Seewölfe Paket 1. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.ist das von Sir Doughty eine bodenlose Gemeinheit!“ schimpfte er. „Das ist eine ganz gewöhnliche Kalesche. Was für einen Eindruck wirst du, der Kapitän der „Isabella von Kastilien“ wohl hinterlassen, wenn du mit diesem Schinderkarren zu dieser Gesellschaft von Lackaffen fährst? Wenn du es nicht weißt, dann sage ich es dir eben: Dieser Doughty will dich für seine Schlappe, die er hier an Bord erlitten hat, demütigen. Du solltest absagen, du solltest es ablehnen, in diesen Gemüsekarren da unten überhaupt einzusteigen.“
Hasard grinste, und das ließ das Bürschchen noch wütender werden.
„Da gibt es nichts zu grinsen!“ schrie er aufgebracht. „Ein Mann, der der Königin von England im Auftrag von Kapitän Drake ein Schiff wie die „Isabella“ mit dreißig Tonnen Silber nach Plymouth segelt, der es fertigbringt, ein Geschwader von fünf Karavellen bis auf eine einzige außer Gefecht zu setzen oder sogar zu versenken, der verdient Respekt. Der verdient es, mit genau derselben Kutsche abgeholt zu werden, mit der dieser geschniegelte Lackaffe aufgekreuzt ist. Dieser Doughty führt Böses gegen dich im Schilde, und wenn du das nicht merkst, oder wenn dir die Aussicht auf die junge Lady schon jetzt den Kopf verdreht haben sollte, dann renn doch blind in dein Verderben!“
Dan tauchte unter der blitzschnell zugreifenden Hand Hasards weg. Hasard sah ihn wie einen Schatten über das Achterkastell huschen, dann war der Junge verschwunden.
Hasard starrte ihm nach. Es ging nicht an, daß Dan sich diesen Ton ihm gegenüber herausnahm – der Junge machte seit ihrer Rückkehr in den Hafen vom Plymouth überhaupt einen merkwürdigen Eindruck auf ihn, so als habe er irgendwelche Schwierigkeiten, die er allein nicht recht zu meistern wußte –, aber im Grund genommen hatte Dan recht. Denn das Bürschchen verfügte nicht nur über scharfe Augen, sondern auch über einen wachen Verstand und eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe.
Gut, mochte dieser Doughty versuchen, ihn, Philip Hasard Killigrew, zu demütigen – er würde dieser Herausforderung nicht ausweichen. Jetzt erst recht nicht.
Hasard tastete zu seinem Gürtel, wo unter der blauen Segeltuchjacke die doppelschüssige sächsische Radschloßpistole steckte. Er hatte sie sorgfältig geladen. Und gerade sah er, wie sich die eine Tür der Kutsche öffnete und ein großer, hagerer Mann ausstieg, als Ben Brighton die Stufen zum Achterdeck hochstieg.
„Die Kutsche dieses Sir Doughty ist da. Er hat einen seiner Lakaien geschickt, um dich abzuholen. Merkwürdig ist nur – dieser Hagere sieht mir nicht wie ein Lakai aus. Der Kerl gefällt mir nicht – er hat die Visage eines Raubvogels, der seine Beute erspäht hat und bereit ist, jeden Moment zuzustoßen.“
Ben Brighton starrte abermals über die Reling. Dann wandte er sich ruckartig um.
„Was ist eigentlich mit Dan? Er hat mich eben fast über den Haufen gerannt, und als ich ihn zurechtwies, fauchte er mich an wie ein gereizter Tiger.“
Hasard nickte, dann sah er seinen Bootsmann an.
„Ich glaube, aus diesem Kerlchen wird eines Tages noch einmal ein Tiger. Einer, vor dem die anderen zittern. Aber wir müssen auf ihn etwas besser aufpassen als bisher. Beschäftige ihn künftig stärker, Ben, und hab ein waches Auge auf ihn. Morgen werde ich ihn mir mal vorknöpfen – irgend etwas stimmt mit ihm nicht.“
Hasard verließ das Achterkastell. Doch noch auf dem Niedergang drehte er sich wieder um.
„Kein Fremder betritt das Schiff“, sagte er. „Verschärft die Wachen und beobachtet die Seeseite. Ich rechne mit allem, denn auch dieser Doughty ist einzig und allein hinter unserer Ladung her. Ich glaube sogar, er will sie haben, noch ehe ihm Kapitän Drake dabei in die Quere geraten kann. Aber er soll sich wundern!“
Hasard stieg zum Hauptdeck hinunter. An der Gangway stand Blacky. Auch Smoky und der riesige Ferris Tucker drückten sich dort herum. Vor ihnen stand der Fremde und wartete. Er hatte es nicht fertiggebracht, auch nur einen Fuß auf die „Isabella“ zu setzen.
Er sah Hasard und trat auf das Hauptdeck der anderen Galeone zurück.
„Sie sind Kapitän Killigrew?“ vergewisserte er sich. Und als Hasard mit einem knappen Nicken antwortete, wollte er weitersprechen: „Ich habe den Auftrag, Sie zu Sir Thomas Doughty ...“
„Ich bin bereit“, schnitt ihm Hasard kurz angebunden das Wort ab. „Fahren wir.“
Geschmeidig bewegte er sich über das Deck der Galeone, dann sprang er über das Schanzkleid und landete auf der Pier. Ohne sich im geringsten um den Hageren zu kümmern, ging er auf die Kutsche zu. Dabei erfaßten seine Augen den Mann auf dem Kutschbock – und insgeheim leistete Hasard Dan fast Abbitte. Dieser Kerl sah so wenig nach einem Kutscher aus wie der andere nach einem Lakaien. Hasard beschloß, von nun an sehr auf der Hut zu sein. Er wäre nicht der erste Kapitän gewesen, der während einer solchen Fahrt spurlos irgendwo im Hafen verschwand.
Er wartete an der Kutsche, bis der andere heran war. Dann erst stieg er ein. Der Hagere folgte ihm, zog die Tür der Kalesche hinter sich zu, und die Pferde zogen an.
Neil Griffith verstand es, eine Kutsche zu lenken. Er wendete kurz und wollte dann, wie mit seinem Partner O’Moore besprochen, schleunigst von der Pier in die engen Gassen der Stadt entschwinden. Bis zu jenem abgebrannten Haus, das sich ganz in der Nähe vom Hoe Park befand, von dem aus man die hochaufragenden Zitadelle sehen konnte.
Aber dann passierte es.
O’Moore und Griffith hatten mit ihrem Opfer die Pier noch nicht verlassen, als sich aus der Mill Bay Road eine vierspännige Kutsche näherte. Eine teure, reich verzierte Karosse, wie Neil Griffith auf den ersten Blick erkannte.
Er stieß einen Fluch aus, denn er wußte sofort, was das bedeutete. Es war die Karosse Sir Doughtys, die diesen Killigrew von der „Isabella“ abholen sollte.
Neil Griffith konnte nicht anders, er mußte der heranrumpelnden Karosse ausweichen, wenn ihn das schwere Gefährt nicht einfach über den Haufen fahren sollte. Er griff in die Zügel, riß die Pferde herum – und in diesem Augenblick löste sich hinter ihm in der Kutsche donnernd ein Schuß.
Neil Griffith spürte nur noch, wie ein Ruck durch die Pferde ging. Sie wieherten schrill auf, ihre Hufe trommelten auf das Pflaster und schlugen lange Funken aus den Steinen. Dann stoben die verängstigten Tiere in wilder Panik davon. Neil Griffith riß wie ein Wahnsinniger an den Zügeln – vergeblich, die Tiere reagierten überhaupt nicht.
O’Moore hatte die heranjagende Karosse Sir Doughtys nur Sekunden später erblickt als sein Komplice auf dem Kutschbock. Er saß neben Hasard, jedoch in der günstigeren Position.
Er wußte, daß durch dieses unvorhergesehene Ereignis ihr ganzer Plan in allergrößte Gefahr geriet, und er handelte sofort.
Mit vorgestreckten, zu Krallen gebogenen Händen warf er sich auf Hasard, der um den Bruchteil einer Sekunde zu spät reagierte. Die Hände O’Moores schlossen sich wie Stahlklammern um seinen Hals. Gleichzeitig traf ihn ein furchtbarer Kopfstoß unter das Kinn. Hasard sah für einen Moment nur noch feurige Kreise und flammende, nach allen Seiten zerplatzende Sterne.
Noch ehe er seine Benommenheit überwinden konnte, traf ihn ein zweiter Kopfstoß, diesmal seitlich gegen die Kinnlade. Hasard hatte für einen Moment das Gefühl, als würde ihm der Kopf vom Rumpf gerissen. Er begriff plötzlich, daß dieser Hagere ein ebenbürtiger Gegner war, ein Mann, der jeden Trick kannte und auch skrupellos genug war, ihn anzuwenden.
Hasard hatte die Hände frei, aber er war viel zu benommen, um sie wirksam und mit seiner ganzen gewaltigen Kraft einzusetzen. In seiner Verzweiflung zog er seine Pistole, und irgendwie löste sich dabei ein Schuß.
Der Knall, verstärkt durch die Enge der Kutsche, sprengte den Männern fast die Trommelfelle. Die Kugel durchschlug das Dach der Karosse und klatschte irgendwo ins Wasser.
O’Moore zuckte zurück. Für einen winzigen Augenblick lokkerte sich sein mörderischer Würgegriff um den Hals Hasards.
Dieser Moment genügte dem Seewolf. Er warf sich mit aller Kraft zur Seite und sein rechtes Bein schnellte hoch, während er bereits mit der Radschloßpistole