Max und Moritz - Was wirklich geschah. Johannes Wilkes

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Max und Moritz - Was wirklich geschah - Johannes Wilkes


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Wimpern fehlten, dazu war es auffallend gerötet. Sie kannten den Grobian bereits, kein Zweifel. Es war einer der Skatbrüder vom gestrigen Abend. Ohne auf eine Antwort zu warten, lief er mit dem jaulenden und zappelnden Hund am ausgestreckten Arm zur Friedhofsmauer, warf ihn mit Schwung hinüber und verschwand.

      Elftes Kapitel

      Dieser Idiot von Dorfschullehrer! Klar, dass er nervös wurde, hing er doch tief in der dreckigen Sache mit drinnen. Diese Bande, diese Verbrecher! Ich aber werde es ihnen zeigen, darauf können Sie sich verlassen. Warum ich dem ollen Lämpel nicht in die Hand gebissen habe? Nun, noch muss ich den harmlosen und etwas dämlichen Spitz spielen. Zum Glück aber hab ich von jetzt ab zwei Verbündete, Mütze und seinen Freund. Nur ich scheine zu wissen, was die beiden Fremden in Finsterfelde suchen, ein unschätzbarer Vorteil. Die beiden hab ich nur der guten Dörte zu verdanken, meiner Schwippcousine. Sie hat meine Botschaft verstanden. Ich könnte ihr das Gesicht abschlecken vor Dankbarkeit!

      Zwölftes Kapitel

      »In Edinburgh gab es mal einen Hund, Bobby hat er geheißen, glaube ich. Der hat 14 Jahre lang das Grab seines verstorbenen Herrchens bewacht. Als er dann selbst starb, hat man ihn heimlich auf dem Friedhof bestattet, direkt neben dem Grab, an dem er immer gesessen hatte. Ist das nicht eine schöne Geschichte?«, seufzte Karl-Dieter. »Welche Liebe, welche Treue!«

      »Schöne Geschichte? Nichts weiter als ein tierischer Reflex. Kein Zeichen von Liebe, kein Zeichen von Treue, sondern lediglich ein Zeichen von Dummheit.«

      »Aber Mütze, wie kannst du so reden! Nicht vom Grab eines geliebten Menschen zu weichen, ist das nicht ein wunderbarer Beweis ewiger Verbundenheit?«

      »Ewige Verbundenheit? Blödsinn! Was würdest du dazu sagen, wenn ich nach dem Tod 14 Jahre nichts Besseres zu tun hätte, als an deinem Grab zu hocken?«

      Im selben Moment merkte Mütze, dass er einen Fehler gemacht hatte. Karl-Dieters Gesicht verschattete sich, schmerzhaft verzog sich sein Mund.

      »Mensch, Knuffi! Jetzt sei doch nicht gleich wieder beleidigt, ich meine, das würde ich doch auch von dir nicht verlangen, stell dir mal vor, du würdest 14 Jahre bei Wind und Wetter an meinem Grab sitzen.«

      »Schon. Du hättest es aber etwas freundlicher ausdrücken können.«

      »Na schön«, seufzte Mütze, »entschuldige! Ich wollte nur sagen, die Aktion von dem Spitz bringt uns keinen Millimeter weiter. Auf dem Grab herumzuscharren! Nichts als die verständliche Trauerreaktion einer alleingelassenen Kreatur.«

      Die beiden Freunde saßen auf einer Bank im Schatten der kleinen Friedhofskapelle. Die Sonne stand schon hoch am Firmament. Mütze spürte, wie er Durst bekam. Gerade wollte er aufstehen, um sich an dem Wasserhahn zu bedienen, mit dem die Gießkannen befüllt wurden, da sah er jemanden am Friedhof entlangeilen. Es war die Witwe, sie lief zur Pension zurück. Der Spitz lief mit eingekniffenem Schwanz neben ihr her und sah sehr unglücklich aus. Wahrscheinlich hatte er wieder was hinter die Löffel bekommen. Mütze sah den beiden nach und pfiff leise durch die Zähne.

      »Was ist?«, fragte Karl-Dieter.

      »Das ist in der Tat nicht ganz unverdächtig«, sagte Mütze, ohne die Witwe aus den Augen zu lassen.

      »Was denn?«

      »Schau doch mal, was sie in der Hand hält.«

      »Was hält sie denn in der Hand? Ich sehe nichts.«

      »Ganz genau. Sie hält nichts in der Hand.«

      »Was ist daran verdächtig, wenn jemand nichts in der Hand hält?«

      »Was hat sie denn in der Hand gehalten, als sie zum Schneider ging?«

      »Ebenfalls nichts.«

      »So ist es. Wenn du zum Schneider gehst, ohne ihm etwas zu bringen, was willst du dann wohl bei ihm?«

      »Ah so!« Karl-Dieter begriff. Um sich zu rechtfertigen, aber sagte er: »Vielleicht hat sie ja nur den Abholschein vergessen.«

      Dreizehntes Kapitel

      Glauben Sie an Seelenwanderung? Also ich nicht. Jedenfalls nicht bis zu dem Moment, als mir die Sache am eigenen Leibe passiert ist. Es ist ein komisches Gefühl, plötzlich in einem anderen Körper zu stecken. Auch als Spitz ist das Leben nicht sehr kommod, das können Sie mir glauben, aber plötzlich eine Krähe zu sein, das ist noch eine Schippe verrückter. Man ist ja auf so was nicht vorbereitet, nicht in unserem Kulturkreis. Seelenwanderung, das ist doch was für Hindus oder Buddhisten, nichts aber für einen Christenmenschen! Ein Hindu oder Buddhist lernt schon im Tempel oder in der Schule, was ihn nach dem Tod erwartet. So kennt er sich aus und ist durch nichts zu überraschen. Er schüttelt sich einmal kurz, beschaut sich im Spiegel und findet sich sogleich in seinem neuen Leben zurecht. Aber versetzen Sie sich mal in meine Lage, als mir die Sache passiert ist! Als christlich sozialisierter Mensch hatte ich doch keine Ahnung, was das Leben, besser der Tod für Überraschungen für uns auf Lager hat. Gut, wenn ich vor einer Himmelstür gestanden hätte mit einem bärtigen Mann als Türsteher, das wäre was anderes, dann hätte ich gewusst, das ist Petrus und dahinter liegt das Paradies. Und nun das! Aber selbst, wenn ich buddhistisch angehaucht wäre, hätte ich doch niemals damit gerechnet, zu einem Tier zu mutieren. Ich versteh nicht viel von Buddhismus, aber lehren die Buddhisten nicht, dass man sich von Leben zu Leben veredelt? Das man stets aufsteigt auf der Wiedergeburtstreppe? Vom Tellerwäscher zum Millionär sozusagen? Pustekuchen! Es geht auch abwärts und zwar ziemlich tief.

      Ich muss ziemlich dämlich ausgesehen haben, als ich plötzlich als Krähe auf dem Dach der Kirche gesessen habe. Vor Schreck hätte ich beinah den Halt verloren. Lachen Sie nicht! Ich möchte Sie mal sehen, wenn Sie sich plötzlich als gefiedertes Wesen auf einem hohen Dachfirst wiederfinden. So saß ich also dort, umgeben von anderen Krähen, krallte mich ängstlich an den Draht des Blitzableiters und starrte über das nächtliche Finsterfelde.

      Natürlich hätte ich die anderen Krähen fragen können, was mir passiert ist, ich hab’s auch versucht, bis auf ein dümmliches Krächzen aber habe ich keinen Ton hervorgebracht. Ich hab’s gleich begriffen, unter den anderen war kein einziger Mensch, also kein Ex-Mensch, Sie wissen schon, was ich meine. Vielleicht waren ein paar ehemalige Finken oder Meisen darunter, sicher aber viele Spatzen, so groß schien mir ihr Verstand zu sein. Von meinen lieben Mitkrähen jedenfalls konnte ich keine Hilfe erwarten, das war mir sonnenklar.

      Mühsam versuchte ich, meine Gedanken zu sortieren. Das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, ist der Moment gewesen, wie mir jemand etwas über den Schädel gezogen hat. Es ist unten am Bach gewesen, an der Dosse, beim Haus der Schneiders. Warum ich dorthin bin? Ganz einfach, ich hatte Verdacht geschöpft, einen ziemlich unangenehmen Verdacht. Bolte, hab ich zu mir gesagt, sei wachsam! Und so hab ich das Bier, das mir meine Frau zum Fernsehen hingestellt hat, nicht angerührt, deshalb bin ich wach geblieben und konnte meiner ach so treusorgenden Gattin hinterherschleichen. Hätte ich das mal lieber sein lassen. Dann wäre ich jetzt noch lebendig, also als Homo sapiens, Sie verstehen. Und hätte nicht den Schock meines Lebens erlitten. Durch die Scheibe beobachten zu müssen, was im Haus des Schneiders abging … Junge, Junge, ich sag Ihnen, das ist vielleicht ein Albtraum gewesen.

      Vierzehntes Kapitel

      Nachdem sie den ärgsten Durst mit dem Wasser aus dem Wasserhahn gestillt hatten, spürte Karl-Dieter, wie sein Magen knurrte. Hoffentlich hatte das Wirtshaus auch mittags geöffnet. Wo sonst würden sie in diesem Kaff etwas zu essen bekommen? Auch Mütze war für eine warme Mahlzeit, so beschlossen sie, nicht zur Pension zurückzugehen, sondern Richtung Dorf. Als sie den Friedhof verließen, fiel ihr Blick auf die Ankündigungstafel der Gemeinde.

      »Mensch, Mütze, kneif mich mal!«

      »Ein neuer Zettel!«

      »Mit unserer Wirtin drauf!«

      »Ich werd nich mehr!«

      Mancher gibt sich viele Müh

      Mit dem lieben Federvieh:


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