Nacht über der Prärie. Liselotte Welskopf-Henrich

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Nacht über der Prärie - Liselotte Welskopf-Henrich


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herbei.

      Queenie wandte sich um, denn Stonehorn kam mit seinem Vater zusammen, um sie zu holen. Sie empfand in diesem Augenblick wieder den Stich, dass sie zu Menschen gehen musste, die ihr noch fremd waren.

      Der eigene Vater hatte sie zwar ruhig angehört und sein Einverständnis zur formellen Eheschließung gegeben, hatte ihr dann aber ebenso ruhig die Tür gewiesen. Sie sah noch den traurigen Blick, mit dem Mutter und Großmutter sich wortlos von ihr verabschiedeten, und die fassungslosen Gesichtchen der drei kleinen Geschwister, die auf ein Machtwort des Vaters hin der älteren Schwester nicht einmal ein Stück weit das Geleit geben durften. Aber dieser Mann hier, der ihr bis dahin noch ganz unbekannt geblieben war, lud sie sofort ein, als Tochter zu ihm zu kommen. Er war groß, nur zwei Fingerbreit kleiner als sein Sohn, und schien ungewöhnlich stark. Sein Gesicht war zerfurcht, unter die schwarzen Haare mischten sich graue. Er trug noch zwei Zöpfe nach alter Indianersitte. Obgleich seine Kleidung alt, ausgewaschen, geflickt und wieder zerrissen war, fühlte Queenie weder Verachtung noch Abneigung gegen Old King, sondern eine natürliche Sympathie für ihn, und sie wunderte sich, dass Stonehorn geglaubt hatte, sie könne ein Leben bei seinem Vater nicht ertragen.

      Das Haus, in das Queenie eingeführt wurde, war ein kleines, einfaches, rechteckiges Blockhaus, das einen einzigen Raum umschloss. Es hatte die übliche Bauart der älteren Reservationshäuser. Mit einem Blick überschaute Queenie das Innere. Linker Hand vom Eingang befanden sich übereck zwei Schlafgelegenheiten, mit Wolldecken versehene Holzgestelle, die breit genug waren, um zwei oder notfalls auch mehr Schläfern Raum zu bieten. Ein Tisch stand dazwischen. An der Wand am Haken hingen Kleider, in der Mitte des Raumes war der kleine eiserne Ofen aufgestellt, dessen Rohr durch das Dach ging und der auch als Herd diente. Auf einem Wandbrett stand eine Petroleumlampe, in einer Ecke ein ausgedienter Eisschrank. Eine alte Decke lag über Gegenständen, deren Natur nicht ohne weiteres zu erkennen war. Zuletzt entdeckten Queenies forschende Augen noch zwei Jagdgewehre.

      Als Empfangs- und Festbraten gab es einen Fasan, den der Alte geschossen und vorzüglich zubereitet hatte. Er war stolz und freute sich, dass die Schwiegertochter es sich schmecken ließ und seine Kochkunst anerkannte.

      »Du bist, wie eine Frau sein soll«, sagte er nach dem Essen. »Ich habe schon einiges gehört. Es ist richtig, wie ihr das gemacht habt. Nie und nimmer können sie ihm«– er nickt zu seinem Sohn hinüber –»nachweisen, dass er Harold umgebracht hat. Ihr müsst euch nur nie einschüchtern lassen und immer zu euren eigenen Worten stehen.«

      Queenie schaute auf ihren Mann.

      »Ich habe Harold nicht getötet.«

      Der Alte lachte vergnügt. »Gut, gut, mein Sohn!«

      Queenie nahm sich zusammen. Sie räumte den Tisch ab, verwahrte das Fasanengerippe, das sie am nächsten Tag noch einmal auskochen konnte, und begann die Stube auszukehren. Der Reisigbesen war neu.

      »Den habe ich dir gemacht, weil ich gehört habe, wie fein ihr auf der Schule lebt«, meinte der Schwiegervater. »Du willst es hier sauber haben, das kann ich mir denken. Es wird aber ein paar Tage oder Wochen dauern, bis du über den Schmutz Herr wirst, den zwei Männer immer wieder hereintragen. Wasser ist übrigens ganz in der Nähe.«

      Queenie ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie ging hinaus, Stonehorn kam mit ihr, und die beiden suchten die Eimer und Gefäße zusammen, die noch heil genug waren, um Wasser darin zu holen.

      »Der nächste Brunnen ist drüben bei Booth«, erklärte Stonehorn, »aber dorthin gehen wir nicht.«

      Er lief quer über den Hang voran, und Queenie folgte ihm. Er war rücksichtsvoll genug, nicht so rasch zu gehen, wie er es mit seinen langen Beinen wohl gern getan hätte.

      Der Nachmittagswind kühlte sich schon zu einer Abendbrise ab. Das Gras nickte und neigte sich. Auf dem vernachlässigten Friedhof, nicht weit von Stonehorns Haus, beugten sich die langen, schon vergilbenden Gräser um schief stehende Holzkreuze. Nur ein kräftiger, oben gebogener Stab, der mit Federn behangen war, stand aufrecht, gerade. Das war indianischer Grabschmuck für einen Häuptling. Der Stab hatte die Bedeutung eines Zepters oder einer Flagge. Wo er stand, da war Indianerland. Und wenn es auch nur ein Grab war. Tashina wollte später einmal fragen oder hingehen und sehen, wer hier sein letztes Tipi, seine letzte Heimat, gefunden hatte. Rötlicher Schimmer glänzte über den weißen Felsen. Der Sonnenball senkte sich am westlichen Horizont. Auf der Seite des Tales, auf der Stonehorn und Tashina gingen, wuchsen die Schatten. Der Mann drängte mit etwas beschleunigtem Tempo voran. Wahrscheinlich war der Brunnen noch weit. Aber Queenie machte das nichts aus. Sie freute sich, mit ihrem Mann allein unterwegs zu sein, und sie sog die Luft ein, in der der Duft der weißen Rose, der Duft von Harz und fernen Wäldern lag. Stonehorn führte sie allmählich schräg abwärts, und nach einer Stunde kamen die beiden zu dem Brunnen, an dem sie nicht allein waren. Andere weit entfernt wohnende Familien hatten sich ebenfalls eingefunden. Sicher war hier auch eine Art von Nachrichtenzentrale, aber Stonehorn war nicht geneigt, sich in Gespräche verwickeln zu lassen, und Queenie wurde mit scheuer Höflichkeit behandelt.

      Als die beiden sich mit den schweren Eimern und Gefäßen auf den Rückweg machten, bemerkte Stonehorn: »Wir müssen ein Auto haben oder große Wassersäcke, die wir den Pferden anhängen. So kannst du nicht dauernd schleppen gehen.«

      »Habt ihr das bisher immer getan?«

      »Ja, aber wir haben nicht soviel Wasser gebraucht wie jetzt, wo du da bist, und meistens bin ich auch nicht zu Hause gewesen.«

      Der Rückweg mit der Last war mühsam, und die beiden brauchten bedeutend längere Zeit als für den Hinweg. An Rast dachten sie aber nicht.

      Beim Haus kläfften wieder die hungrigen Hunde und wurden durch einen Steinwurf verscheucht. Der Nachthimmel war klar, die Sterne leuchteten über der dunklen Prärie und den weißen Felsen. Die Straße im Tal lag leer, wie ausgestorben.

      Der Vater war noch wach und hatte die Petroleumlampe zum Brennen gebracht. Sein Ausdruck hatte sich verändert, doch hätte Queenie, die ihn noch sowenig kannte, nicht sagen können, wie. Er hatte sich in Kleidern und Schuhen auf das eine Gestell gelegt, das wohl des Nachts sein Bett war.

      »Wie habt ihr euch das nun weiter gedacht?« fragte er seinen Sohn.

      »Queenie hat sich die Stute gekauft. Ich will mit einer Pferdezucht anfangen. Queenie wird noch ein paar Hühner beschaffen und vielleicht zwei oder drei Schafe. Jetzt, wo Queenie da ist, können wir auch etwas Gemüse anpflanzen und vielleicht ein paar Kartoffeln. Sie versteht das, sie hat es zu Hause gelernt. Was sie mit ihrer Malerei noch weiterhin verdienen wird, stecken wir alles in die Pferde. Die Preise für Rodeo-Pferde steigen. Wir halten auch eine Kuh oder ein paar Kühe, sobald wir das Geld haben, Boden dazuzupachten.«

      Der Alte lächelte ganz sonderbar. »Mit Malen verdient sie Geld?«

      »Ich habe dir das schon gesagt.«

      »Dann soll sie doch lieber die Schule fertigmachen und viele Bilder malen, statt dass ihr hier mit Schafen anfangt! Schafe! Wann hat man hier je etwas von Schafen gehört! Bist du dumm geworden?!«

      »Darüber brauchen wir uns jetzt nicht zu streiten. Queenie soll natürlich die Schule fertigmachen. Solange kümmere ich mich hier um die Pferde. Alles andere kommt im nächsten Sommer, wenn Queenie fertig ist.«

      Stonehorn hatte sich auf dem zweiten Schlafgestell ausgestreckt, ebenfalls in Kleidern und Schuhen. Die Tür stand offen. Queenie lehnte sich an den Türpfosten und atmete die frische Luft. Nachts, wenn die Tür geschlossen wurde, war es in solchen Häusern stickig, und Queenie ekelte sich vor dem Geruch lange nicht gereinigter Wolldecken. Sie wollte den sanften, frischen Duft genießen, solange es möglich war, und ihn auch in die Hütte hereinlassen. So hatte es daheim die Mutter immer gehalten. Einen Augenblick dachte Queenie an die kleinen Geschwister, die jetzt in einem Nest von Decken mit der Großmutter zusammen schon schliefen. Ob sie noch einmal von Queenie, der großen Schwester, träumen würden, wenn sie auch nie mehr von ihr sprechen durften?

      Queenies Gedanken kehrten in ihre nächste Umgebung zurück. Sie hörte, wie der alte King kaute, als ob er Kautabak im Munde habe.

      »Was


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