Seewölfe Paket 1. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.sie das Werg in die Ritzen zwischen den Planken. Als sie fast damit fertig waren, begann Ferris Tukker die Ritzen mit Pech auszufüllen. Auf dem Floß kochte inzwischen Teer, mit dem die reparierte Stelle noch überstrichen werden sollte.
Blacky, Smoky und Pete Ballie dachten nicht mehr an die schwarzen Schönen, die ihnen in dieser Nacht hatten gehören sollen. Sie wußten, um was es ging. Wenn es ihnen nicht gelang, den Spaniern ein Schnippchen zu schlagen, fanden sie sich nach ein paar Wochen auf einer der stinkenden spanischen Galeeren wieder, oder aber die Spanier schossen ihnen ein Loch in den Kopf, was immer noch besser war als das erste.
Als sie auch die letzte Ritze mit Werg verstopft hatten, jagte Ferris Tucker sie vom Floß. Sie sollten sich bei Hasard melden. Den Rest würde er selbst in einer halben Stunde erledigt haben.
In diesem Augenblick hörten sie den Kanonenschuß, der von der Kriegsgaleone abgefeuert worden war. Hasard, der mit Dan O’Flynn das Boot belud, mit dem sie zu den Spaniern hinausrudern wollten, zuckte regelrecht zusammen. Er preßte die Lippen zusammen, als er sah, wie die Kugel dicht an der Stelle, an der Ben Brighton seine Kanone aufgebaut hatte, einschlug.
„Ben“, murmelte Dan O’Flynn. „Ob es ihn erwischt hat?“
Hasard drehte sich abrupt herum.
„Steh hier nicht rum!“ schnauzte er den Jungen an. „Sorg dafür, daß die Pulverfässer richtig verstaut werden. Ich will noch mit Ferris sprechen, wie weit er ist, dann brechen wir auf.“
Dan O’Flynn starrte den Seewolf aus weit aufgerissenen Augen an. Berührte es ihn so wenig, daß Ben Brighton da oben auf den Felsen vielleicht von einer Kugel zerrissen worden war? Dan hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Er beeilte sich, die Schwarzen anzuweisen, wo sie die Pulverfässer verstauen sollten, denn er wußte, daß Hasard fuchsteufelswild werden konnte, wenn seine Befehle nicht umgehend ausgeführt wurden.
Smoky, Blacky und Pete Ballie kamen Hasard bereits entgegen und berichteten, daß Ferris Tucker noch eine halbe Stunde brauche, die Karacke wieder seetüchtig zu machen.
Hasard erteilte Pete Ballie den Befehl, zusammen mit Ferris Tucker die Karacke ins Wasser zu bringen.
„Nehmt euch so viele von Batutis Leuten, wie ihr finden könnt“, sagte er. „Hast du Matt Davies gesehen?“
Pete Ballie schüttelte den Kopf.
„Sag am Strand Bescheid, daß er sich sofort bei mir melden soll“, sagte Hasard. „Wenn wir das Boot beladen haben, fahren wir los.“
„Aye, aye“, sagte Pete Ballie und lief davon.
Hasard ging zum Boot zurück. Smoky und Blacky folgten ihm. Hasard hatte ihnen nicht gesagt, daß sie für das Höllenkommando ausersehen waren, aber für die beiden bestand kein Zweifel daran. Wer sonst als sie kam für so etwas in Frage?
Dan O’Flynn stand neben dem abfahrbereiten Boot. Er hatte die Riemen bereits ausgelegt. Die Schwarzen, die beim Beladen des Bootes geholfen hatten, standen abwartend da. Hasard schickte sie zu Ferris Tucker hinüber.
„Los, ins Boot!“ sagte Hasard zu Blacky und Smoky.
Blacky warf einen skeptischen Blick auf Dan O’Flynn und sagte zu Hasard gewandt: „Soll der Knirps etwa auch mit?“
Dan O’Flynn atmete scharf ein.
„Sag noch einmal Knirps, du hirnloser Affe, dann werde ich ...“
„Schluß!“ sagte Hasard scharf. „Ihr könnt euch streiten, wenn wir zurück in England sind, oder wenn die Fische an euch knabbern, aber nicht jetzt!“
„Verdammt will ich sein, wenn ich mir so etwas von diesem stinkigen Bilgewassersäufer sagen lasse!“ zischte Dan O’Flynn zitternd vor Wut.
„Dan!“ Hasards Stimme klang wie der Knall einer Peitsche. Das Bürschchen zuckte regelrecht zusammen. Er preßte die Lippen aufeinander, watete durch das flache Wasser zum Boot und stieg hinein. Er setzte sich vorn in den Bug. Es war der Platz, den Hasard ihm zugewiesen hatte, denn der Junge konnte mit seinen Adleraugen auch in der Nacht am besten von ihnen allen sehen.
Hasard ballte die Hände zu Fäusten. Wütend blickte er zur Karacke hinüber. Wo blieb Matt Davies? Er hatte ihm zwar nicht gesagt, daß er an dem Kommando teilnehmen sollte, aber in einer solchen Situation, in der sie sich jetzt befanden, hatte jeder Mann zur Verfügung zu stehen. Wenn Davies nicht in der nächsten Minute auftauchte, würde er ohne ihn losfahren. Und wenn sie bei diesem Unternehmen nicht alle ins Gras bissen, würde er Davies die Peitsche spüren lassen, bis er begriff, was es hieß, seine Kameraden in einem Augenblick wie diesem im Stich zu lassen.
Der Seewolf wollte sich gerade umdrehen, als er den Schatten eines Mannes auf sich zuhuschen sah.
Es war Matt Davies. Der stämmige Mann keuchte. Sein Gesicht glänzte von Schweiß. Er zuckte mit den Schultern und sagte: „Entschuldigen Sie, Sir. Ich wußte nicht, daß Sie mich brauchen.“
Er hatte mit voller Absicht Sir zu Hasard gesagt. Der Seewolf merkte es, und seine Wut auf den Mann steigerte sich noch.
„Los, rein ins Boot!“ sagte er scharf. „Wir sprechen uns noch, Davies!“
Hasard schwang sich als letzter übers Dollbord. Er hörte die flüsternde Stimme Blackys, der etwas zu Smoky sagte. Und Hasard verstand die Worte genau.
„Der Hurensohn war bei den Weibern, während wir wie die Idioten geschuftet haben!“
Was Smoky murmelte, konnte Hasard nicht verstehen, aber es war sicher nichts Schmeichelhaftes für Matt Davies. Der Seewolf begann zu grinsen. So wie es aussah, brauchte er sich keine Gedanken über eine Bestrafung von Davies zu machen. Das würde sich innerhalb der Mannschaft von selbst lösen.
Matt Davies schien sich auch darüber klar zu sein. Er hatte die Lippen zusammengepreßt. Den rechten Arm hatte er leicht angehoben. Hasard sah den scharfen Haken, der Matt Davies die fehlende rechte Hand ersetzte, im Schein des Feuers, das vom Floß herüberleuchtete, aufblitzen.
Blacky und Smoky, die jetzt die Riemen packten und zu pullen begannen, sahen aus, als wollten sie sich jeden Augenblick auf Davies stürzen. Zu gern hätten sie Matt auf der Stelle verprügelt, aber der scharfe Blick des Seewolfs hielt sie zurück.
„Konzentriert euch auf das, was vor euch liegt“, sagte Hasard leise. „Wenn unser Unternehmen schiefgeht, sind wir alle verloren. Und ich fühle mich verdammt noch mal zu jung zum Sterben oder um ein Lebenlang an eine Galeerenbank gekettet zu sein.“
Er sah, wie die Männer nickten.
Die Riemen tauchten fast lautlos ins Wasser. Smoky und Blacky waren die besten Rudergasten, die Hasard jemals erlebt hatte. Wenn ihnen beiden es nicht gelang, ungehört an die Galeone heranzukommen, dann würde es niemand schaffen.
Dicht unterhalb der Buchtenge horchte Hasard nach oben zu den Felsen hin. Er stieß einen leisen Schrei aus, der dem einer Möwe ähnelte. Vom Felsen aus folgte umgehend die Antwort.
Ein Stein fiel Hasard vom Herzen. Ben Brighton lebte. Die Kugel der Spanier hatte ihm nichts anhaben können.
Das Boot glitt lautlos aufs Meer hinaus. Voraus vermeinte Hasard die schattenhaften Umrisse der Kriegsgaleone zu erkennen, aber er war sich nicht sicher. Mit kurzen Handbewegungen bedeutete er Smoky und Blacky, mehr nach Backbord zu halten. Sie wollten um die Galeone herumrudern und vom Meer aus auf sie zufahren. Hasard hoffte, daß die Wachen der Spanier sich nur auf die Seite zum Land hin konzentrierten.
Ferris Tucker wischte sich mit dem Handballen das rote Haar aus der Stirn. Sein bloßer Oberkörper war schweißüberströmt und glänzte im Licht des Feuers, das auf dem Floß brannte.
Die milde Luft war erfüllt von einem infernalischen Gestank, aber Ferris Tucker nahm es nicht wahr. Er war froh, daß er seine Arbeit beendet hatte.
Vorn auf der Back der gekrängten Karacke turnte Pete Ballie herum, der die letzten Anstalten traf, die dicken Trossen zu befestigen, mit denen die beiden Galeonen die Karakke ins Wasser hinausziehen sollten.