Seewölfe Paket 20. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer


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Auftauchen in Havanna beweisen eindeutig, daß es sich um eine Racheaktion handelt. Seitens dieser Piratenhorde ist man offenbar entschlossen, den Bund der Korsaren den Spaniern zum Fraß vorzuwerfen. Der Teufel soll sie zerspringen lassen, in tausend Stücke! Diese elenden Hunde!“

      „Die Dons sollen die blutige Arbeit verrichten“, sagte Arne. „Dahinter scheint mir die Handschrift der Black Queen zu stecken.“

      „Mit anderen Worten, sie ist bei dem Duell mit ‚El Tiburon‘ nicht getötet worden?“ fragte Jörgen überrascht.

      „Ich bin nicht sicher“, erwiderte Arne. „Aber bei mir regt sich allmählich der Verdacht, daß das Satansweib überlebt hat. Der Plan, sich der Spanier zur Vernichtung des Bundes zu bedienen, deutet auf die raffinierte und ränkevolle Queen hin.“

      „Wenn dem so ist, wo steckt sie dann?“ fragte Jussuf.

      „Darüber können wir nur Vermutungen anstellen“, erwiderte Arne. „Und die bringen uns nicht weiter. Eins steht fest: Wenn wir jetzt Caligula über die Klinge springen lassen, um den Kontakt mit Don Juan zu verhindern, erreichen wir damit so gut wie gar nichts. Nur einen Zeitaufschub schinden wir heraus. Aber die Queen spinnt weiterhin ihre unheilvollen Fäden – vorausgesetzt, sie lebt tatsächlich noch.“

      „Mir schwant Unheilvolles“, sagte Jussuf.

      „Jussuf“, sagte Arne. „Hol eine deiner Brieftauben. Wir lassen sie noch heute nacht auf, Hasard muß unbedingt erfahren, was hier los ist.“ Er öffnete ein Pult und holte Papier, ein Tintenfäßchen und einen Federkiel zum Vorschein, um die Botschaft in deutscher Sprache abzufassen.

      Jussuf eilte hinaus zu den Taubenschlägen auf dem Hinterhof. Lächelnd öffnete er einen von ihnen – er war immer froh, wenn seine Lieblinge sich bewähren konnten.

      „Izmir, mein starker Täuberich“, sagte er. „Du scheinst mir der richtige zu sein. Deine hübsche Kiymet war schon lange von dir getrennt.“

      Nur kurze Zeit später flatterte Izmir mit der zusammengerollten Nachricht unter der mittleren Schwanzfeder in den Nachthimmel hoch. Arne, Jörgen und Jussuf blickten ihm vom Hof aus nach, bis sie ihn nicht mehr sehen konnten. Die Dunkelheit schluckte Izmir. Lautlos glitt er über Havanna, den Hafen und die Reede hinweg, flog aus der Bucht auf die offene See hinaus und wandte sich mit seinem unbeirrbaren Instinkt nach Osten.

      Im Kontor der Faktorei fand noch eine kurze Besprechung statt.

      „Du hast auch weiterhin die Aufgabe, Caligula zu beobachten“, sagte Arne zu Jussuf. „Wir müssen über jeden seiner Schritte unterrichtet sein.“

      „Also beziehe ich am Morgen vor dem Liebesnest des ungetreuen Queen-Liebhabers meine Lauerstellung?“

      Arne und Jörgen mußten unwillkürlich grinsen.

      „Ja“, erwiderte Arne. „Vielleicht gelingt es dir auch, herauszubekommen, was mit der Queen geschehen ist. Ob sie noch am Leben ist, und wo sich die Bande mit ihrem Zweidecker versteckt hat. Ich vermute, das könnte um Kuba herum sein. Das Auftauchen von Cariba und Caligula deutet jedenfalls darauf hin.“

      „Mein verehrter Herr und Gebieter“, sagte Jussuf und deutete eine Verbeugung an, „ich werde diesen Auftrag zu deiner vollen Zufriedenheit ausführen. Verlaß dich ganz auf mich.“

      Arne wußte, daß er das konnte. Kein anderer Mann als Jussuf war besser für diese Aufgabe geeignet.

       3.

      Früh am nächsten Morgen nahm Jussuf eine „Verwandlung“ an sich vor. Er scheute keine Mühe, war hart zu sich selbst und opferte, was ihm lieb und teuer war, denn schließlich war es der Zweck der Sache, der die Mittel heiligte. Mit anderen Worten: Er rasierte sich seinen schönen, gehegten und gepflegten Sichelschnauzbart ab.

      Eine Weile betrachtete er sein nunmehr glattes Gesicht im Spiegel, fuhr sich mit der Hand über die Wangen und die Oberlippe und schnitt eine traurige Miene. Er war drauf und dran, ein paar Tränen zu vergießen, rief sich aber die Dringlichkeit und Wichtigkeit seines Unternehmens ins Gedächtnis und setzte seine Arbeit fort.

      Wenig später kleidete ein dichter grauer Vollbart sein Gesicht neu. Mit viel Sorgfalt befestigte und kämmte er ihn, wechselte seine Kleidung und zeigte sich dann seinen beiden Freunden.

      „Sehr gut“, sagte Arne lobend. „Der Bart wirkt völlig echt.“

      „Wenn ich nicht wüßte, daß du es bist, würde ich dich nicht wiedererkennen“, sagte Jörgen Bruhn. Er meinte es ernst. Tatsächlich war Jussuf ein Talent auf dem Gebiet des Verkleidens. Mit orientalischem Geschick vermochte er sich binnen kürzester Zeit so zu verändern, daß er auch aufmerksame Beobachter täuschte.

      Darauf kam es ihm an. Er nahm seine Aufgabe sehr genau und wollte sich um keinen Preis verraten.

      Er verstellte sogar seine Stimme und sprach heiser und schwer verständlich wie ein alter Mann.

      „Auf geht’s“, sagte er. „Mal sehen, ob Caligula um diese Zeit schon auf den Beinen ist.“

      Arne und Jörgen grinsten, als Jussuf die Faktorei verließ. Sie sahen ihm durch ein Fenster nach und waren sich einig: überzeugender hätte er die Rolle des „alten Bartes“ nicht spielen können.

      „Er ist wirklich ein Unikum“, sagte Arne. „Ich habe noch nie einen Mann kennengelernt, der gleichzeitig so intelligent, gerissen und listig ist wie er.“

      Sie wußten, was sie – ganz abgesehen von den Tauben – an Jussuf hatten. Er beobachtete scharf, nichts konnte seinen Augen und Ohren entgehen. Er hatte Informanten in der ganzen Stadt, darunter auch Gassenjungen, die genau wußten, daß er sich nicht lumpen ließ, wenn er etwas erfahren wollte. Schon oft hatte er Silberlinge springen lassen und sicherte sich dadurch einerseits das „Vorkaufsrecht“ einer Information, andererseits das absolute Stillschweigen seiner „Leute“.

      Ja – er war ein ganz ausgekochtes Schlitzohr, allerdings mit dem positiven Attribut der unbedingten Treue zu Arne von Manteuffel. Arne hatte ihn von dem Riff abgeborgen, dafür war er ihm ewig dankbar.

      Jussuf schlurfte am Kai entlang, betrat die Gassen des Hafenviertels, hörte sich hier und da um, erfuhr aber nichts Konkretes über Caligula. Er suchte die Kaschemme „Malagena“ und einige andere Kneipen auf, aber auch dort war nichts herauszubringen. Um diese Stunde waren kaum Zecher anzutreffen, mit denen man sich unterhalten konnte. Die Schankwirte waren mürrisch und verbiestert, und die „Damen des horizontalen Gewerbes“ schliefen. Joanna beispielsweise, mit der Caligula sich am Vorabend vergnügt hatte, lag wie tot auf ihrem Lager ausgestreckt.

      Jussuf sah sie durch ein Bleiglasfenster an der Rückseite der Kaschemme, als er auch hier eine Routineuntersuchung vornahm. Joanna war völlig nackt, das Bettuch war ihr bis unter die Hüften heruntergerutscht. Jussuf schluckte unwillkürlich. Er war alles andere als ein Kostverächter, und der Anblick ihres Körpers erregte ihn. Aber andererseits war er auch kein Gaffer und Voyeur. Er wandte sich ab und setzte seinen Weg fort.

      Er beschloß, daß ein direkter Vorstoß zu dem Hurenhaus am Rand des Hafens die geeignete Taktik war. Dort konnte er sich höchstens an verschlossenen Türen die Nase stoßen oder riskieren, hinausgeworfen zu werden. Auf diesen Versuch ließ er es ankommen.

      Das Bordell war ganz aus grauen Steinen errichtet und außen nicht verputzt. Die Fenster und Fensterläden waren rot und blau gestrichen; die Besitzerin schien dies für einen besonders gelungenen Einfall gehalten zu haben. Über Geschmack ließ sich streiten – auf jeden Fall lockten die bunten Farben Kundschaft an.

      Jussuf trachtete danach, irgendwo eine Tür zu öffnen und einfach ins Innere vorzudringen. Wenn man ihn entdeckte, würde er einfach behaupten, er habe sich „verlaufen“. Man würde ihn für einen Bettler, schlimmstenfalls für einen Dieb halten. Auch das nahm er auf sich.

      Aber das Haus war fest verrammelt, nirgendwo schien es einen Durchschlupf zu geben. Die Läden waren auch verschlossen, und es regte sich


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