Trollingermord. Hendrik Scheunert
Читать онлайн книгу.entgegnete Frank. Ihm stieg längst der Duft von gegrilltem Fleisch in die Nase, was sein Bauch mit einem zufriedenen Knurren quittierte.
»Bei dem Einbruch wurde nichts gestohlen. Wahrscheinlich nur ein dummer Jungenstreich. Ihre Kollegen wissen darüber aber Bescheid«, beeilte sich Andre Kalter zu sagen. Etwas zu schnell für Franks Geschmack.
In diesem Moment kam ihr Essen, was sich schon durch den heranwehenden Duft angekündigt hatte.
»Haben Sie sonst noch Fragen?«
»Wo waren Sie heute Morgen zwischen 5 Uhr und 7 Uhr?«, fragte Richard, dessen Essen ebenfalls gerade serviert wurde.
»Zu Hause im Bett. Neben meiner Frau. Ich bin gegen 6.30 Uhr aufgestanden, dann zum Bäcker gelaufen, um Brötchen zu holen.«
»Danke für die Auskunft«, sagte Richard.
Andre Kalter stand auf und stellte den Stuhl wieder an seinen Platz, dann wünschte er den beiden Kommissaren einen guten Appetit.
»Glaubst du ihm alles, was er erzählt hat?« Frank schob sich ein großes Stück des Zwiebelrostbratens in den Mund.
»Weiß nicht«, erwiderte Richard. »Die Antworten klangen alle etwas vorgefertigt. Ich bin mir nicht sicher, aber die Sache mit dem Einbruch sollten wir auf dem Schirm behalten.«
Er kaute genüsslich seine Maultasche. »Schmeckt lecker«, stellte er fest.
»Alles recht bei den Herren?« Der Kellner stand unvermittelt mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor ihnen am Tisch. Er wandte sich Frank zu.
»Sehen Sie, eine gute Wahl, die Pommes anstatt der Bratkartoffeln zu nehmen.«
»Die Bratkartoffeln nehme ich dann nächstes Mal wieder«, stellte der diplomatisch fest.
»Lieber nicht«, flüsterte der griechische Kellner in einem verschwörerischen Ton. »Unser Koch kann keine Bratkartoffeln machen. Unter uns, ich glaube, der ist gar kein richtiger Koch.«
»Aber mein Essen hat er sehr gut hinbekommen. Der Rostbraten ist auf den Punkt geworden.«
»Pah, Zufall.«
»He, du alte Schwatzbacke. Hier gibt’s noch Essen zu servieren.«
Jemand aus der Küche schien nach dem Kellner zu verlangen. Unwillig mit sich selbst redend, drehte dieser sich um und verschwand erneut hinter der Schwingtür. Kurz darauf wurde es etwas lauter in der Küche. Obschon Richard Frank verdutzt ansah, schien keiner der anderen Gäste davon groß Notiz zu nehmen.
»Lass uns bei dem Weinkonvent vorbeifahren. Ich will mir einen Überblick verschaffen«, meinte Richard, nachdem sie Kalters Restaurant verlassen hatten.
Sie fuhren die Straße zwischen den Weinbergen hinauf zum Rotenberg, wo sie den Ort mit der berühmten Grabkapelle durchquerten. Auf der anderen Seite des Bergkammes, an dem sich jenes kleine Örtchen am abfallenden Hang festzukrallen schien, fuhren sie die schmale Straße wieder ins Tal Richtung Untertürkheim. Nach einer lang gezogenen Linkskurve bog Richard ab, worauf sie gleich vor dem gesuchten Gebäude mit einem markanten Dach aus roten Ziegeln standen. Neben dem mittig gelegenen Eingang prangte auf der rechten Seite über den verglasten Doppelfenstern in großen grauen Lettern Weinkonvent Uhlbach.
Richard parkte sein Auto auf dem Platz davor. Frank sah sich um. Außer ihrem stand kein weiteres Fahrzeug auf dem Gelände.
»Scheint niemand da zu sein«, stellte er fest. Die Außentemperatur tendierte gegen null Grad. Nicht unbedingt sein Geschmack. Er hasste diese kalten, feuchten Temperaturen. Wenn es nach ihm ginge, so könnte der Winter als Jahreszeit ruhig ausfallen.
»Heute ist doch Dienstag.« Richard sah sich die Tafel mit den Öffnungszeiten an. »Also, wenn ich auf die Uhr schaue, müssten sie eigentlich aufhaben.«
Er drückte die schwere Eisenklinke herunter, worauf sich die Tür öffnete. Sie traten beide ein und befanden sich in einer großen Halle, in der unzählige Kisten mit Wein standen.
»Hier scheint der Eingang zum Lager zu sein«, stellte Richard fest, während er sich umblickte.
»Ist jemand da?«, rief Frank. Er wartete eine Weile, aber es kam keine Antwort.
»Wir schauen nach hinten. Dort scheint ein Verkaufsraum zu sein.«
Richard war auf dem Weg durch die Halle, da fragte ihn jemand: »Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«
Die Stimme gehörte einer Frau. Er schätzte sie auf Anfang 40, mit langen braunen Haaren. Sie trug zu ihrem dunklen Rollkragenpullover enge Jeans, die ihre wohlgeformte Figur sehr gut zur Geltung brachten.
Frank konnte sich ebenfalls kaum von diesem Anblick losreißen, fand aber kurz darauf die Sprache wieder. »Frank Jonas, Kripo Stuttgart. Das ist mein Kollege, Oberkommissar Richard Bauer. Wir hätten gern mit einem Verantwortlichen hier gesprochen.«
»Kripo?« Sie sah die beiden erstaunt an. »Geht es wieder um den Einbruch letzte Woche? Da ist doch nichts gestohlen worden. War bestimmt ein dummer Jungenstreich.«
»Ich habe Ihren Namen vorher nicht verstanden«, sagte Richard, wohl wissend, dass sich die Frau bis jetzt nicht namentlich vorgestellt hatte. Er wollte ihr damit eine Brücke bauen.
»Oh, entschuldigen Sie, wie unhöflich von mir.« Sie lächelte die beiden an. »Ich bin heute etwas durcheinander. Mein Name ist Nadine Kalter. Wir bekommen nachher eine Reisegruppe, aber es ist hier noch gar nichts vorbereitet. Eigentlich sollte der Hans Kupernick mit den Getränken längst da sein. Wer weiß, wo der wieder bleibt.« Sie wischte sich die Hände an einem Handtuch ab.
»Macht nichts«, erwiderte Richard. Er hatte den Namen vernommen, doch entschied er sich, nicht darauf zu reagieren. »Wir kommen auch nicht wegen des Einbruchs letzte Woche, sondern aufgrund eines Mordes.«
»Mord? Was für ein Mord?«, fragte sie erstaunt. Frank sah sie an. Sie schien, soweit er dies einschätzen konnte, ehrlich betroffen ob der Nachricht, die Richard überbrachte.
»Wissen Sie noch nicht Bescheid?«, erkundigte er sich.
»Nein, ich bin seit heute Morgen um kurz vor 7 Uhr hier mit Holger Bühler beschäftigt, eine Weinverkostung auf die Beine zu stellen, die gleich beginnen soll. Zu zweit geht’s leider nicht so schnell. Außerdem fehlen noch Gläser. Der Holger ist grad runtergefahren, um sich darum zu kümmern.«
Ihre Stimme klang ein wenig genervt. Frank zückte derweil sein Notizbuch und schrieb fleißig mit. Für dieses schwarze Buch, welches ihm gute Dienste erwies, wurde er von den meisten, wenn nicht allen Kollegen im Präsidium belächelt. Doch so etwas war ihm egal. In dieser Beziehung hielt er es wie Inspektor Columbo. Immer lächeln.
»War dieser Holger Bühler den ganzen Morgen bei Ihnen?«
»Klar. Wer ist denn tot?«, fragte sie.
»Gerd Bäuerle«, antwortete Richard.
Nadine Kalter schlug die Hände vors Gesicht. »Oh nein. Nicht der Gerd. Der wollte auch helfen. Kein Wunder, ist er noch nicht da. Der ist … der war doch so ein netter Kerl. Wer tut denn so was?«
»Das versuchen wir herauszufinden«, hakte Frank ein. »Deswegen würden wir uns gern dieses Büro, wo eingebrochen wurde, noch einmal anschauen.«
Sie führte, erkennbar erschüttert von der schrecklichen Nachricht, die beiden Kommissare wortlos durch die Halle, vorbei am Verkaufsraum, wo sich ein Büro im hinteren Teil des Gebäudes befand.
»Schauen Sie sich ruhig um. Ich muss wieder nach vorn, alles vorbereiten, sonst werde ich nie fertig. Hoffentlich bringt der Hans die Sachen rechtzeitig vorbei«, murmelte sie beim Weggehen.
»Der säuft sich gerade die Hucke voll. Kann also noch eine Weile dauern«, brummte Frank vor sich hin. Nadine Kalter bekam von alledem nichts mit, sie war wieder mit dem Aufbau beschäftigt.
Richard stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen in der Eingangstür, um sich einen Überblick zu verschaffen.