Seewölfe Paket 20. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer


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wurde das Mädchen, das am Brunnen stand und sich wusch, erst auf ihn aufmerksam, als er ziemlich dicht hinter ihr stand und sich räusperte. Mit einem kleinen Entsetzenslaut fuhr sie zu ihm herum und bedeckte ihre bloßen Brüste mit einem Handtuch.

      Merkwürdig ist das, dachte Jussuf, sie verkaufen sich an Seeleute und haben doch so etwas wie ein Schamgefühl bewahrt. Seltsam, wirklich seltsam.

      „Keine Angst“, sagte er gedämpft. „Ich will nicht betteln und auch nicht klauen. Ich bin nur neugierig. José ist mein Name, und einen schönen guten Morgen wünsche ich.“

      Sie schien zu überlegen, ob sie ihn zum Teufel jagen oder über ihn lachen sollte. Dann schüttelte sie lächelnd den Kopf und sagte: „Guten Morgen. Ich bin Maria del Mar. So werde ich von allen hier genannt. Wir beiden scheinen die einzigen zu sein, die um diese Zeit schon auf sind, José.“

      „Ja, das Gefühl habe ich auch.“ Er musterte sie. Sie war sehr jung und sehr hübsch. Plötzlich tat sie ihm leid. Hätte sie nicht seine Tochter sein können? Ja, fast.

      „Kommst du aus der Stadt?“

      „Ja.“

      „Ich habe dich dort noch nie gesehen“, sagte sie. „Aber ich gehe ja auch nicht oft in die Stadt. Wir haben hier alles, war wir brauchen, und Madam Luana ist sehr gut zu uns.“

      „Madam Luana – ist das die Besitzerin?“

      „Ja. Du weißt also, daß dies kein Kloster ist?“ Sie kicherte.

      „Sicher weiß ich das“, erwiderte er. „Ich arbeite als Kammerdiener in der Residenz des Gouverneurs und komme auch selten raus. Von früh bis spät scheucht mich Don Antonio durch den Palast. Ich habe nichts zu lachen.“

      „Das glaube ich. Dieser Don Antonio soll ein fetter Widerling sein. Oh, habe ich was Falsches gesagt?“

      „Nein, keineswegs. Ich kann ihn ja selbst nicht leiden.“

      „Und was suchst du nun hier, José?“

      „Ach, ich wollte nur mal schauen, was sich hier so abspielt“, erwiderte er in gespielter Verlegenheit. „Nein, nicht das, was du denkst. Ich habe gehört, daß hier ein großer Schwarzer namens Caligula abgestiegen sein soll. Den wollte ich mir mal ansehen. Der soll ein gefährlicher, gefürchteter Pirat sein.“

      Maria del Mar hob die Hand gegen den Mund und stieß ein verhaltenes „Oh“ aus. „Der? Ist das wirklich wahr? Santa Madre de Dios, ein Glück, daß ich mich nicht mit ihm einlassen mußte. Ich habe gestern abend nur gehört, wie er herumgetönt hat, was für ein Kerl er doch sei. Daß er aber ein Pirat ist, habe ich nicht geahnt.“

      „Was hat er denn so von sich gegeben?“

      „Willst du das unbedingt wissen?“

      Jussuf seufzte und griff in die Hosentasche. Er förderte eine Perle zutage und drückte sie dem überraschten Mädchen in die Hand. „Ich will offen zu dir sein. Als alter und langgedienter Lakai von Don Antonio genieße ich so etwas wie eine Vertrauensstellung. Er will wissen, wer sich in Havanna herumtreibt. Als er vernommen hat, daß dieser Caligula hier sein soll, hat er mir den Auftrag gegeben, mich ein bißchen zu informieren, ob es stimmt.“

      „Aber dafür hat er doch seine Polizisten.“

      „Die können aber nicht so unauffällig auftreten wie ich.“

      „Du bist also ein Spion?“ fragte sie.

      Ein bißchen naiv war sie trotz ihres Metiers, das mußte Jussuf feststellen. Deshalb antwortete er: „Ja. Ich bin ein Geheimagent des Gouverneurs. Das mußt du aber für dich behalten. Weißt du, daß die Perle eine Menge wert ist?“

      „Ja. Ich habe doch gar nichts dafür geleistet. Willst du mit auf meine Kammer kommen?“

      Wieder seufzte er. „Liebend gern, aber mein Auftrag geht vor. Was ich von dir verlange, ist, daß du mir Caligula zeigst, damit ich mich von seiner – nun, äh – Echtheit überzeugen kann.“

      Maria del Mar nickte. Sie fand die Sache spannend und abenteuerlich. „Einverstanden, das läßt sich arrangieren. Du mußt aber ganz leise sein. Wenn Madam Luana rauskriegt, daß ich dich heimlich reingelassen habe, ist der Teufel los.“

      Caligula lag – völlig entkleidet – in den Armen zweier ebenfalls hüllenloser „Damen“. Die eine war rothaarig, die andere hatte schwarze Locken. Soviel sah Jussuf, als er durch den Türspalt einen raschen Blick in den Raum im oberen Stockwerk des Hauses warf. Dann tippte Maria del Mar ihn mit dem Finger an, denn ein paar Türen weiter waren Geräusche zu vernehmen.

      Maria del Mar zog die Tür zu, schob Jussuf vor sich her und dirigierte ihn in das Nebenzimmer. Hier verweilten sie und atmeten ein paarmal tief durch. Sie setzte sich auf die Bettkante, kleidete sich ganz an und sagte: „Dies ist mein Zimmer. Du kannst dir mein Angebot noch überlegen.“

      Draußen, auf dem Flur, waren trippelnde Schritte zu vernehmen. Zwei Damen schienen wach zu sein und stiegen die Treppe hinunter, um sich auf dem Hof am Brunnen zu waschen. Maria del Mar nickte Jussuf beruhigend zu.

      „Die bereiten uns keine Schwierigkeiten“, raunte sie. „Madam Luana liegt noch in den Federn, das ist die Hauptsache. Also?“

      „Es ist Caligula, kein Zweifel.“

      „Wirst du es dem Gouverneur melden?“

      „Ja, sofort.“

      „Und er wird Caligula gefangennehmen?“

      „Das weiß ich nicht“, entgegnete Jussuf. „Das muß der Gouverneur entscheiden. Vielleicht wartet er auch ab, wie der Kerl sich weiter verhält. Eine direkte Anklage oder Anzeige gegen ihn liegt nämlich nicht vor, soviel ich weiß.“

      „Aha.“ Sie deutete einladend auf das Bett. „Hast du nicht noch eine Minute Zeit?“

      „Ach, lassen wir das lieber.“ Die Situation war ihm jetzt wirklich peinlich. „Ich – es ist ja noch viel zu früh und so.“

      „Ich begreife schon, mein Alterchen“, sagte sie verständnisvoll. „Die Liebe ist nichts mehr für dich. Schade. Ich finde dich nämlich sehr nett.“

      „Ich dich auch. Aber kannst du mir nicht erzählen, was Caligula gestern abend alles gesagt hat?“

      „Heute nacht, meinst du. Na ja, er war wohl völlig betrunken. Madam verkauft ja auch einen sehr guten und starken Wein. Wie ich schon sagte, hat er herumgetönt und mächtig aufgeschnitten unten, im Salon, wo die anderen Mädchen ihn auch mit Essen bewirtet haben.“

      „Das muß ihn eine Menge Geld kosten.“

      „Madam hat gleich gesehen, daß er eine Geldkatze bei sich hat. Und in den Taschen hat er Perlen.“

      „Ich verstehe“, sagte Jussuf. „Er kann sich was leisten.“

      „Und dauernd hat er gerufen, daß er ein toller Hecht sei und das tollste Weib auf Erden besitze.“

      „So?“

      „Eine Königin“, fuhr Maria del Mar fort. „Soviel habe ich gehört, während ich hier oben mit einem Kunden – beschäftigt war. Dann hat Madam gefragt, ob es die Königin nicht störe, daß ihr Gemahl sich anderweitig vergnüge, und die Mädchen haben gelacht.“

      „Und er?“

      „Er hat behauptet, daß er erstens nicht mit ihr verheiratet sei, und daß sie zweitens zur Zeit nicht in der Lage sei, mit ihm in die Koje zu steigen.“ Sie kicherte und schüttelte den Kopf. „So was. Das würde aber wieder anders werden, meinte er. Bald würde er mit ihr, der schwarzen Königin, über die ganze Karibik herrschen, aber erst wolle er die englischen Piraten ans Messer liefern, die überall ihr Unwesen treiben. Ehrlich, ich habe nicht geahnt, daß er selbst ein Pirat ist.“

      „Hat er noch mehr über seine Königin gesagt?“

      „Daß er wieder zu ihr zurückkehrt, habe ich vernommen. Wenn er hier fertig


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