Seewölfe Paket 18. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.jetzt beidhändig bewaffnet war. Und mit lässiger Haltung trat er den beiden flüchtenden Männern entgegen, um ihnen den Weg der Pflicht zu zeigen.
Das war nicht nötig, machte sich aber gut.
Denn noch im Dröhnen der Schüsse der beiden anderen sah er, wie die beiden Indianer getroffen wurden, als seien sie gegen ein unsichtbares Hindernis gerannt. Sie bäumten sich im Aufprall der Kugeln auf, torkelten, die Messer entrutschten ihren Händen, dann brachen sie zusammen.
Don Angelo Baquillo winkte mit den beiden Pistolen und rief: „Vorwärts lautete mein Befehl, ihr feigen Hunde! Oder wollt ihr kneifen?“
Mit entsetzten Gesichtern warfen sie sich wieder herum – sahen, daß die beiden Indianer am Boden lagen, ohne sich zu rühren, und stürmten mit hysterischem Gebrüll auf das Dorf zu. Nur ein Hund ergriff vor ihnen die Flucht.
Aus den Hütten ertönte der Todesgesang der Timucuas, schwach, aber dennoch vernehmbar. Sie hatten nichts mehr, mit dem sie sich zur Wehr setzen konnten – greise Frauen und Männer, Kranke im letzten tödlichen Stadium des Fiebers hatten sowieso nicht mehr die Kraft, gegen den anderen Feind – den weißen Mann – zu kämpfen. Mochte er jetzt Feuer legen, das Ende des Lebens war ohnehin erreicht.
Diese vier Männer, bis zum Bersten mit Angst erfüllt, hetzten mit entzündeten Fackeln durch das Dorf, um das zu tun, was ihnen der Kommandant befohlen hatte. Pflichterfüllung war das. Die absurde Sinnlosigkeit ihres Tuns wurde ihnen nicht bewußt, daß sie Mordbrenner waren, erst recht nicht. Der Kommandant hatte ihnen ja gesagt, daß sie mit dem Feuer das Fieber verbrannten, das die Wilden in sich trugen, um die Spanier zu vernichten. So taten sie also ein gutes, gottgefälliges Werk.
Don Angelo Baquillo lehnte wieder am Torpfosten, und das zynische Grinsen in seinem Gesicht hatte sich verstärkt. Als es ihm wegen der brennenden Hütten zu heiß wurde, schlenderte er zum Steg zurück.
Knapp fünf Minuten später folgten ihm die vier Männer seines Stabes – mit fiebrigen Augen, glühender Gesichtshaut, verzerrten Mienen und Brandgeruch in der Kleidung. Sie keuchten, weil sie sich wieder verausgabt hatten. Man war es ja nicht gewohnt, selbst einen Brand zu legen. Auch das war eine Tätigkeit, mit der sie noch nie ihre Hände beschmutzt hatten, weil da immer welche gewesen waren, die von ihnen die Befehle entgegengenommen hatten. Die hatten sich nur leider aus dem Leben gestohlen – ein empörender Vorgang, ihrer Meinung nach.
Don Angelo Baquillo musterte die beiden Männer, die vor den beiden kranken Indianern die Flucht ergriffen hatten, aus kalten Augen und sagte: „Passiert das noch einmal, Señores, dann schieße ich Sie nieder. Sie werden eine Menge tun müssen, um sich zu rehabilitieren. Ich dulde in meinem Stab keine Feiglinge. Wir haben Vorbild für die Truppe zu sein, leuchtendes Vorbild! Wer sich dieser Maxime versagt, hat nicht das Recht, Offizier Seiner Majestät zu sein. Ich erteile Ihnen hiermit einen Tadel! Und jetzt legen Sie gefälligst ab! Andere Aufgaben warten auf uns!“
Leider stellte sich heraus, daß diese vier Männer von der seemännischen Praxis und der Führung einer Jolle unter Segel keinen blassen Schimmer hatten. Sie erhielten einen weiteren Tadel, in diesem Falle durchaus zu Recht, weil Don Angelo Baquillo erbittert feststellte, daß sie Zeit genug gehabt hätten, sich die seemännische Praxis vor Ort, nämlich hier in der Bucht, anzueignen, zumal hier ja Schiffbau betrieben worden war.
Er wurde wieder sehr rüde und steuerte selbst die Jolle aus der Bucht. Als er sie verlassen hatte, ging er auf Nordkurs.
Hinter ihnen brannte das Dorf.
Tamao, der junge Timucua, wurde immer erregter, je weiter die „Isabella“ an der Küste entlang nordwärts steuerte. Er befand sich auf dem Achterdeck bei Hasard und war ein ausgezeichneter Lotse, zumal sich ihm der Küstenverlauf des ersten Teils seiner Flucht aus der Waccasassa-Bucht fast haarscharf ins Gedächtnis eingebrannt hatte. Damals hatte er den Weg südwärts genommen, jetzt war es umgekehrt. Aber er hatte sich vieles gemerkt – Buchten, Baumgruppen, Strände und die Formationen der Küste. Er hatte ein erstaunliches Gedächtnis, wie Hasard feststellte. Er sagte genau voraus, was an dieser Küste bemerkenswert war.
„Bald!“ sagte Tamao erregt und spähte voraus. „Die Bucht ist nicht mehr weit!“ Und seine Hände verkrampften sich um die Querbalustrade des Achterdecks.
Hasard sah es und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. Natürlich war die „Isabella“ gefechtsklar. Auch die Männer lauerten voraus nach Norden. Tamao hatte berichtet, was sich in der Waccasassa-Bucht abspielte. Er hatte sie genau beschrieben. Sie wußten sogar, wie der Don hieß, der dort die erbarmungslose Peitsche schwang und wie ein Tyrann wütete. Darum waren sie auf die Begegnung mit Don Angelo Baquillo und seiner Truppe vorbereitet. Und aller Wahrscheinlichkeit nach würden die Waffen sprechen müssen, um die versklavten Timucuas zu befreien.
Das befreiende Signal, das sie aus dem Lauern erlöste, war die alarmierende Stimme Bills aus dem Großmars. Er meldete Steuerbord voraus Rauchwolken über dem Land.
Rauchwolken?
Das bedeutete im allgemeinen nichts Gutes, wenn es bereits Rauchwolken waren. Hasard enterte zu Bill auf und spähte durchs Spektiv, genau wie Bill selbst.
„Da scheint auch Feuer zu sein“, sagte Bill gepreßt. „Kein kleines Feuer, Sir, und ganz bestimmt kein Feuer, über dem etwas abgekocht wird.“
Hasard nickte.
„Weiter scharf aufpassen“, sagte er knapp. „Auch nach Westen und Süden.“
„Aye, Sir.“
Hasard enterte wieder ab, wandte sich zum Rudergänger und befahl: „Näher ran an die Küste, Pete!“ Er drehte sich zu Tamao um: „Ist dort mit Sänden zu rechnen?“
„Nein.“
Die Rauchwolken wurden mit bloßem Auge sichtbar. Tamao stöhnte auf.
„Dort ist die Waccasassa-Bucht!“ stieß er hervor. Seine Gesichtsfarbe wirkte fahl.
„Bestimmt?“ fragte Hasard.
„Ja.“ Tamao nickte.
Die Bestätigung erfolgte prompt aus dem Hauptmars.
„Bucht Steuerbord voraus!“ rief Bill. „Dort stehen Hütten in Brand!“
Tamao begann zu zittern. Ein ächzender Laut drang aus seinem Mund. Dann biß er die Zähne zusammen, und sein Gesicht verkrampfte sich.
Asiaga, seine Gefährtin, die vorn auf der Back der „Isabella“ stand, schrie entsetzt auf und deutete voraus. Auch sie hatte erkannt, was dort brannte – das Dorf der Timucuas, die Heimstätte, die sie mit Tamao verlassen hatte, um einem grausamen Schicksal zu entgehen. Aber die Rückkehr schien noch grausamer zu sein.
Das Drama, auf das die Seewölfe zusegelten, steigerte sich, als die „Isabella“ die Bucht erreichte und einlief.
Da sahen sie es alle.
Ein Indianer mit bloßem Oberkörper taumelte bei den Hütten hervor, wankte durch die Rauchschwaden und torkelte hinunter zum Ufer. Wie verzweifelt winkte er zu dem fremden Schiff hinüber, dann brach er zusammen, als sei er von einer Axt gefällt worden.
Aber er versuchte, sich wieder aufzustemmen.
„Fallen Anker!“ gellte Hasards Stimme. „Geit auf die Segel! Setzt beide Jollen aus! Beeilung, Männer!“
Ja, da war höchste Eile geboten. Hasard – sie alle hatten es erkannt. Das Feuer hatte zur Werft und zur Siedlung übergegriffen, ja, es fraß sich bereits in das Schilfdickicht der Sümpfe.
Carberry brüllte nicht, wie das sonst seine Art bei Alle-Mann-Manövern war. Er hatte im übrigen seinen Rausch ausgeschlafen und den Brummschädel, mit dem er erwacht war, ignoriert. Jetzt packte er beim Aussetzen der beiden Jollen selbst mit an. Sie arbeiteten alle schnell und verbissen, aber mit der Sicherheit ihrer langjährigen Praxis.
Bill enterte aus dem Großmars ab und raste zum Achterdeck hoch.
„Sir!“ meldete er erregt. „In der spanischen Siedlung liegen