna, lernte Caligula am Abend des 17. April in der Kaschemme „Malagena“ kennen. Sie zeigte nicht nur ein rein geschäftliches, sondern auch ein persönliches Interesse an diesem wilden, kraftstrotzenden Kerl, der ihr von Anfang an gut gefiel. An einem Ecktisch kam sie mit ihm ins Gespräch, und er grinste sie zwischen zwei tüchtigen Schlucken Rotwein herausfordernd an.

      Blond gefärbt waren Joannas prachtvolle Locken, die ihr bis auf die Schultern fielen. Von Natur aus war sie dunkelhaarig. Ihre Wiege hatte im nördlichen Spanien gestanden. Sie hatte ein hübsches Gesicht mit einem verlockenden Kirschmund. Die herben Züge, die sich im Laufe harter und arbeitsreicher Jahre hinzugesellt hatten, überdeckte sie durch üppiges Pudern und grelle Schminke. Sie träumte davon, sich irgendwann zur Ruhe zu setzen oder vielleicht ein eigenes Hurenhaus zu eröffnen, in dem sie nur noch die „Mutter“ war, die die Geschicke ihrer Mädchen bestimmte. Aber irgendwie hatte sie den Eindruck, daß alles doch nur ein Wunsch bleiben würde. Die Realität sah anders aus.

      Sie erwiderte Caligulas Grinsen mit einem honigsüßen Lächeln, dann fragte sie ihn nach seinem Namen. Er nannte ihn ihr, und auch sie sagte ihm, wie sie hieß.

      „Wir beide


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