Seewölfe Paket 21. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.seine weißen Zahnreihen.
„Nach dem bewährten Rezept“, erwiderte Don Juan grimmig.
Längst war die Schebecke klar zum Gefecht, und die Männer brauchten nur noch ihre Posten an den Drehbassen und Vierpfündern einzunehmen. Vigil und sechs Männer kauerten sich auf Don Juans Geheiß zunächst hinter die Steuerbordgeschütze. Die vier anderen führten die Segelmanöver durch.
Die Schebecke fiel leicht vom Wind ab und ging auf Kurs Nordwesten. Über Backbordbug segelnd, glitt sie in einem rechten Winkel auf die Galeonen zu, so daß sie in Lee hinter deren Achterschiffe geriet. Nur wenige Augenblicke später war es soweit – und die spanischen Mannschaften waren völlig überrumpelt, zumal die Ausguckposten den schlanken Dreimaster nicht einmal andeutungsweise erspäht hatten.
Vigil und die anderen Geschützführer hatten die Holzkohlenglut in den Kupferbecken geschürt und die Lunten entfacht. Die glimmenden Enden senkten sich auf die Bodenstücke der Kanonen, das Zündkraut in den Zündkanälen fing Feuer.
Donnernd entluden sich die vorderen fünf Geschütze der Steuerbordseite, und die Mündungsblitze stachen wie die glühenden Zungen fauchender Drachenmäuler in die Nacht. Drüben, an Bord der am weitesten nach Süden versetzt liegenden Galeone, wurden Rufe und Flüche laut, aber jede Reaktion der Besatzung erfolgte zu spät.
Wie dröhnende Hammerschläge hieben die fünf Vierpfünderkugeln in das Heck des Schiffes. Es knackte, knirschte und prasselte, und das Schreien der Männer an Bord wurde lauter und griff auch auf die zweite, nördlich treibende Galeone über, wo ebenfalls Unruhe entstand.
Ehe dort aber jemand begriffen hatte, was gespielt wurde, hatte die Schebecke auch sie erreicht und feuerte auf ein Zeichen Don Juans hin die übrigen sechs Geschütze der Steuerbordseite ab. Nur eine Kugel ging fehl und landete gischtend im Wasser, die anderen lagen im Ziel und schienen – den Lauten nach zu urteilen – ein Loch in das Achterschiff der Galeone zu reißen.
Gebrüll dröhnte durch die Nacht, die Wuhling auf beiden Schiffen war jetzt perfekt. Natürlich schrien die Kapitäne ihren Leuten zu, sie sollten die Gefechtsstationen besetzen und nach dem Feind Ausschau halten – aber der war längst wieder in der Finsternis verschwunden. Lautlos, fast unheimlich leise stahl er sich davon und hinterließ Zustand und Ratlosigkeit.
Was war geschehen? Wer schlich durch die Nacht und feuerte wie ein Teufel auf die Ruderanlagen spanischer Galeonen? Die Kapitäne der Galeonen vermochten es sich nicht zu erklären, aber auch die Offiziere, die Seeleute und Seesoldaten waren völlig verwirrt. Zwar hatten sie von der Besatzung der „Gaviota“ einiges über die Angriffe vernommen, denen der Verband offenbar ausgeliefert gewesen war, aber sie schienen den Schilderungen nicht die rechte Bedeutung beigemessen zu haben. Zumindest hatten sie nicht damit gerechnet, daß der nächste Überfall ihnen gelten würde.
„Geschafft“, sagte Vigil zu seinem Kapitän. „Wir haben es wieder einmal geschafft, Señor.“
„Ja“, sagte Don Juan und beobachtete aus schmalen Augen, was weiter geschah. Tatsächlich war der Coup zu seiner vollen Zufriedenheit ausgefallen. Beide Galeonen hatten erhebliche Treffer in den Ruderanlagen zu verzeichnen. Doch was jetzt eintrat, überstieg alle seine Erwartungen.
Die in Lee befindliche Galeone drehte mit ihrem zerschossenen Ruder nach Luv hoch und rammte das Achterschiff der zweiten Galeone. Ihr Bugspriet bohrte sich durch eins der Fenster der Seitengalerie und verhakte sich dort – und im Nu war der Teufel los.
Die Bugsprietstenge der Galeone ging zu Bruch, und die Galionsfigur, ein Einhorn, erschien in der Kammer des Schiffsarztes, der fluchtartig und völlig schockiert aus der Kammer stürzte. Er stürmte aufs Achterdeck, sein Gesicht war von einigen Scherben, die durch die Kammer geflogen waren, zerkratzt.
„Madre de Dios!“ brüllte er so laut, daß es bis zur Schebecke tönte. „Wir sind alle des Todes!“
„Schweigen Sie!“ fuhr der Kapitän ihn an.
„Ein Geisterschiff!“ rief einer der Seeleute an Bord dieser Galeone. „Dämonen haben ihre Hand im Spiel!“
„Rette sich, wer kann!“ brüllte irgend jemand.
„Zurück!“ schrie der Kapitän. „Ich lasse jeden auspeitschen, der nicht meinen Befehlen gehorcht! Alle Mann zurück auf ihre Posten!“
Nur mit größter Härte und allem Durchsetzungsvermögen gelang es ihm, die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Ähnlich war die Lage an Bord der anderen Galeone: Die Männer liefen durcheinander und gerieten sich gegenseitig ins Gehege. Ein Mann wurde angerempelt, er flog gegen den Hauptmast und stieß sich den Kopf so unglücklich, daß der Schiffsarzt ihn behandeln mußte. Weitere Verletzte gab es jedoch nicht. Nur die Ruderanlagen beider Schiffe waren zerstört. Steuerlos trieben sie in der See, hilflosen Giganten gleich, die ihrem Schicksal ausgeliefert waren.
„Sehr gut“, sagte Ramón Vigil. „Das ist noch besser, als wir zu hoffen gewagt haben.“
„Sie sind ineinander verkeilt“, sagte Matteo. „Ein voller Erfolg. Jetzt darf ich den Tag wohl doch endlich loben.“
Ja – Don Juan und seine Männer hatten allen Grund, zu triumphieren. Eine einzige Breitseite hatte genügt, und schon waren die Galeonen manövrierunfähig.
„Sie werden nicht zum Einsatz gelangen“, sagte Don Juan. „Soviel ist sicher.“
Die Schebecke segelte hinauf nach Luv, zum nördlichen Bereich, wo sie sich aufgrund der herrschenden Lichtverhältnisse vor einem stockfinsteren Hintergrund befand. Von hier aus warteten Don Juan und seine Männer die weitere Entwicklung der Dinge ab.
Das Zerschießen der Ruderanlagen war – wie sich auch jetzt wieder gezeigt hatte – wirklich das beste und bewährteste Mittel, den Gegner manövrierunfähig zu machen und auf diese Weise daran zu hindern, weiterhin aktiv zu bleiben. Gleichzeitig bestand kaum die Gefahr, daß Männer dabei verletzt wurden. Allenfalls konnte es die Señores des Achterdecks eines Schiffes treffen, was in Don Juans Augen jedoch leichter zu vertreten und zu verantworten war als Blessuren in den Reihen der Decksleute und Seesoldaten – so hart es klang. Hier grenzte er klar ab und setzte Prioritäten.
Ein Schiff ohne Führung war gezwungen, umzukehren und das Unternehmen abzubrechen. Bislang war dieser Fall nicht eingetreten, aber Don Juan bezog die Möglichkeit rein theoretisch in seine Berechnungen ein. Im übrigen war alles, jede Aktion, die den Kriegsmarsch des Verbandes zur Schlangen-Insel verzögerte und aufhielt, von Vorteil.
Von Arne von Manteuffel wußte Don Juan, daß für den Bund der Korsaren in erster Linie die Zeit zählte, damit sie ihre Insel verteidigungsbereit rüsten und ihre Schiffe nach Westen hin aufmarschieren lassen konnten. Diese Zeit, so hatte er sich fest vorgenommen, wollte er ihnen verschaffen.
Arne hatte Don Juan auch auf der Seekarte gezeigt, wo die legendäre Schlangen-Insel lag. In der Gruppe der Caicos-Inseln also – wie Don Juan bei seinen früheren Nachforschungen bereits einmal richtig vermutet hatte. So fern war er der Lösung also gar nicht gewesen. Doch die Bestätigung erhielt er erst jetzt, und inzwischen waren die Positionen anders abgesteckt.
Letzte Zweifel darüber, ob Don Antonio de Quintanilla tatsächlich die Lage der Schlangen-Insel kannte, waren ausgeräumt worden. Man durfte sich keinen Illusionen hingeben. Die Black Queen hatte Don Antonio die Position verraten, und sie hatte sich in ihrem blinden Haß und in ihrer Rachsucht sicherlich keines faulen Tricks bedient. Sie hetzte die Spanier auf ihren Todfeind, den Seewolf, und es war ihr egal, daß ihr dadurch aller Wahrscheinlichkeit auch die Möglichkeit genommen wurde, jemals wieder an die Schätze des Bundes der Korsaren zu gelangen.
Denkbar war allerdings, daß sie bislang angenommen hatte, bei einem Gefecht als der lachende Dritte auf der Insel zu landen und sich zumindest einen Teil des Schatzes anzueignen. Doch dem hatte Don Juan inzwischen einen Riegel vorgeschoben. Der Zweimaster der Queen war versenkt, sie blieb mit ihren letzten Getreuen auf der Strecke und konnte dem Verband nicht mehr folgen.
Don Juan hielt es für richtig und zweckmäßig, wenn die Schiffe des Bundes der Korsaren den heranmarschierenden