Grundlagen der Visuellen Kommunikation. Stephanie Geise
Читать онлайн книгу.12 Nonverbale Medienkommunikation
Vorwort
Die vergangene Dekade, seit der Veröffentlichung der ersten Auflage dieses Lehrbuchs, war von einer ungewöhnlichen Innovationsdichte technologischer und sozialer Kommunikatiosmöglichkeiten und einer stetigen Visualisierung unserer Lebenswelt geprägt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der ersten Auflage dieses Lehrbuchs waren die sozialen Internet-Netzwerke FACEBOOK und TWITTER sowie die Online-Video-Plattform YOUTUBE noch nicht gegründet. Die digitale Fotografie steckte noch in den Kinderschuhen, Programme der digitalen Bildbearbeitung waren teuer, wenig selbsterklärend und damit primär Profis zugänglich. Der mobile Bilderaustausch erfolgte vorwiegend über das Brennen von CDs. Drahtlose Bluetooth-Verbindungen zwischen digitalen Geräten sowie visuelle Datenspeicherung und -übertragung vermittels Cloud Computing ersetzten erst vor wenigen Jahren das mühsame und zeitraubende Recherchieren, Kopieren, Scannen und Übertragen von digitalen Bildern. Auch auf der Bildebene hat sich einiges verändert: Mit der technisch möglichen »Erweiterung des Sichtbaren« entstanden auch neue Typen von Bildern mit neuen, spezifischen Charakteristika (z. B. dreidimensionales Kino, computergenerierte oder maschinell erstellte Bilder).
Mit diesen und anderen neuen technologischen Möglichkeiten der Bildherstellung, Bildverarbeitung und Bildspeicherung änderten sich nicht nur die privaten, sondern besonders auch die professionellen Bildproduktions- und Bildrezeptionskontexte in Journalismus und Politik, in Werbung und Unterhaltung. Dabei veränderte sich auch die Art und Weise, wie wir mit Bildern umgehen und mit ihnen bzw. über sie kommunizieren. Dies war auch mit einem institutionellen Wandel verbunden: Die Veränderung der Medienformate, Inhalte und Kommunikationsformen führte auch zu einer Entgrenzung zuvor voneinander eher getrennter Bereiche in der Kommunikationswissenschaft: Interpersonale soziale Kommunikation ist nicht mehr eindeutig von Massenkommunikation zu unterscheiden, die Übergänge zwischen Informations- und Unterhaltungsformaten sind fließend, Produzenten und Rezipienten verschmelzen zu digitalen Prosumern, das Lokale kann global wirken und auch umgekehrt haben viele Aspekte der globalen Kommunikation unmittelbare lokale Rückwirkungen. Die qualitativ und quantitativ zunehmende Bedeutung Visueller Kommunikation erfordert eine systematische methodische Fundierung der Bildanalyse, der Produktions-, Rezeptions- und Wirkungskontexte des Bildes sowie der Bildkritik. Auch institutionell hat sich diese im vergangenen Jahrzehnt weiterentwickelt: Die damals gerade gegründete Fachgruppe »Visuelle Kommunikation« ist heute in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft fest verankert. Sie versteht sich als ein kommunikationswissenschaftlich orientiertes, explizit auch interdisziplinär ausgerichtetes, Forum für alle Forschungsfragen, die sich aus theoretischer, methodischer, empirischer und/oder auch gestaltungspraktischer Perspektive auf Formen visuell vermittelter Kommunikation beziehen. Auch diese institutionelle Professionalisierung hat in den letzten Jahren enorm dazu beigetragen, die Visuelle Kommunikationsforschung als Forschungsfeld weiterzuentwickeln und als integrale Teildisziplin der Kommunikationswissenschaft zu etablieren.
Bei all diesen Veränderungen ist unser wichtigstes Ziel, im Vergleich mit der ersten Auflage, gleich geblieben: Studierenden und Forschenden eine systematische Einführung in die gängigen visuellen Methoden und Forschungsansätze an die Hand zu geben. Dabei ist der Forschungsstand im interdisziplinären Forschungsfeld »Visuelle Kommunikation« im vergangenen Jahrzehnt derart expandiert, dass ein Überblick über mehr als zehn unterschiedliche Disziplinen, wie in der ersten Auflage noch erfolgt, kaum sinnvoll erscheint; über jeden einzelnen Zugang zur Visuellen Kommunikationsforschung ließe sich ein eigenes Lehrbuch schreiben. Unser Lehrbuch konzentriert sich auf die Kommunikations- und Medienwissenschaft, und dort auf die einschlägigen Methoden der Bildanalyse, der Bildproduktions-, der Bildrezeptionsund der Bildwirkungsanalyse sowie auf eine kurze Vorstellung der wichtigsten Forschungsansätze.
Mit Stephanie Geise ist eine ausgewiesene Expertin im Bereich der visuellen Wirkungs- und Rezeptionsforschung als Ko-Autorin beteiligt. Sie fügt dem Lehrbuch eine wesentliche Dimension hinzu, die der ersten Ausgabe fehlte. Die gemeinsame Konzeption und Ausarbeitung des Lehrbuchs war eine Herausforderung, die uns weit mehr Zeit gekostet hat als ursprünglich geplant, die aber auch zu einem großen wechselseitigen Verständnis und einer Kohärenz des Lehrbuchs geführt hat, die sich hoffentlich auch unseren Lesern erschließt.
Das Lehrbuch hat insgesamt 15 Kapitel und ist in zwei große Teile gegliedert: Im ersten Teil (Kapitel 1 bis 6) wird anhand von Übungsbeispielen in die Methode der Bildanalyse sowie in Theorie und Empirie der Bildwirkung eingeführt. Teil zwei (Kapitel 7 bis 15) veranschaulicht neun konkrete Forschungsansätze der Visuellen Kommunikations- und Medienwissenschaft. Während beide Autorinnen sämtliche Kapitel wechselseitig und in verschiedenen Stadien kommentiert und korrigiert haben, ist die Autorenschaft eindeutig aufgeteilt: Kapitel 1–4 und Kapitel 6–8 sowie Kapitel 11 wurden von Marion G. Müller verfasst, während sich Stephanie Geise für die folgenden Kapitel verantwortlich zeichnet: Kapitel 5 – Bildrezeption und Bildwirkung, Kapitel 9 und 10 – Bildinhaltsanalyse, Bildtypenanalyse sowie Kapitel 12 bis 15 Nonverbale Medienkommunikation, Visual Agenda-Setting, Visual Priming sowie Visual Framing.
Um das Lehrbuch nicht noch umfangreicher werden zu lassen, sind zusätzliche Abbildungen, Praxistipps und die Links zu den Online-Bildquellen auf www.utb-shop.de einsehbar, wenn man den Buchtitel aufruft und auf »Zusatzmaterial« klickt. Im Buch wird dies jeweils mit dem Icon
angezeigt.Für die Inhalte wie auch für die Verfehlungen des Lehrbuchs tragen die Autorinnen gemeinsam die Verantwortung. Wir wünschen unseren Lesern eine spannende Lektüre und freuen uns, dass wir nunmehr unser Werk als nützliches »Augen- und Handwerkzeug« in die Lern- und Forschungspraxis entlassen können.
Bremen und Erfurt im Juli 2015
Marion G. Müller und Stephanie Geise
Teil 1: Bildanalyse und Bildwirkung
1 Wozu Visuelle Kommunikationsforschung?
Bilder prägen, Bilder verändern unsere Realität. Bilder beeinflussen unsere Selbstwahrnehmung,