Seewölfe Paket 21. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.Männer, die sich mit angespannten Sinnen an den Drehbassen postiert hatten, verscheuchten alle besorgniserregenden Gedanken aus ihrem Bewußtsein.
Dan O’Flynn hatte sich bereits eine ausreichende Zahl von Flaschenbomben zurechtgelegt.
Jean Ribault, Don Juan, Nils Larsen und Sven Nyberg standen geduckt hinter den Drehbassen an Steuerbord.
Matt Davies hatte sich an dem achteren Hinterlader aufgebaut.
Atemlos verharrten die Männer.
Nur das Rauschen der Fluten und das Singen des Windes im Takelwerk waren zu hören.
Jäh verdunkelte sich das milchige Grau vor ihnen.
Aus dem unbestimmten Schatten entstanden Konturen.
Die Umrisse der Kriegskaravelle!
Old Donegal stieß einen triumphierenden Knurrlaut aus. Sein Kurs stimmte haargenau, und jetzt stand auch fest, daß die Dons den unscheinbaren Gegner überhaupt nicht bemerkt hatten.
Auf Befehl des alten O’Flynn luvte Martin Correa an.
Sekunden später war es soweit.
Mit einer Entfernung von kaum sechs Yards von Bord zu Bord glitt die „Empress“ auf die Karavelle zu.
„Feuer frei!“ brüllte Old Donegal.
Die Männer an Steuerbord stießen die glimmenden Lunten in die Zündlöcher.
Schwarz und drohend ragte die Luvseite der Kriegskaravelle vor ihnen auf. Die großen Segel verschwammen im Grau des Nebels. Erschrockene Rufe waren von Bord des Spaniers zu vernehmen. Hastige Befehle wurden gebrüllt.
Sinnlos, jetzt noch.
Wummernd entluden sich die Rohre der Drehbassen und hämmerten ihre Ladungen auf die unglaublich kurze Distanz in den Leib der Karavelle.
Das Bersten und Splittern von Holz klang so unmittelbar und schmetternd, daß es den Männern auf der „Empress“ durch Mark und Bein ging.
Und im Passieren schleuderte Dan O’Flynn mit geradezu elegantem Schwung seine Pulverflaschen. Zielgenau landeten die Flaschen auf den Decks der Karavelle.
Die Serie der Detonationen brachte die Spanier vollends in Verwirrung. Schreie gellten, als die Splitter aus den Höllenflaschen durch die Gegend sirrten.
Das noch höher aufragende Achterschiff der Karavelle wurde erkennbar.
„Matt!“ brüllte Old Donegal. „Jetzt bist du dran!“
„Aye, aye, Sir!“ brüllte Matt zurück und duckte sich ein Stück tiefer hinter die Drehbasse.
Kaum hatten sie das Heck der Karavelle passiert, ließ der alte O’Flynn abfallen.
Matt Davies reagierte blitzschnell, zündete und jagte die Ladung in die Ruderanlage des Spaniers.
Das ohrenbetäubende Krachen des Treffers ließ die Trommelfelle der Männer auf der „Empress“ schmerzen.
Mit hoher Fahrt entfernte sich der kleine Dreimaster nach Südost. Keine Chance mehr für die Dons, ihre achteren Drehbassen noch einzusetzen.
Ohnehin war die Verwirrung an Bord der Karavelle grenzenlos. Dem Geschrei nach zu urteilen, mußte buchstäblich die Hölle los sein.
Für den alten O’Flynn gab es nicht viel zu überlegen. Sein Kommando erfolgte ohne Zeitverlust.
Martin Correa luvte an, wendete, und die „Empress“ jagte von neuem auf das Achterschiff der Karavelle zu.
Jean Ribault und die anderen standen wieder an den feuerbereiten Drehbassen an Backbord.
Der Spanier lief bereits aus dem Ruder.
Rechtzeitig erkannte Jean Ribault die Gestalten, die über der Heckbalustrade auftauchten. Und im frühen Morgenlicht schimmerten die Bronzerohre der Drehbassen.
Mit einem grimmigen Schrei jagte Ribault die Ladung seiner Drehbasse schräg nach oben.
Im selben Moment brüllten die übrigen Hinterlader der „Empress“. Matt Davies hatte sich zur Verstärkung ebenfalls an Backbord postiert.
Während die Ladungen als Volltreffer in die Ruderanlage krachten, war das Achterdeck der Karavelle von Jean Ribaults Drehbassenschuß schon leergefegt. Dan O’Flynn tat ein übriges, indem er seine Flaschenbomben so hoch wie möglich schleuderte und auch tatsächlich Erfolg hatte.
Zwei Höllenflaschen detonierten kurz nacheinander auf dem Achterdeck, eine dritte landete auf der Heckgalerie. Die Explosion zerriß alle Bleiglasfenster mit dem Schlag einer Gigantenfaust.
Abermals rauschte die „Empress“ auf Distanz, und die Männer an Bord waren fieberhaft mit dem Nachladen der Steuerborddrehbassen beschäftigt.
Triumphierend stellten sie fest, daß Jean Ribault und Dan O’Flynn die Heckdrehbassen des Gegners ausgeschaltet hatten. Von dort drohte keine Gefahr mehr.
Dank der Manövrierunfähigkeit des Spaniers konnten sich Old Donegal und seine Gefährten nun systematisch das Heck vornehmen.
Nach unablässigem Wenden und Halsen jagten sie eine Drehbassenbreitseite nach der anderen in das Achterschiff, das sich mehr und mehr in einen Trümmerhaufen verwandelte.
Nach einer knappen Stunde gab es an dem Werk nichts mehr zu vollenden.
Die Spanier waren bereits in die Boote gegangen und pullten in panischer Hast davon. Sie hatten begriffen, daß sie gegen diesen Gegner mit seiner unheimlichen Wendigkeit buchstäblich nichts mehr ausrichten konnten. Denn dieser unheimliche Gegner vermied es geschickt, sich den Breitseiten der Karavelle zu präsentieren. Die schweren Geschütze waren nicht einzusetzen und auf geradezu lächerliche Weise nutzlos geworden.
Die vollbesetzten Boote der Dons waren etwa hundert Yards von der Karavelle entfernt, als diese über den zertrümmerten Achtersteven in die Tiefe rauschte.
Donnernd hallte der Kampfruf der „Empress“-Crew durch den Nebel.
„Ar – we – nack! Ar – we – nack!“
Dann nahmen sie wieder Kurs auf Grand Turk. Jetzt bestand der Kampfverband Don Garcia Cuberas nur noch aus zwei Kriegsgaleonen …
ENDE
1.
Mit einem unterdrückten Stöhnen flog Hasard außenbords. Die Besanrute hatte seinen Brustkorb getroffen. Er hatte das Gefühl, zerquetscht zu werden. Seine Lungen schienen eingeklemmt zu sein, er hatte nicht mehr die Kraft, zu schreien und konnte nicht mehr atmen. Eine unsichtbare Macht schien ihn vom Deck seines Schiffes zu entführen. Er stürzte in einen wild kreisenden, schwarzen Sog, der ihn in unendliche Tiefen riß.
Er nahm kaum wahr, wie die Fluten über ihm zusammenschlugen. Alles schien in tiefster Finsternis zu versinken, jedes Gefühl erstarb. Die Schmerzen klangen ab und wichen einem trägen Gefühl der Erlösung und Sorglosigkeit.
Genau dies war der kritischste, gefährlichste Punkt. Hasard drohte zu ertrinken, aber er spürte nicht, daß er Wasser schluckte. Sein Körper drehte sich im Wasser, die Arme und Beine waren bewegungslos wie die einer Gliederpuppe. Er drohte, immer tiefer abzusinken, verlor die Besinnung und war seinem Schicksal ausgeliefert.
Plötzlich aber setzte doch eine instinktive Abwehr ein. Er begann, knappe, zuckende Schwimmbewegungen zu vollführen, die ihm etwas Auftrieb verliehen. Das Salzwasser drang in seine Atemwege ein, er fing an, zu spucken und zu husten, schluckte beinah noch mehr Wasser und hatte keine Luft mehr. Er krümmte sich, arbeitete heftiger mit den Armen und Beinen und riß die Augen weit auf. Die Gefahr, ohnmächtig zu werden, war gebannt. Aber die stechenden Schmerzen in seinem Brustkorb brachten ihn fast um.
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