Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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Rum für alle. Dann setzen wir Segel, und nichts wie ab nach Plymouth.“

      Er verschwand in seiner Kammer. Im nächsten Moment tauchte er auf dem Quarterdeck auf.

      „Kutscher!“ brüllte er. „Bring ein paar Pützen kaltes Wasser. Ich stinke wie ein toter Wal. Los, beeil dich! Und dann hol eins von den Rumfässern raus, Rum für alle!“

      Die Männer, die das gehört hatten, begannen zu johlen. Der Kutscher erschien mit den Pützen, einige der Männer halfen ihm, und im Nu hatten sie den Seewolf auf dem Hauptdeck mit ihren harten Fäusten abgeschrubbt. Es war die einzige Methode, auch die allerletzten Spuren des Fettes, mit dem er seinen Körper vor Stunden eingerieben hatte, zu entfernen.

      Anschließend war Dan an der Reihe, und je wütender er protestierte, desto härter packten die derben Fäuste der Männer zu. Hasard stand wenige Yards entfernt und beobachtete die Prozedur. Er lachte und fing sich von Dan empörte Blicke dafür ein.

      Ben Brighton und Ferris Tucker schlossen sich an. Gegenseitig schrubbten sie sich das Fett aus den Poren, und hinterher fühlten sie sich wie neugeboren.

      Unterdessen jagte Hasard die Männer an die Brassen und in die Wanten. Ein leichter Wind war aufgekommen. Segel um Segel blähte sich, und langsam nahm die „Isabella von Kastilien“ Fahrt auf.

      Die Rumbecher kreisten an Deck, das Beiboot lag festgezurrt auf dem Mitteldeck. Einer der Männer begann zu singen, die anderen fielen ein. Sie alle wußten, daß sie neben ihrem Mut, ihrer Tüchtigkeit und Ausdauer auch eine gute Portion Glück vor dem sicheren Untergang bewahrt hatte.

      Es wurde fast Mittag, ehe die anderen beiden Karavellen in die Bucht der Ile de Sein einliefen. Der Nebel hatte sich etwas gelichtet, die Sicht betrug gut zweihundert Yards. Die havarierte Karavelle lag tief im Wasser. Selbst das intensive Pumpen nutzte auf die Dauer nichts. Das Schiff mußte zur Reparatur auf den Strand gelegt werden. Hohläugig starrten die Männer in die Bucht, in der Gewißheit, die „Minouche“ vorzufinden. Doch so sehr sie auch Ausschau hielten, von der „Minouche“ war nichts zu sehen.

      Eine Viertelstunde später rammte die eine Karavelle den zerfetzten und zersplitterten Großmast der „Minouche“, in dem verkohltes Takelwerk hing.

      Der Kapitän des Freibeuterschiffes starrte aus schmalen Augen auf das Wrackteil. Und dann, als sie sich dem Strand näherten, auf dem sich das Wrack der Galeone und die zerfallenen Hütten ihrer einstigen Behausungen befanden, sahen sie den Schein mehrerer lodernder Feuer. Lautes Geschrei empfing die beiden Karavellen. Ein Boot löste sich vom Strand und steuerte die noch intakte Karavelle an, während die andere mit letzter Fahrt das Ufer erreichte und mit dem Vorschiff im sandigen Boden steckenblieb.

      Und dann erfuhr der Kapitän von dem Ende der „Minouche“. Schweigend umstanden die Männer seiner Besatzung die Schiffsbrüchigen.

      „Es waren die Geister der Ermordeten, die den Hai geholt haben!“ hörten sie einen alten weißbärtigen Freibeuter immer wieder sagen. „Die Zigeunerin hatte ihn verflucht, sie hatte ihm gesagt, daß er in dieser Bucht sterben würde. Ich habe es gehört ...“

      Der Kapitän der Karavelle schwieg. Er hatte so seine eigenen Gedanken über das, was vermutlich geschehen war. Aber er empfand auch keine Trauer. Der Hai hatte zuviel Schuld auf sich geladen. Sie alle kämpften hart, wenn es sein mußte, aber sie waren keine Mörder.

      „Heute ist Ruhetag“, sagte er dann. „Wir kümmern uns um die Verwundeten, morgen baut ein Teil von uns die verfallenen Hütten wieder auf, dann werden wir sehen, ob wir die andere Karavelle wieder reparieren können. Wir werden wieder hierher übersiedeln. Sobald es möglich ist, läuft eins unserer Schiffe aus und holt die Frauen und Kinder hierher.“

      Die Männer schwiegen einen Moment. Dann brandeten ihre Stimmen auf. Der alte weißbärtige Pirat schwang sich auf eins der leeren Fässer an Oderdeck.

      „Der Kapitän hat recht!“ rief er. „Die Geister der Toten sind versöhnt, in Zukunft werden sie uns ihren Schutz gewähren. Glaubt mir, ich kenne mich aus ...“

      Am Abend dieses Tages loderten auf der Insel die Feuer. Etliche der Hütten waren neu gedeckt, Rum floß in Strömen, wilde Lieder stiegen von den Feuern auf, Betrunkene torkelten über den Strand.

      Nur ein Mann stand allein auf seinem Schiff. Der hünenhafte, rotblonde Kapitän der einzigen noch völlig unversehrten Karavelle. Aus harten Augen sah er in die Bucht hinaus. Er dachte an jenen schwarzhaarigen, blauäugigen Mann auf der fremden Galeone, der wie ein Teufel zu kämpfen verstand. Und er wußte, daß dieser Mann ein Wolf war, einer jener Seewölfe, wie sie jedes Jahrhundert nur einmal gebar.

      „Ich werde dich wiedersehen, Seewolf“, sagte er in die Stille hinein. „So oder so. Denn ich weiß, daß auch die „Minouche“ auf dein Konto geht!“

      Sein Blick löste sich von der nebelverhangenen Bucht und wanderte zum Hauptdeck seines Schiffes hinunter. Dort unten irgendwo lag jenes Floß, das seine Männer bei der Suche nach weiteren Wrackteilen der „Minouche“ geborgen hatten. Lange hatte er sich die tief ins Holz eingeschlagenen Klampen und die Reste der durchtrennten Taue angesehen. Und schlagartig war ihm klargeworden, wie sich das Ende des Hais und seiner Karavelle abgespielt hatte.

      Ob er wollte oder nicht, irgendwo tief in seinem Innern keimte Bewunderung für die Männer jener fremden Galeone auf. Fünf Karavellen hatten sie gejagt – sein Schiff war von diesen fünfen das letzte, das überhaupt noch seetüchtig war.

      Er wandte sich ab. Er hörte die Gesänge, die von Land zu ihm herüberdrangen, er sah den flackernden Schein lodernder Feuer.

      „Ich werde dich wiedersehen, Seewolf“, murmelte er noch einmal, während er bereits das Achterkastell seines Schiffes verließ. Und er wußte in diesem Moment noch nicht einmal, ob dieses Versprechen von ihm als Drohung gemeint war.

      5.

      Stunden waren vergangen. Unangefochten hatte die „Isabella“ die offene See erreicht. Rund hundertfünfzig Meilen lagen bis Plymouth noch vor ihr.

      Hasard stand auf dem Quarterdeck. Er hatte sich eigentlich ein wenig Ruhe gönnen wollen, aber das Wetter gefiel ihm nicht. Er kannte diese Ecke des Kanals gut und wußte, wie schnell in dieser Gegend Stürme losbrechen konnten.

      Der Wind hatte in den letzten beiden Stunden aufgebrist, den über der See hängenden Nebel verjagt und nahm immer noch zu. Er sang in der Takelage der „Isabella“ und blähte die Segel wie Ballons. Das Schiff lief gute Fahrt, denn der Wind wehte nach Nordost – eine Richtung, wie sie besser gar nicht hätte sein können.

      Trotzdem gefiel dem Seewolf das Wetter nicht. Immer wieder musterte er den aufklarenden Himmel, die achteraus bleibenden Seen, die inzwischen weiße Schaumköpfe zeigten. Eine lange Dünung stand von der Biskaya her in den Kanal, aber auch sie wurde steiler und steiler.

      „Ben!“

      Die Stimme des Seewolfs dröhnte über Deck, und Ben Brighton beeilte sich, aufs Quarterdeck zu kommen.

      „Ben, alle Niedergänge sichern, alle Luken verschalken, besonders die Stückpforten. Geschütze kontrollieren, die Brooktaue verstärken. Alles, was an Bord nicht absolut fest ist, sichern. Wir kriegen schweres Wetter, und zwar innerhalb der nächsten beiden Stunden, wenn mich nicht alles täuscht.“

      Ben Brighton warf ebenfalls einen Blick zum Himmel, der sich vom Blau mehr und mehr ins Bleigraue verfärbte.

      „Ben, laß die Zurrings der Silberbarren kontrollieren. Spann jetzt jeden Mann ein, der verfügbar ist. Und beeil dich!“

      Ben Brighton sauste los. Gleich darauf hallten seine Befehle über Deck, und Smoky, der jetzt auf der „Isabella“ wieder Decksältester war, scheuchte die Freiwachen aus den Hängematten.

      Im Nu herrschte an Bord der „Isabella“ emsige Betriebsamkeit. Die Männer spürten, daß Hasard sich auf einen Kampf vorbereitete, der vielleicht noch schlimmer werden würde, als der gegen die bretonischen Karavellen. Denn gegen die Elemente halfen keine


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