Der Tanz des Mörders. Miriam Rademacher

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Der Tanz des Mörders - Miriam Rademacher


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war.«

      »Norma! Sie liegt da drinnen mit einem Bratenthermometer im Ohr und du rätselst hier seelenruhig herum, ob sie vergewaltigt wurde?«

      »Wer hat ein Bratenthermometer im Ohr?«

      »Mrs Summers natürlich!«

      Norma starrte ihn einen Augenblick lang mit weit aufgerissenen Augen an. Dann stieß sie ihn zur Seite und rannte, die Einkaufstaschen einfach auf den Boden fallen lassend, durch die Wohnzimmertür.

      Die Kartoffeln hatten noch nicht aufgehört zu rollen, als ihr Schrei durch das Cottage hallte.

      Colin, der seinen Mageninhalt inzwischen wieder unter Kontrolle hatte, folgte ihr und schloss die schluchzende Norma in seine Arme, ohne auch nur einen weiteren Blick auf die tote Mrs Summers zu werfen.

      »Oh Colin, wie fürchterlich! Wer kann nur so etwas Grausames getan haben?«, wimmerte sie, und Colin fühlte, wie ihre Tränen sein Hemd auf Bauchnabelhöhe durchweichten. Colin überlegte, ob es vielleicht eine Heulsuse, ein Spinner oder ein Trampeltier gewesen sein könnte, behielt diesen Gedanken aber vorerst für sich.

      »Wir müssen die Polizei rufen«, schniefte Norma und machte sich von ihm los. »Hoffentlich sind die mit der anderen Leiche überhaupt schon fertig.«

      »Andere Leiche? Welche andere Leiche?«

      Colin fühlte sich völlig überrumpelt und überlegte, ob er sich überhaupt noch in der Wirklichkeit befand. Vielleicht war er heute Morgen einfach durch eine falsche Tür gegangen und in ein Paralleluniversum gestürzt. Der Gedanke, so albern er auch war, hatte etwas Tröstliches.

      Norma hatte den Raum verlassen und Colin konnte hören, wie sie mit jemandem telefonierte. Er stand noch immer wie angewurzelt im Wohnzimmer und versuchte, ihrem letzten Satz einen Sinn zu geben.

      Einer der Hunde sprang an seinem Hosenbein hoch, hechelte freundlich und brachte ihn damit zurück in die Wirklichkeit.

      »Ich muss die Hunde hier herausschaffen«, murmelte er. Die Spurensicherung würde kommen, Männer gekleidet in Plastiksäcken, bewaffnet mit schweren Koffern. Sie würden ihn giftig anstarren, wenn sie hörten, dass nicht nur er, sondern auch eine Hundemeute über ihren Tatort getrampelt war.

      Er schnappte sich den noch immer freundlich hechelnden Hund am Halsband und zog ihn hinter sich her in den Flur. Die zwei weiteren kamen neugierig näher und wollten mitspielen. Colin hörte Norma in einem anderen Zimmer mit Gläsern klirren. Kurz darauf war sie neben ihm, beugte sich zu ihm herunter, da er noch immer mit dem Streicheln von Hundeschnauzen beschäftigt war, und hielt ihm einen Cognacschwenker unter die Nase. Sie hatte sich und ihm reichlich eingeschenkt.

      »Sehr aufmerksam. Obwohl mich diese kleinen Racker hier schon wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben. Ist es nicht seltsam, dass sie so fröhlich sind? Ihre Herrin ist tot. Müssten sie das nicht irgendwie spüren?«

      »Im letzten Jahr habe ich einen alten Mann bei der Pflege seiner kranken Frau unterstützt. Er meinte zu mir, die Tatsache, dass ihr Lieblingshund kein Interesse mehr an ihr zeige, würde bedeuten, dass sie bald sterben würde. Und so war es auch. Nicht jeder Hund ist wie Lassie oder Struppi. Die meisten verlieren das Interesse an dem Sterbenden.«

      Colin nahm einen Schluck Cognac und kraulte mit der freien Hand unablässig weiter. Es tat ihm gut. Es beruhigte seine Nerven und klärte seine Gedanken so weit, dass er die schon gestellte Frage wiederholen konnte.

      »Welche andere Leiche?« Er hörte Norma über sich an ihrem Glas nippen.

      »Sie haben in einem der Wäldchen vor dem Ortseingang eine Frauenleiche gefunden. Ein junges Mädchen. Zwei Spaziergänger haben sie entdeckt. Sie sind in Panik bis zum nächsten Cottage gelaufen und haben den Eigentümer gebeten, die Polizei zu rufen. Das hat er auch getan, gleich nachdem er all seine Freunde und Bekannten verständigt hatte. Das ganze Dorf weiß inzwischen von dem Mädchen. Jemand soll ihr den Schädel zertrümmert haben. Die Spaziergänger meinten, er habe ausgesehen, wie ein aufgeklopftes Frühstücksei.«

      »Nette Beschreibung. Wie plastisch«, erwiderte Colin und schwankte dabei zwischen Ekel und Heiterkeit.

      In der Ferne hörten sie eine Sirene. Augenblicke später zuckte ein unruhiges blaues Licht durch die Scheiben der Haustür.

      »Nicht zu fassen! Wozu brauchen sie Blaulicht und Sirene, wenn sie doch schon tot ist?«, entfuhr es Norma.

      Colin richtete sich auf und wischte sich die Hände an der Hose ab. Sie rochen trotzdem nach Hund.

      »Vermutlich haben sie nicht allzu oft Gelegenheit, mal so richtig aufzudrehen. Da kommen noch mehr Wagen. Scheint, als würde es hier gleich voll werden.«

      Colin behielt recht. In Mrs Summers’ Cottage herrschte nur Augenblicke später eine Verkehrsdichte wie in London am Freitagnachmittag. Auch seine anderen Visionen trafen ein. Männer in Plastikanzügen schoben ihre gewaltigen Koffer durch enge Türrahmen und zwangen ihn, Norma und die Hunde zum Rückzug in die Küche. Fast beiläufig lehnte sich Norma an die Arbeitsplatte und zog eine Schublade nach der anderen auf. Dann sagte sie plötzlich: »Interessant.«

      »Interessant? Was denn?«

      »In dieser Schublade liegt ein Bratenthermometer. Mrs Summers hat also nicht ihr eigenes im Ohr. Das ist doch interessant, oder nicht?« Sie schob die Laden wieder zu. »Ich werde eine Kanne Kaffee kochen. Setz dich ruhig, du bist immer noch etwas blass um die Nase.«

      Colin hatte kaum in der rustikalen Eichensitzecke Platz genommen, als die Tür sich wieder öffnete und ein junger Anzugträger mit Bürstenschnitt einzutreten versuchte, beim Anblick der drei Hunde aber im Türrahmen erstarrte.

      »Hallo Mike! Käffchen?«, begrüßte ihn Norma und begann bereits mit dem Portionieren des Kaffeepulvers.

      »Ich bin jetzt nicht Mike. Ich bin Detective Sergeant Dieber.«

      »Und du hast deinen ersten eigenen Mordfall, weil alle alten Hasen sich bei dem toten Mädchen im Wald herumtreiben, richtig? Wie fühlt sich das an?« Norma sah ehrlich interessiert aus, doch Dieber machte einen eher unglücklichen Eindruck angesichts ihres mangelnden Respekts vor seiner Person.

      »Ich möchte sämtliche Anwesende bitten, sich zur Vernehmung bereitzuhalten. Ich werde mir am Tatort zunächst einen Überblick verschaffen.«

      »Mach nur, mach nur«, erwiderte Norma, schon wieder ganz die Alte. »Mit Zucker und Milch?« Anstelle einer Antwort zog Dieber rasch die Tür von außen zu, als zwei der Cocker auf Tuchfühlung mit ihm gehen wollten. Colin grinste, Norma sah dem Ermittler überrascht nach. »Eigenartig. Ich wusste gar nicht, dass Mike Angst vor Hunden hat.«

      »Hat er auch nicht. Er hatte nur Angst um seine Hosen.«

      »Wie kommst du denn darauf?«

      »Er hat seine Sichelbeine bis zum Anschlag durchgedrückt, das Gewicht auf die Hacken verlagert und den Oberkörper leicht vorgebeugt. Er wollte verhindern, dass einer der Hunde ihn anspringt oder sich an ihm reibt. Das ist alles.«

      »Wirklich? Das hast du gesehen? Erstaunlich.«

      »Eigentlich nicht. Bekomme ich auch einen Kaffee?«

      Draußen nahmen die Ermittlungsarbeiten Fahrt auf. Schritte hallten, Stimmen schwirrten, und irgendjemand vor dem Haus erbarmte sich und stellte endlich das Blaulicht ab.

      Norma stellte eine dampfende Tasse vor Colin ab.

      »Vorsicht. Heiß.«

      »Ich bin lernfähig. Milch?«

      Sie reichte ihm eine Literflasche. »Kann man das lernen?«

      »Was meinst du?«

      »Solche Dinge zu sehen?«

      »Vermutlich. Zucker?«

      Mit einer Spur von Ungeduld in der Bewegung schob sie ihm eine Porzellandose


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