Nacht über der Prärie. Liselotte Welskopf-Henrich

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Nacht über der Prärie - Liselotte Welskopf-Henrich


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er zu Queenie: »Du bist ein gutes Kind. Was hast du für Wasser geschleppt!« Und zu seinem Sohn: »He, Joe, hast du nicht einen Tropfen für mich?«

      »Nicht einen. Es ist alles ausgelaufen.«

      Der Vater schaute verblüfft um sich. Er begriff wohl nicht gleich, worauf diese Worte zielten, dann sah er die zerbrochene Petroleumlampe, und die Erinnerung kam ihm. »Ach, alles ausgelaufen.«

      Queenie wusch sich gründlich hinter dem Haus und zog sich sorgfältig an. Stonehorn betrachtete ihr Verhalten prüfend, sagte aber nichts, sondern reinigte nur sein Haar vom Blut, sattelte seinen Hengst und ritt weg. Als er verschwunden war, sattelte auch die junge Frau ihr Pferd. Der Vater fragte sie nicht nach ihrem Vorhaben. Er setzte sich auf eine kleine Bank an seinem Haus und schaute in den Morgen, hangaufwärts, wo er die Straße nicht zu sehen brauchte und auch nicht die große Ranch der Familie Booth.

      Queenie ritt nicht in Richtung der Agentursiedlung wie ihr Mann, sondern wandte sich zur anderen Talseite, wo das Haus der Booths stand. Wenn die vergangene Nacht das Schauerlichste war, was in ihrem jungen und gutgläubigen Leben je über sie hatte kommen können, so erschien ihr das, was sie nun plante, als das Schwerste, was sie sich je selbst vorgenommen hatte.

      Sie erreichte die Nachbarranch. Rings um das Haus der Booths war Morast, von Vieh zertrampelt, aber Queenie mit ihrem Pferd kam leicht durch.

      Vor dem Haus stand die eine noch unverheiratete Tochter der Booths, ein grobes, tüchtiges Ranchermädchen, nicht mehr eben jung, schon über Mitte Zwanzig, mit Zügen, die die Anstrengung unentwegter Arbeit verrieten. Sie war ihrem Bruder Harold in keiner Weise ähnlich, und darum war Queenie in diesem Augenblick sehr froh.

      »Hallo!«

      »Hallo!«

      Mary wischte sich die Hände an der Schürze ab und wartete, bis Queenie abgesprungen war und das Pferd an dem nahen Zaun angebunden hatte.

      Als sie merkte, dass Queenie verlegen war, begann sie das Gespräch von sich aus. »Wir sind jetzt Nachbarn …«

      »Ja.«

      »Nett, dass du kommst und uns begrüßt. Dein Mann hätte ruhig auch kommen können.«

      Queenie wurde es heiß von den Schläfen bis zu den Zehenspitzen. »Er musste schon früh weg.«

      »Ja, wir haben ihn wegreiten sehen.«

      So, dachte Queenie, von hier aus werden wir also immer beobachtet.

      »Schade«, sprach Mary weiter, »aber Vater und Mutter sind heute nicht hier. – Komm zu mir herein.«

      Queenie folgte der Einladung. Das Haus war größer und neuer als das der Kings. Es hatte eine Küche, zwei Zimmer und eine Diele. Queenie nahm mit Mary in der Diele Platz.

      »Habt ihr schon etwas von Harold gehört?« erkundigte sich Queenie.

      »Nein, gar nichts.«

      »Wo kann er denn nur sein! Nach dem, was die Kassiererin vom Supermarkt gesagt hat, ist er ja wohl zuletzt in Richtung New City gefahren. Da wurde ja auch am Straßenrand das Kettchen gefunden, das er immer trug und das er dann wohl weggeworfen hat.«

      »Dein Kettchen, ja.« Mary verzog den Mund etwas. »Weiß der Himmel, wie das weitergegangen ist, aber jetzt im Sommer, wo soviel zu tun ist, fehlt er uns sehr, obwohl er ein ausgesprochener Faulpelz ist und die Arbeit immer auf mich abgeschoben hat. Aber etwas war doch immer noch an ihm hängengeblieben, und das soll ich jetzt auch noch alles machen.«

      »Nehmt euch jemanden zur Hilfe. Ihr habt das Geld.«

      »Die Leute taugen alle nichts, sagt mein Vater. Am liebsten würde er die Arbeit überhaupt allein machen, hundert Stück Vieh, die Pferde und die Schweine selbst versorgen und dazu noch ackern. Wir haben nur den kleinen Jungen da, den Sohn von meiner Schwester. Aber Land dazupachten und immer wieder Land dazupachten, davor scheut sich der Vater gar nicht, als ob es damit getan wäre.«

      Queenie war froh, dass ohne ihr Zutun das Thema angeschnitten wurde, das ihr am Herzen lag.

      »Das unsre von da oben habt ihr nun auch dazugenommen.«

      »Weißt du es schon, ja? Das war die größte Dummheit, die mein Vater machen konnte. Unser anderes Land hängt zusammen. Aber das eure liegt abseits, da drüben. Soll ich dort vielleicht auch noch auf das Vieh aufpassen?«

      »Uns werden die paar Acres sehr fehlen.«

      »Warum? Joe züchtet doch kein Vieh, der treibt sich herum, und du gehst auf die Kunstschule. Ihr könnt das Land noch weniger brauchen als wir.«

      Hier diesem Ranchermädchen gegenüber fiel es Queenie schwerer, ihren Mann in Schutz zu nehmen, als vor dem Richter, denn sie rechnete noch weniger damit, dass man ihr glaubte. »Joe interessiert sich für Pferde.«

      »Kind, das kostet viel Geld. Er will immer obenhinaus … alles oder nichts. Aber er rennt sich den Kopf noch einmal ganz und gar ein.«

      »Ja, Geld … ich verdiene schon etwas. Er ist ein guter Reiter.«

      »Von Pferden versteht er etwas, das ist wahr. Obwohl er ein Sitzenbleiber gewesen ist! Auch ein Rindvieh hat Respekt, wenn es ihn sieht, weil es immer denkt: Der Bursche da, der wird mich an den Hörnern packen.«

      Queenie musste lächeln. Sie wunderte sich, dass die als schweigsam bekannte Mary soviel plauderte. Vielleicht war ein Zweck dahinter verborgen.

      »Stonehorn hätte uns ja hier oft helfen können«, redete Mary weiter, »aber es hat ihm nie zugesagt, unter Harold den Cowboy zu spielen. Und jetzt ist der Vater ganz besessen und meint, dass es dein Mann gewesen sei, der Harold umgebracht hat.«

      »Das hat er nicht getan.«

      »Ich glaube es auch nicht. Weiß der Teufel, wo sich Harold, der Nichtsnutz, herumtreibt. Er soll uns nur nicht am Ende eine ins Haus bringen, die keine Arbeit anrührt.«

      Queenie nahm sich ein Herz. »Wenn Joe nur selbst züchten könnte. Ich glaube, für Pferde besitzt er eine glückliche Hand. Wenn wir unser Land wiederhätten!«

      »Was an mir liegt, tue ich dafür, dass die Pacht wieder aufgelöst wird. Aber dann muss Joe mir hier helfen, solange Harold nicht da ist.«

      »Mary, das ist doch wohl ganz unmöglich.«

      »Vor dem Herrn ist nichts unmöglich, pflegt der Priester zu sagen. Ich werde mit dem Vater sprechen. Überlass das mir.«

      »Du wirst wohl langsam der wahre Herr im Haus?«

      »Der Vater hat Rheuma, der Bruder verschwindet, und ich tue die Arbeit. Ihr bekommt euer Land zurück, wenn Joe bereit ist, bei uns mitzuhelfen. Aus Freundschaft, versteht sich. Geld gibt der Vater nicht. Ich habe gesprochen.«

      »Ich will ihm das sagen.«

      »Sag Joe, dass wir noch Kälber brennen müssen und ihn mit dem Lasso brauchen, und zwar bald.«

      »Ja.«

      Queenie stand auf, Mary begleitete sie bis zu ihrem Pferd.

      Als Stonehorn gegen Abend zurückkam, fand er sein Zuhause schon wesentlich frischer und sauberer als am Tage zuvor. Queenie hatte auch Beeren gesammelt und neben der Suppe aus Fasanengerippe eine einfache Speise aus Mehl und Schmalz zubereitet. Der Vater war nicht zu Hause. Er war schon weggegangen, ehe Queenie von ihrem Besuch auf der Ranch zurückkehrte.

      »Er hockt bei seinen alten Brüdern und versäuft die Pacht. Ich habe ihn gesehen. – Rege dich übrigens nicht auf, wenn es heute nacht wieder lustig zugehen wird. Er kommt besoffen nach Hause, das ist sicher, aber ich lasse ihn nicht herein. Mag er seinen Rausch diesmal auf der Wiese ausschlafen.«

      Queenie zuckte zusammen.

      »Übrigens war ich beim Stammesrat, bei Dave, der für die Ökonomie verantwortlich ist – soweit ein Indianer verantwortlich sein kann. Haverman steht über ihm. Dave hat mir gesagt, es komme überhaupt nicht in Frage, Land von Booth an die Kings zurückzugeben, von denen der Alte ein Trinker


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