Nacht über der Prärie. Liselotte Welskopf-Henrich
Читать онлайн книгу.zu zittern vor Angst, ob der Interessent noch Interesse haben würde. Daheim tat sie dann die Hausarbeit. Der alte King war hilfsbereit und friedlich. Er ging auf die Jagd und schoss wieder einen Fasan. Die Zubereitung übernahm er selbst. Darum durfte sich Queenie nicht kümmern. Dagegen überließ er ihrer Kochkunst die Rüben und die Mehlspeisen, die ihm verhasst waren. So ging drei Tage lang alles gut. Am vierten kamen die ungebetenen Gäste.
Es begann schon am Morgen, als Patrick Bighorn und Goodman, die Alten, mit einem klapprigen Wagen den Wiesenweg heraufsteuerten und sich mit King senior im Hause niederließen. Queenie machte sich draußen zu schaffen; sie sah diese Gäste nicht gern, denn sie hatten etwas in ihren Augen, was an Trunksucht erinnerte.
Um die Mittagszeit tauchten noch zwei der Männer auf, die Stonehorn als »alte Brüder« bezeichnet hatte. Sie schauten etwas verlegen und verstohlen auf die junge Frau. Queenie ging ins Haus und fragte den Vater, ob sie etwas zu essen für sie bringen könne, aber sie erhielt nur den Bescheid, dass die Gäste sich selbst alles mitgebracht hätten, was nötig sei. Einer hatte rasch versucht, die Flaschen zu verstecken, die bei den Schlafgestellen standen, aber Queenie hatte schon gesehen, dass es genug waren, um auch hartgesottene Trinker unter den Tisch zu bringen. Sie wusste, dass sie völlig machtlos war, und bemühte sich nur, diesen und jenen Gegenstand noch in Sicherheit, das hieß aus dem Haus zu schaffen, ehe die Männer schon soviel getrunken hatten, dass es gefährlich war, ihre Aufmerksamkeit in irgendeiner Weise auf sich zu lenken. Sie wusste, dass sie tat, was Indianerfrauen seit Jahrhunderten hatten tun müssen, seit die Watschitschun, diese Geister, die sich weiße Männer nannten, den Alkohol nach Amerika gebracht hatten. Aus den Worten, die Queenie auffing, wurde ihr alles klar. Der alte King hatte sich einige Tage nicht sehen lassen, aber da die anderen wussten, wieviel Geld er etwa noch bei sich haben konnte, hatten sie auf seinen Kredit die Schmugglerware eingekauft und mitgebracht.
In den ersten Nachmittagsstunden wurde es schon laut im Haus, und neue Gäste trafen ein. Wenn man sich eng gedrängt zueinander hockte, fasste die Hütte eine Menge Leute.
Gegen Abend hörte Queenie krachendes Gepolter. Stonehorn hatte sein eigenes Jagdgewehr mitgenommen, aber die Waffe von King senior war im Haus. Das Poltern wurde von einem mächtigen Gebrüll abgelöst, dann schien die Hölle los zu sein.
Queenie lauschte, sie hatte sich an den oberen Hang zurückgezogen. Die Hunde jaulten.
Die Stute spitzte die Ohren. Queenie sattelte das Tier, damit es auf alle Fälle für sie bereit war. Im Grunde war sie froh, dass Stonehorn nicht zu Hause war. Er hätte sicher versucht, diese Männer hinauszuwerfen, und das wäre gefährlich für ihn geworden. Mochte die Habe draufgehen. An einen solchen Gedanken hatte sich Queenie schon gewöhnt. Wenn nur den Pferden und den Menschen nichts geschah.
Der Lärm kam aus dem Haus heraus, die Tür war aufgestoßen worden. Queenie ritt den Hang ein Stück aufwärts.
Mit den alten Wagen konnten die Betrunkenen ihr dahin nicht folgen, und ein Pferd hatte keiner von ihnen dabei.
Drei Männer flogen aus der Tür, hinter ihnen ertönte Hohngelächter, dann gab es ein neues Krachen und Poltern, und ein kämpfender Knäuel rollte heraus auf die Wiesen. Queenie konnte einige improvisierte Waffen erkennen, wahrscheinlich waren es die Tischbeine und Bretter der Schlafgestelle. Ein Schuss krachte, ein Kolben sauste, aber das störte keinen der betrunkenen Kämpfer mehr. Sie machten einen Höllenlärm und waren in voller Wut. Einige hatten schon blutige Köpfe.
Die Sonne war im Sinken. Queenie sah die ersten Messer blitzen. Sie hatte die Hand am Zügel. Wenn nur kein Totschlag geschah … nur das nicht … nur nicht jetzt die Polizei im Hause King.
Unten auf der Autostraße hupte ein Jeep. Da waren sie schon. Vielleicht hatte der Zufall gespielt, vielleicht hatten die Nachbarn die Polizei aufmerksam gemacht. Der Jeep bog auf den Seitenweg ein, der zum Haus und zu dem Knäuel Betrunkener führte. Die Polizisten sprangen schon halben Wegs aus dem Wagen und ließen diesen unter Bewachung zurück.
Dann kamen sie, die Pistolen in der Hand … zunächst zu Queenie herauf.
»Hallo! Junge Frau! Was sind das für Männer?«
Queenie blieb im Sattel. »Ich kenne sie nicht, sie sind einfach gekommen.«
»Wo ist Stonehorn?«
»Schon seit vier Tagen unterwegs.«
»Aha.«
»Nicht, was ihr denkt. Er ist beim Kälberbrennen mit Mary Booth und Doctor Eivie.«
»Wird sich ja zeigen. Und der alte King?«
»Mitten dazwischen … sie sind einfach gekommen und haben den Brandy mitgebracht …«
Der eiserne Ofen flog aus dem Haus. Es ging ein zweiter Schuss los.
»Lass uns warten«, sagte der eine der beiden Polizisten zu seinem Kollegen. »Die machen sich selber fertig, dann nehmen wir sie alle mit.«
Einer der Männer hatte sich auf einen andern geworfen und trommelte ihm mit der Faust in den Nacken. Der Kopf sank herunter. Zwei flohen zu ihren Wagen. Aber da wurden sie von der Polizei geschnappt. Durch einige Polizeigriffe wehrlos gemacht, verschwanden ihre Körper in dem Jeep.
Das Knäuel schien sich aufzulösen. Die Kämpfenden waren erschöpft. Das hätte bei dem Tempo und der Rücksichtslosigkeit der Schlägerei auch Jüngeren geschehen können. Die Polizisten sprangen jetzt hinzu, und es gelang ihnen mit überraschender Schnelligkeit, den beiden letzten Aufsässigen Handschellen anzulegen und die Widerstrebenden ebenfalls zum Jeep zu schaffen. Nur einer war nun noch am Kampfplatz.
Queenie hatte ihn erkannt. Sie stieg ab und ging langsam zu ihm hin. Der alte King lag ausgestreckt im Grase. Sie kniete sich zu ihm nieder. Ein Polizist kam mit einem Eimer Wasser und goss es dem scheinbar Bewusstlosen über den Kopf.
Old King öffnete die Augen mit Mühe, schaute Queenie erstaunt an und schien sie endlich zu erkennen.
»Kind …«, er lallte, aber nicht mehr aus Trunkenheit. »Mit mir … ist es … aus.« Er griff nach der Brust. Queenie erkannte den Einschuss. »Grüß … noch Joe … Inya … Inya …«
Der Sterbende wandte mit einer für ihn beinahe übermenschlichen Anstrengung noch einmal den Kopf zu dem Polizisten hin, der auf der anderen Seite stand. »Und … es ist keiner schuld … keiner … die Büchse … war nicht … richtig gesichert … ein Unfall. Hört ihr … es ist keiner … schuld … wenn der alte … Chief … jetzt stirbt. Komm einmal an mein Grab … Tashina …«
Die Augen des alten Mannes brachen. Queenie drückte ihm die Lider zu.
Der Polizist, der daneben stand, machte sich ein paar Notizen. Es war der kleine, der während des Verhörs die Pistole auf Stonehorn gerichtet hatte.
»Machen Sie sich keine Gedanken, Queenie King«, sagte er jetzt mit seiner etwas hellen Stimme. »Der Alte ist tot, es ist alles protokolliert, und Ihr könnt ihn begraben. Die anderen nehmen wir mit, und von denen wollen wir mal rauskriegen, wer den Brandy auf die Reservation schmuggelt. Ich hoffe, dass Ihr Mann damit nichts zu tun hat.«
»Er trinkt diese Pferdepi … überhaupt nicht«, fuhr es Queenie in ihrer übermäßigen Erregung heraus. »Er wollte auch den Vater immer davon abhalten.«
»So, so, es ist also öfter hier getrunken worden, auch ohne die Gäste.« Der Kleine machte sich noch eine Notiz. »Auf Trinken steht Gefängnis, das wissen Sie!«
Queenie verstummte.
Zwei Tage später saß der Superintendent Peter Hawley in seinem Dienstzimmer, und vor ihm, den Stuhl nahe an den Schreibtisch gerückt, hatte der blinde Richter, Ed Crazy Eagle, Platz genommen.
Runzelmann hatte verstanden, dass er nicht gebraucht wurde, und hatte den Raum verlassen. Die Sekretärin Laura warf einen beobachtenden Blick auf ihn, als er sich ihr gegenüber im Vorzimmer auf einem der Besucherstühle niederließ. Sie schrieb weiter auf der leisen elektrischen Schreibmaschine. Die Polstertür war schalldicht.
»Ja«, sagte der Superintendent zu dem