Seewölfe Paket 11. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.ich auch nicht“, versicherte Smoky. „Und du glaubst auch kein Wort, Sir, oder?“
„Ich weiß nicht recht“, erwiderte Hasard. „Bei den Insulanern ist alles möglich. Da gibt es unerklärliche Geheimnisse.“
Sie schlossen untereinander Wetten ab, sahen in die gewaltige wabernde Glut, die sie nicht einmal für Sekunden die Hände hineingehalten hätten, und schüttelten die Köpfe.
Da sollte ein Mensch durchgehen? Ausgeschlossen, entschieden sie. Oder sie hatten den Balian mißverstanden wegen der Sprachschwierigkeiten.
Einige der maskenhaft starr wirkenden Männer trugen eine Art Amulett an dem gebogenen Bambusstab. Es zeigte den Kopf eines Stieres oder eines Hundes. Auch das Haupt eines Löwen glaubten sie deutlich zu erkennen.
Eine seltsame Stille senkte sich über den Platz. Die Seewölfe traten ein paar Schritte zurück, denn die Glut, die aus der Mulde drang, legte sich beklemmend heiß auf die Lungen und ließ das Atmen zur Qual werden.
Irgendwo aus dem Tempelwald erklang das leise Dröhnen einer Trommel. Anfangs leise, dann schwoll es immer mehr an. Dazwischen wurde ein riesiger Gong geschlagen, der über die ganze Nordseite der Insel dumpf und dröhnend erklang. Die Abstände wurden kürzer, dafür wurden die Töne sinnverwirrend und laut.
Die Männer bewegten sich kaum. Erst als der Balian am Rand der lodernden Grube Aufstellung nahm, kam Bewegung in die Leiber. Schweißtropfen standen auf den braunen Körpern, nur die Augen waren immer noch seltsam starr und teilnahmslos in das Feuer gerichtet.
Selbst die Insulaner blieben stumm. Niemand sprach auch nur ein Wort.
Noch einmal dröhnte der Gong auf, dann senkte sich bleierne Stille über die Insel, und die Natur schien den Atem anzuhalten.
Da trat der erste feierlich vor. Er hob den Kopf und rief mit schriller Stimme ein kurzes Wort.
Was dann folgte, jagte den abgebrühten Seewölfen einen Schauer nach dem andern über den Rücken. Sie trauten ihren eigenen Augen nicht mehr.
Der Mann schritt in die Glut, drehte sich dabei um seine Achse, tänzelte auf den glühenden Scheiten und schritt ruhig und feierlich weiter. Flammen schlugen bis an seine Hüfte, griffen nach dem Bambusgestell und hüllten die Gestalt ein, die ruhig und gemessen immer weiterschritt, bis ein Aufstöhnen durch die Menge ging.
„Das – das gibt es nicht“, ächzte Carberry. Er sah das Bild klar und deutlich vor sich, und doch hatte er das Gefühl, als erlebe er einen bösen Traum.
Der erste Tänzer hatte jetzt fast die Mitte der Grube erreicht, als auch schon der zweite in die Höllenglut trat und dem ersten Mann auf die gleiche Art folgte. Niemand hatte es eilig, keiner rannte, um die Pein so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Gemessenen Schrittes wurde die glühende Mulde durchwandert, und jetzt hatte der erste sein Ziel erreicht.
Er stieg aus der flachen Grube, ging weiter und kehrte in einem Bogen von außen an den Ausgangsort zurück.
Der Seewolf blickte auf seinen Körper, ganz besonders aber auf seine Beine.
Es gab keine Brandblasen, keine sichtbaren Verletzungen, und der Mann sah nicht so aus, als habe er Schmerzen.
Der Kutscher griff sich verzweifelt an die Stirn und wirkte total verstört.
„Der Mann müßte verbrannt sein“, stammelte er.
„Er ist aber nicht einmal verletzt“, sagte Hasard. „Oder kannst du irgendeine Wunde entdecken?“
„Nein, nicht die geringste.“
„Ich begreife das auch nicht, Kutscher, und ich weiß nicht, ob wir jemals dafür eine Erklärung kriegen. Aber ich sehe es mit meinen eigenen Augen und muß es wohl oder übel glauben.“
Vier Männer waren jetzt schon wie in einer feierlichen Prozession durch das tödliche Feuer geschritten, ohne auch nur den geringsten Schaden zu nehmen.
Die Seewölfe stöhnten ungläubig und konnten es nicht fassen. Immer noch standen in jedem Gesicht Zweifel und bange Erwartung, wenn sie die Feuertänzer beobachteten.
Die meisten der Tänzer hatten die Augen geschlossen. Einige aber waren dabei, die die Glut mit starren, weitgeöffneten Augen durchschritten. Sie wirkten wie Puppen, die an langen unsichtbaren Fäden durch das Feuer gezogen wurden.
Nach einer endlos scheinenden Ewigkeit war auch der letzte Mann hindurchgeschritten, ohne Schaden zu erleiden. Lediglich die Gräser an den Bambusgestellen hatten Feuer gefangen, bei jedem einzelnen, und auch die getrockneten Blumen qualmten oder brannten.
Am Ausgang der Mulde schlugen sie die Bambusstöcke auf den Boden, bis das Feuer gelöscht war.
Es gab keine körperlichen Schäden, denn der Balian zeigte den Seewölfen die Männer, hielt sie fest und drehte sie langsam um ihre Achse, wobei jeder der Seewölfe vergeblich nach Brandblasen suchte.
Dann rief der Balian mit beschwörender und lauter Stimme ein paar Worte, fuhr den Männern mit der Hand über die Gesichter und murmelte schließlich nur noch leise.
Einer nach dem anderen erwachte aus seiner maskenhaften Starre, als kehre jetzt erst das Leben in ihn zurück. Die Bewegungen wurden fließender, die durch das Feuer Geschrittenen gaben sich gelöst und setzten sich auf den Boden.
Hasard sah in entspannte Gesichter. Nur Carberry und Smoky saßen immer noch mit offenen Mündern da und starrten die unheimlichen Feuertänzer an.
Dann stand der Profos auf und trat an die Grube.
„Da muß ein mieser Trick dabei sein“, sagte er. Er hielt die Hand über die Grube, zog sie aber sofort mit einer leise gemurmelten Verwünschung zurück, denn was ihm da entgegenschlug, war heißer als das Feuer des Kutschers in der Kombüse.
„Vielleicht möchtest du auch einmal da durchlaufen“, sagte Smoky. „Ich wette um ein Faß Rum und meinen Anteil, wenn du da heil durchmarschierst.“
„Nicht für alle Schätze der Welt“, versicherte Ed. „Ich würde schon nach dem ersten Schritt in Flammen aufgehen. Aber diese Burschen haben sich in einen Rausch versetzt, das sah man deutlich an ihren Augen.“
„Das erklärt noch lange nicht, daß das Feuer ihnen nichts anhaben konnte“, meinte Hasard.
„Nein, allerdings nicht“, gab Ed widerwillig zu. „Könntest du nicht mal den Balian danach fragen, Sir?“
Hasard tat es, aber der Balian hatte keine Erklärung dafür. Er sagte nur, daß die Männer glaubten, das Feuer werde ihnen nichts anhaben und allein ihr Wille würde das Feuer bezwingen.
Das begriff erst recht niemand.
Spät in der Nacht wurde das Fest beendet. Viele Insulaner blieben noch und tanzten.
Da nahm der Balian den Seewolf beiseite.
„Morgen“, so erklärte er, „wird Atun, der Priester, verbrannt, der durch den Dämon des Gunung Agung ums Leben kam. Es wird ein Fest, ein Totentanz. Alle mögen erscheinen.“
Hasard versprach es schließlich, worauf der Balian sich feierlich verneigte und bedankte.
Anschließend fuhr die Crew mit dem Boot an Bord zurück, aber dort wurde noch weiter diskutiert. Das Thema der Feuertänzer, das so beeindruckend war, war für die Seewölfe noch lange nicht erledigt.
8.
Die in der Vorpiek eingesperrten Piraten begannen am nächsten Morgen mit einem Höllenkonzert. Sie schrien und brüllten durcheinander und rasselten mit den Ketten.
Smoky brachte ihnen etwas zu essen und frisches Trinkwasser.
Auch der Profos erschien mit einer Lampe in der Hand. Als sie sein narbiges Gesicht sahen, begann das Brüllen erneut.
„Laßt uns endlich raus, ihr Hunde!“ brüllte der Anführer.
Carberry