Soziologische Kommunikationstheorien. Rainer Schützeichel

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Soziologische Kommunikationstheorien - Rainer Schützeichel


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kommuniziert nicht. Genauso sieht, hört, riecht, schmeckt oder fühlt es – aber es kommuniziert nicht.« (Birdwhistell 1959: 104) Mit anderen Worten: Von den Kommunikatoren geht keine Kommunikation aus, sondern sie nehmen an der Kommunikation teil. Sie sind nicht die Urheber von Kommunikation.

      Wenn man Rückkopplungsschleifen vorsieht, dann liegt der Gedanke nicht fern, dass jede Kommunikation die Fähigkeit oder die Notwendigkeit der Metakommunikation einschließt. Dieser Gedanke wird von Gregory Bateson entwickelt. Unter Metakommunikation versteht Bateson »die Fähigkeit, über Kommunikation zu kommunizieren und die Bedeutung der eigenen Handlungen und der Handlungen zu anderen zu kommentieren« (Bateson u. a. 1956b: 208). Kommunikationen sind auf sie begleitende Metakommunikationen angewiesen, weil nur so der Erfolg oder Misserfolg von kommunikativem Handeln festgestellt werden kann. Bateson interessiert sich besonders für die wechselseitigen Bezugnahmen von verbalen und nonverbalen Elementen in der normalen alltäglichen Interaktion. Diese können sich gleichsam wechselseitig kommentieren. Eine verbale Mitteilung kann eine nonverbale unterstützen oder konterkarieren, und dies gilt natürlich umgekehrt ebenso. Wenn beide nicht konkordant sind, dann besteht Anlass, darüber metakommunikativ zu kommunizieren.

      Dieser Punkt wird in dem metakommunikativen Axiom von Watzlawick, Beavin und Jackson weitergeführt und radikalisiert. Es geht davon aus, dass jedes verbale Handeln in einen nonverbalen Kontext eingebettet ist, welcher metakommunikativ interpretiert wird, was zu dem berühmten Diktum führt, dass man sich nicht nicht verhalten kann bzw.: »Man kann nicht nicht kommunizieren.« (Watzlawick u. a. 1967: 49) So lautet das erste der fünf Axiome des kommunikationspragmatischen Kalküls. Alles, was wir tun, kann als kommunikativer Beitrag interpretiert werden. Es führt im zweiten Axiom zu der Unterscheidung verschiedener Ebenen der Kommunikation, einer Inhalts- und einer Beziehungsebene. Nicht allein das Gesagte, der sachliche Aspekt spielt in Kommunikationen eine Rolle, sondern die Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern. Im dritten Axiom wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Kommunikationspartner ihre Kommunikation interpunktieren, also in verschiedene Ereignisfolgen und Verhaltenssequenzen einordnen können. Diese Interpunktionen müssen durchaus nicht einvernehmlich gesetzt werden. Berühmt ist die Untersuchung der Interpunktionstriaden zwischen Eheleuten. Vielleicht ist dies auch der Fall bei unserer Familie Schmidt. Herr Schmidt zieht sich zurück, und Frau Schmidt nörgelt. Herr Schmidt begründet sein Verhalten mit dem Nörgeln seiner Frau, und Frau Schmidt das ihre mit dem Verhalten ihres Mannes. Beide sind in einem Circulus vitiosus gefangen, aus dem sie ohne Metakommunikation nicht entfliehen können.

      Das vierte Axiom von Watzlawick, Beavin und Jackson besteht in der Beschreibung der menschlichen Kommunikation als einer solchen, die analoge und digitale Modalitäten miteinander verbindet. Analog ist eine Beziehung zwischen einem Repräsentant und einem Repräsentierten dann, wenn zwischen beiden Ähnlichkeitsbeziehungen vorhanden sind. Ein Beispiel für analoge Kommunikationsformen ist die nonverbale Kommunikation. Tränen können Schmerz oder Trauer ausdrücken. Digital ist hingegen die verbale Kommunikation. Die Buchstabenfolge B-u-c-h weist keinerlei Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Gegenstand auf. Der Beziehungsaspekt in Kommunikation ist nach Watzlawick, Beavin und Jackson analog, der inhaltliche Aspekt digital strukturiert. Da die menschliche Kommunikation beide Ebenen umfasst, kann es zu entsprechenden Übersetzungsproblemen kommen. Und schließlich das fünfte Axiom: Es besagt, dass die menschliche Kommunikation entweder symmetrisch oder komplementär organisiert ist. Komplementär ist sie dann, wenn sich die entsprechenden Kommunikationsakte komplementieren, so wie es sich zwischen Lehrer und Schüler, Arzt und Patient, Autor und Leser verhält. Um symmetrische Kommunikation handelt es sich, wenn sie von dem Streben nach Gleichheit geprägt ist.

      Schließlich gibt es noch einen allgemeinen Grund, weshalb heutzutage in der Soziologie das klassische Modell als inadäquat für die Beschreibung von Kommunikationsprozessen zurückwiesen wird. Es geht davon aus, dass Kommunikation eigentlich nur durch äußere Gefahren und Störungen, durch ein »Rauschen« gefährdet werden kann. Wenn die Umwelt genügend abgeschottet ist, dann findet die Kommunikation ihr Ziel, und die Gedanken des einen gehen in den Gedanken des anderen auf. Aber ist der Kommunikationsprozess als solcher wirklich derartig risikolos? Ist es nicht der Normalfall, dass Kommunikation versandet, scheitert, dass unsere Vorstellungen und Intentionen nicht verstanden werden? Liegen die Störquellen nicht in den Prozessen und Komponenten von Kommunikation selbst? Und liegen sie vielleicht deshalb im Kommunikationsprozess selbst, weil Kommunikation etwas grundsätzlich anderes ist als der Transport von Gedanken und Sinn von A nach B?

      Das Alltagsmodell wie auch das wissenschaftliche Informationsmodell der Kommunikation werden einer Kritik in den Arbeiten des Kommunikationswissenschaftlers Gerold Ungeheuer (vgl. Ungeheuer 1987a u. 1990) unterzogen. Diese Modelle stellen das Ausdrucksprinzip in den Vordergrund. Ungeheuer macht hingegen darauf aufmerksam, dass Kommunikation darauf angelegt ist, Eindrücke herzustellen.

      Ausgangspunkt der Überlegungen Ungeheuers ist das Urphänomen der Zweiteilung der menschlichen Erfahrung in einen Bereich der inneren Erfahrungen und Handlungen einerseits sowie einen Bereich der äußeren Erfahrungen und Handlungen andererseits. Innere Erfahrungen sind solche, die nur dem erfahrenden Individuum zugänglich sind. Dies trifft auch auf die inneren Handlungen wie das Fühlen, das Denken und das Vorstellen zu. Äußere Erfahrungen können hingegen auch andere Menschen machen, äußere Handlungen lassen sich auch von anderen beobachten, wie etwa Körperbewegungen oder die Manipulation von Gegenständen. Diese Zweiteilung in einen inneren und einen äußeren Bereich ist nach Ungeheuer Veranlassung und Ausgangspunkt von Kommunikation. Grund und Ursache von Kommunikation ist die unaufhebbare Innerlichkeit der Menschen und deren Intransparenz für die anderen. Aber die Zweiteilung stellt jede Kommunikation immer vor das neue Problem, ob und wie man verstanden wird. Kommunikation hat die Aufgabe, zwischen dem Innen und dem Außen zu vermitteln und diese Dichotomie zwar nicht zu beseitigen, aber zu vermitteln. Eine solche Funktion kann die Kommunikation nur erfüllen, wenn sie etwas, was immer nur innerlich ist und nur innerlich bleiben kann, durch äußere Zeichen darstellbar macht. Ein Sprecher muss dabei seine Aussagen so anlegen und planen, dass sie für einen anderen nachvollziehbar werden. Jede Kommunikation ist also auch eine Handlung, ein Versuch, auf andere Einfluss zu nehmen (vgl. Lenke u. a. 1995: 68–90).

      Das Ausdrucksprinzip besagt nun, dass in der Kommunikation das, was ein Sprecher ausdrücken möchte, das dominante Element darstellt. Sprechen wird als ein Sich-Ausdrücken verstanden und Zuhören als ein passives Verstehen der ausgedrückten Mitteilung. Der Sprecher ist der aktive, der Zuhörer der passive Partner, das Sprechen ist alleinige Angelegenheit des Sprechers, das Zuhören eine passive Reproduktion. Dieses alltägliche wie auch wissenschaftliche Leitbild suggeriert, so Ungeheuer, dass die Kommunikation in zwei Handlungen zerfällt, in die des Sprechens und des Zuhörens, und es suggeriert zweitens, dass sich diese beiden Handlungen wie Ursache und Wirkung verhalten.

      Der sprachliche Ausdruck ist vollkommen Sache des Sprechers; der Hörer hat ihn, wenn er will, aufzugreifen und zu verstehen. Dementsprechend zerfällt die kommunikative Sozialhandlung in zwei partielle Individualhandlungen, und, da der Sprecher den sprachlichen Ausdruck verursacht, rückt er in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, eine Konstellation, die aus wissenschaftlichen Traktaten nicht unbekannt ist (vgl. Ungeheuer 1987b: 294).

      Ungeheuer schlägt eine Alternative vor, welche den Aspekt des Eindrucks stärkt. Nicht der Sprecher, sondern der aktive Zuhörer steht im Mittelpunkt der Kommunikation, und es ist das kommunikative Ziel des Sprechens, Eindrücke bei einem Zuhörer zu erreichen oder, genauer noch, etwas hervorzubringen, welches der Zuhörer selbst zu seinem Eindruck machen kann.

      Es ist jedoch deutlich, dass im Modell der Eindrucks-Kommunikation der Hörer in den Vordergrund rückt, er mindestens aber in seiner kommunikativen Tätigkeit gleichrangig mit dem Sprecher behandelt werden muss. Denn hier handelt der Sprecher kommunikativ, indem er einen ›Eindruck‹ beim oder im oder für den Hörer hervorbringt. Dieser ›Eindruck‹ aber kann nur entstehen, wenn der Hörer das vom Sprecher Hervorgebrachte durch eigene Tätigkeit zu seinem ›Eindruck‹ gemacht hat. So bleibt schon im Ansatz die kommunikative Sozialhandlung erhalten und zerfällt nicht wie von selbst in personenbezogene Partialhandlungen (vgl. Ungeheuer 1987b: 294 f.).

      Das Modell der Eindrucks-Kommunikation stellt


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