Seewölfe Paket 11. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.in der Nacht, wie es der Balian vorausgesagt hatte, wurde die Asche dann dem Meer übergeben.
Damit hatte Atun die erste Stufe der Reinkarnation erreicht und befand sich auf dem Weg ins Nirwana.
Damit endete auch für die Seewölfe der Tag, der anstrengend genug gewesen war und an den sie noch lange denken würden.
Die Verabschiedung begann und drohte noch einmal in eine Feier auszuarten.
Noch vor dem ersten Morgengrauen ging die „Isabella“ ankerauf und setzte Segel.
Trotz der frühen Morgenstunde ließ es kaum jemand der Insulaner nehmen, ihr Grüße nachzuwinken. Noch in der letzten Nacht hatten die Balinesen weitere Körbe an Bord geschleppt.
Auf der „Isabella“ gab es Früchte und so viel Reis, daß der Kutscher befürchtete, sie würden nie wieder Land anlaufen müssen, um ihre Vorräte zu ergänzen.
Als sie auf Ostkurs ging, brach in der Vorpiek wieder der Radau los, und die Piraten grölten und klirrten mit den Eisen.
„Laß sie raus, Ed“, sagte der Seewolf. „Sie haben keine Chance gegen uns. Sie sind waffenlos und haben ihre Lektion erhalten. Es dauert nicht lange, bis wir die Insel anlaufen, auf der sie dann bleiben werden.“
Smoky und der Profos ketteten die Kerle los, die es eilig hatten, an Deck zu gelangen. Einer nach dem anderen erschien auf der Kuhl.
Der Anführer sah sich lauernd um.
Der Profos stand vor ihm, hatte die Neunschwänzige in der Hand und zog die neun Lederriemen langsam durch seine Finger.
„Bleib schön stehen wo du bist, du Kanalratte“, sagte er drohend. „Und begehe keine Dummheit. Sieh dir das Ding hier an! Wenn einer von euch Lausekerlen auch nur das Maul aufreißt, dann lasse ich ihn über alle Decks tanzen, verstanden?“
„Wir wissen, wann wir verloren haben“, sagte der Stiernackige.
„So seht ihr aber gar nicht aus. Vergeßt also meine Worte nicht, sonst geht ihr mit wundgescheuerten Affenärschen von Bord.“
Der Anführer grinste verschlagen, aber er sah auch, daß die Seewölfe bereitstanden und nur darauf warteten, daß einer von ihnen loslegte.
Nein, sie hatten keine Chance, das sah der Kerl mit dem roten Gesicht und dem Stiernacken auch ein. Sie hatten einmal erbärmliche Prügel bezogen, und beim zweitenmal würde es noch schlimmer enden. Sie erhielten Früchte und Trinkwasser.
Während der Anführer immer wieder auf Carberrys Neunschwänzige starrte und gierig in die Früchte biß, fragte er: „Wie steht’s mit Waffen, eh? Wir können ja auf der Insel schließlich nicht verhungern oder wilden Tieren zum Opfer fallen.“
„Waffen kriegt ihr natürlich, soviel ihr wollt“, sagte Ed höhnisch. „Wir lassen euch alle Culverinen zurück, auch Musketen und Pistolen. Wollt ihr die schon gleich haben?“ fragte er freundlich. Dabei zog er wieder die Peitsche durch die Finger und sah den bulligen Kerl verächtlich an.
„Messer auch nicht?“ fragte der.
„Keine Waffen“, sagte Ed entschieden. „Euch würde ich nicht mal Zahnstocher geben. Auf der Insel könnt ihr so leben wie die Insulaner auch und euch von dem ernähren, was da wächst. Seid froh, daß man euch Galgenvögel nicht aufgeknüpft hat.“
Carberry, Big Old Shane und ein paar andere behielten die Burschen im Auge, bis der Ausguck nach etwas mehr als zwei Stunden eine Insel voraus meldete.
Das brachte die Piraten wieder auf die Beine, und sie starrten sich die Augen nach dem Eiland aus.
Die „Isabella“ segelte darauf zu. Die Insel wies auf der Westseite eine langgeschwungene Bucht auf, die dicht von Palmen bestanden war. Gleich dahinter begannen Hügel und dichte Wälder. Auf dem Hochplateau folgte eine freie Fläche die nur von Gras bewachsen war.
Die Insel war unbewohnt, und wie Hasard wußte, gab es auf ihr auch genügend Trinkwasser.
„Eigentlich ist die viel zu schade für euch“, sagte der Profos. „Hier habt ihr Stahl und Flintstein, mehr kriegt ihr nicht. Damit könnt ihr Feuer entfachen. Holz werdet ihr schon finden.“
Dicht vor der Bucht drehte die „Isabella“ bei. Hasard ließ Tiefe loten, die vier Faden betrug. Sie konnten noch ein Stück näher heransegeln, denn die Tiefe blieb ziemlich konstant und nahm erst dicht am Strand wieder ab.
Haßvolle Gesichter sahen die Seewölfe an.
„Dann setzt endlich das Boot aus!“ schrie der Anführer.
„Den Teufel werden wir tun“, sagte Ed ruhig. „Ihr geht über die Jakobsleiter in den Bach. Die zehn Yards bis zum flachen Wasser werdet ihr schwimmen. Und nun verzieht euch, damit ich eure Rattenvisagen nicht länger sehen muß, sonst kommen mir noch die Bananen hoch.“
Ferris Tucker nahm auf Geheiß des Seewolfs zwei Entermesser und eine kleine Axt und warf sie schwungvoll über Bord, wo sie im flachen Wasser deutlich sichtbar auf den Grund sanken.
„Damit könnt ihr euch gegenseitig abmurksen, ganz wie ihr wollt“, sagte er laut.
Die ersten kletterten unter lautstarken Verwünschungen die Jakobsleiter hinunter und sprangen ins Wasser. Sie hatten nur ein paar Yards zurückzulegen, bis sie Grund unter den Füßen hatten.
Der letzte, der die „Isabella“ fluchend verließ, war der stiernackige Anführer.
Bevor er sprang, sah er noch einmal den Profos an.
„Ich habe mir den Namen eures Schiffes gemerkt“, sagte er wütend. „Eines Tages begegnen wir uns vielleicht wieder. Aber dann geht es anders aus, das verspreche ich euch. Irgendwann“, wiederholte er, „dann hänge ich jeden einzelnen von euch an die Rah meines Schiffes.“
„Falls du jemals wieder eins unter deinem Affenarsch hast“, sagte Ed. Dann holte er mit der Neunschwänzigen aus und grinste hart über sein narbiges Gesicht.
„Und nun laß los“, befahl er, „sonst wird die Leiter dreckig!“
„Der Teufel soll dich Bastard holen, euch alle!“ schrie der Kerl.
Carberry klopfte ihm ungerührt auf die Finger, und da ließ der Pirat mit einem Aufschrei die Leiter los und sprang ins Wasser.
Als er Grund unter sich hatte, tauchte er zuerst nach den Messern und dem Beil und schwang es drohend.
Aber die Seewölfe lachten nur, sie konnten die Kerle nicht mehr ernst nehmen, denn die würden auf ihrer Insel hocken, bis wirklich mal ein Schiff vorbeisegelte. Und es war sehr fraglich, ob es sie überhaupt mitnehmen würde.
„Auf Stationen!“ rief Ben Brighton. „Setzt die Segel!“
Als der letzte endlich an Land war, drehte die „Isabella“ ihren Bug nach Westen. Die Reise ging weiter …
1.
Juli 1590 – Java-See.
Der Nordostpassat hatte allerlei drauf, wehte aber stetig und ohne Tücken. Die „Isabella VIII.“ pflügte mit Westkurs über Backbordbug liegend durchs Wasser.
Java – die Insel der Feuerberge – erstreckte sich in Sichtweite an Backbord, soweit das Auge reichte.
„Hört überhaupt nicht auf“, brummte Ed Carberry, der bullige Profos der „Isabella“. Er schaute Ferris Tucker zu, der damit beschäftigt war, eine Segeltuchplane am Backbordsüll des geöffneten Laderaums auf der Kuhl festzuzurren.
„Was hört nicht auf?“ fragte Ferris Tucker abwesend und hielt die Plane probeweise hoch.
„Diese verdammte Insel“, erwiderte Carberry.
„Ach