Seewölfe Paket 21. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 21 - Roy Palmer


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In spätestens ein oder auch eineinhalb Stunden würde das Morgengrauen heraufkriechen. Dabei war es jetzt schon so gut wie aussichtslos, daß man das Wild noch stellen würde.

      Weder der alte O’Flynn noch die anderen hatten bislang auch nur ein Auge zugetan. Lediglich die Zwillinge hatten von Old Donegal Order erhalten, sich gefälligst in ihre Kojen zu verholen. Ob die Söhne des Seewolfs allerdings wirklich schliefen, ließ sich nicht kontrollieren. Auf dem Achterdeck des kleinen Dreimasters gab es ohnehin andere Sorgen, mit denen man sich zu beschäftigen hatte.

      „Geben wir uns keinen Illusionen hin“, sagte Dan O’Flynn resignierend. „Der sehr ehrenwerte Don Antonio und seine Komplicen sind uns durch die Lappen gegangen.“

      „So sieht es leider aus“, sagte Jean Ribault seufzend, „eine schöne Bescherung.“

      Don Juan de Alcazar blies die Luft durch die Nase.

      „Wir müssen uns damit abfinden. Es hat keinen Sinn, weiter auf Westkurs zu segeln und die See nach Luv und nach Lee abzusuchen. Wenn wir die Schaluppe bis jetzt nicht aufgestöbert haben, werden wir sie auch nicht mehr aufstöbern. Das ist leider die traurige Tatsache. Wie gesagt, ich habe es schon nach der ersten halben Stunde befürchtet.“

      Old Donegal stieß einen wütenden Knurrlaut aus.

      „Dann hat uns dieser Fettsack aus Havanna tatsächlich angeschmiert. Man könnte sich selbst in den Hintern treten.“

      „Es gibt nur zwei Möglichkeiten“, sagte Don Juan, „entweder ist die Schaluppe auf Nordwestkurs gegangen, oder sie hat die Windward-Passage angesteuert. In beiden Fällen hat sie sich immer weiter von uns entfernt, je länger wir den Westkurs gehalten haben.“

      „Also kein Wunder, daß wir sie nicht gefunden haben“, sagte Dan O’Flynn erbittert.

      „Dann wird die Jagd abgebrochen“, sagte Jean Ribault. „Was wir tun, ist reine Zeitverschwendung. Mein Vorschlag: Wir kehren nach Grand Turk zurück und kümmern uns wieder um unsere eigentliche Aufgabe.“

      „Jemand dagegen?“ fragte der alte O’Flynn. Da dies nicht der Fall war, gab er Order, auf Gegenkurs zu gehen.

      Nach einer eleganten Halse legte Martin Correa die „Empress“ auf Ostkurs. Beim Wind, über Steuerbordbug segelnd, lief der schlanke Dreimaster sehr bald wieder rauschende Fahrt.

      Als Vorbote des Morgengrauens zog sehr bald Frühnebel auf. Breit und dickleibig lasteten die Schwaden auf der Wasseroberfläche und erschwerten die Sicht.

      Zur Sicherheit begab sich Dan O’Flynn als Ausguck auf das Vorschiff. Hoch aufgerichtet harrte er im Bugraum der „Empress“ aus. Die Nebelschwaden waren von unterschiedlicher Dichte und dehnten sich zumindest teilweise zu Tiefnebel aus, der die Höhe des Bugs der „Empress“ nicht überschritt. Von Zeit zu Zeit gab es dann jedoch wieder hoch aufragende Nebelbänke, die den Dreimaster vorübergehend verschlangen.

      Eine Stunde war seit der Umkehr der „Empress“ vergangen, und der Himmel hatte sich bereits in ein helles Grau verfärbt.

      Unvermittelt rüttelte die warnende Stimme Dan O’Flynns die Männer an Bord aus ihrer Nachdenklichkeit auf.

      „Mastspitzen Steuerbord voraus!“

      Schlagartig war es mit der Ruhe vorbei. Wenn Dans Meldung stimmte, dann hatte er wieder einmal eine Meisterleistung vollbracht – angesichts der Milchsuppe, die sich immer mehr verdichtete.

      Jean Ribault, Don Juan und Old Donegal griffen zu den Spektiven und suchten die See ab, soweit es die Nebelschwaden erlaubten.

      Auf dem Hauptdeck fackelten Matt Davies, Nils Larsen und Sven Nyberg nicht lange. Unverzüglich begannen sie mit dem Laden der Drehbassen, die sowohl an Backbord als auch an Steuerbord in den schwenkbaren Lafetten ruhten.

      Sekunden später erkannten die Männer auf dem Achterdeck, daß sich Dan O’Flynn mit seiner Beobachtung nicht getäuscht hatte.

      „Eine Kriegskaravelle“, sagte Don Juan verblüfft.

      „Und eine spanische dazu“, sagte Old Donegal.

      Jean Ribaults Hände verkrampften sich um das Spektiv. Harte Furchen entstanden in seinen Mundwinkeln. Noch drang kein Laut über seine Lippen. Aber der Ausdruck seines Gesichts war voll düsterer Ahnung.

      Unvermittelt schob sich eine Nebelwand vor die „Empress“. Für zermürbend lange Minuten war den Männern die Sicht verwehrt. Dann jedoch gab es eine Art Gasse zwischen den Nebelschwaden, und sekundenlang hatten Jean Ribault und die anderen nahezu völlig freie Sicht auf das fremde Schiff, das sich deutlich vor der östlichen Kimm abzeichnete.

      Jean Ribault stieß einen leisen Fluch aus.

      „Kein Zweifel“, sagte er gepreßt, „das ist einer von den Spaniern, die meine ‚Vengeur‘ zusammengeschossen und versenkt haben.“ Er brauchte keine weitere Erklärung abzugeben. Seine Gefährten wußten längst, was sich seinerzeit bei der Verfolgung des spanischen Kampfverbandes auf dem Kurs in Richtung Schlangen-Insel abgespielt hatte. Die „Le Vengeur“ war beim Angriff auf die äußerste Flanke des Verbandes überraschend von den sechs Schaluppen Cuberas gestellt und festgenagelt worden.

      Jene Karavelle, die jetzt aus Osten herannahte, hatte gemeinsam mit einer Kriegsgaleone die „Le Vengeur“ in Stücke geschossen. Zehn Männer aus der Crew des Franzosen hatten dabei ihr Leben gelassen. Jean Ribault und die zwanzig Überlebenden hatten sich in die Boote gerettet. Verzweifelt und in ohnmächtigem Zorn hatten sie mit ansehen müssen, wie ihr Schiff gesunken war.

      Nebelbänke schoben sich wieder zwischen die spanische Karavelle und die „Empress“.

      Old Donegal hatte sich das Spektiv unter den linken Arm geklemmt. Mit der linken Faust hieb er sich in die rechte Handfläche.

      „Das wäre ein schmackhafter Brocken für uns“, sagte er grollend. „Wenn ihr mich fragt: auf ihn!“

      „Nichts dagegen einzuwenden“, sagte Jean Ribault grimmig, „man muß die Feste feiern, wie sie fallen.“

      Don Juan und Dan O’Flynn, der mittlerweile auf das Achterdeck zurückgekehrt war, stimmten zu.

      „Wahrscheinlich haben uns die Burschen auf der Karavelle noch nicht einmal bemerkt“, sagte Dan. „Schließlich sind wir kleiner und unscheinbarer als so ein großer Eimer.“

      „Aber auch kleine Hunde können beißen“, sagte Old Donegal kampfeslustig. Dann wandte er sich nach vorn und erhob seine Stimme zum Donnerton. „Schiff klar zum Gefecht!“

      Dan, Don Juan und Jean Ribault packten selbst mit zu und unterstützten die Männer auf dem Hauptdeck. Daß sie sich auf den alten O’Flynn und Martin Correa verlassen konnten, war gewiß. Die beiden waren ein hervorragend aufeinander eingespieltes Gespann. Sie würden es verstehen, mit der „Empress“ blitzschnell und völlig überraschend auf den Gegner loszustürzen.

      Inzwischen waren sämtliche Drehbassen geladen worden, einschließlich der Hinterlader auf dem Achterdeck und auf dem Vorschiff. Zusätzlich legten die Männer ein ausreichendes Sortiment an Pulverflaschen bereit – bewährtes Mittel, um jedem Gegner kräftig zuzusetzen.

      Abermals rissen die Nebelschwaden auf – nur für einen winzigen Moment. Die kurze Zeitspanne reichte jedoch aus, um erkennen zu lassen, daß die Karavelle auf Kurs geblieben war. Indessen ließ sich die andere, drängendere Frage nicht beantworten, ob der Gegner seinerseits die „Empress“ gesichtet hatte.

      Im nächsten Augenblick hatte sich die Milchsuppe wieder geschlossen.

      Ohne zu zögern, stieß der alte O’Flynn mitten in die Nebelbank hinein, die jetzt noch zwischen der „Empress“ und der Kriegskaravelle lag. Nach knappen und präzisen Anweisungen von Old Donegal hielt Martin Correa stur den Kurs. Das Augenmaß des Alten, soviel wußten die Männer an Bord, war geradezu phänomenal.

      Unter Vollzeug rauschte die „Empress“ durch das undurchdringlich scheinende milchige Grau.

      Bei einer Kollision


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