Grundlagen der Visuellen Kommunikation. Stephanie Geise

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Grundlagen der Visuellen Kommunikation - Stephanie Geise


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nicht. Visuelle Kommunikationsforschung macht die Prozesse visueller Wahrnehmung und visueller Kommunikation transparent, versucht sie theoretisch zu erklären und empirisch zu analysieren. Dabei gilt zu beachten, dass visuelle Eindrücke vom menschlichen Sinnesapparat anders verarbeitet werden als Informationen in Textform. Bilder werden auch auf andere Art und Weise erinnert und im persönlichen wie auch im kulturellen Gedächtnis gespeichert.

      Visuelle Kommunikation ist, medienhistorisch betrachtet, ein prä-modernes Phänomen: Mit der Gestaltung der ersten Höhlenmalereien um etwa 30.000 v. Chr. entstehen bildliche Mitteilungen lange vor der Entwicklung der Schrift und wahrscheinlich auch lange vor der verbalen Sprache (vgl. Pandel 2009) – und von diesem Zeitpunkt an drücken sich Menschen durch alle Epochen hindurch (auch) über Formen visueller Kommunikation aus und geben in Bildern gespeicherte Botschaften bzw. Wissen an räumlich und zeitlich Abwesende weiter. Während visuelle Kommunikation damit eine Konstante menschlicher Kultur darstellt, sind die jeweiligen visuellen Kommunikate, ihre Struktur und Funktion vielschichtig, denn sie werden auch durch die zeitlichen, räumlichen, sozialen, kulturellen, individuellen oder medialen Kontexte geprägt, in denen sie entstehen (vgl. Mitchell 2005). Das zeigt sich besonders in den heutigen »Mediengesellschaften«: In kaum einem anderen Zeitalter zuvor waren die Vielfalt visueller Kommunikationsmittel sowie der quantitative Output von alten und neuen Bildern so groß.

      Im Laufe seiner jahrtausendelangen Geschichte hat sich das Bild von seiner ursprünglichen Funktion als seltene, kostbare, stark lokal verortete und religiös-rituell eingebundene menschliche Kommunikationsform zu einem omnipräsenten, vertrauten, jederzeit technisch reproduzier-, modifizier- und verfügbaren Alltagsgut entwickelt (vgl. Raab 2008: 21; vgl. Raab 2001). Dabei ist die Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts durch einen technologischen Quantensprung geprägt, der zur Gleichzeitigkeit multimedialer Kommunikationsformen geführt hat: Visuelle Kommunikationsmedien, die bereits im 19. Jahrhundert populär waren, wie etwa Zeitungskarikatur und Straßenplakat, stehen neben Hochglanzfotografien und Homevideos, neben Fernsehbildern und Internet-Images. Die Möglichkeit digitaler Bearbeitung von Bildern wirft zusätzlich die Frage nach dem Verhältnis von Original und Kopie, von Täuschung und (Ver-)Fälschung visueller Informationen auf.

      »Visuelle Kommunikation« ist damit ein hochaktuelles Forschungsgebiet, das ebenso facettenreich ist wie sein Forschungsgegenstand (vgl. Knieper/Müller 2001; Müller 2007; Geise 2011a; Lobinger 2012; Geise/Lobinger 2012) und seine Methoden (vgl. Petersen/Schwender 2011). Die Visuelle Kommunikationsforschung bezieht sich auf visuelle Phänomene, die sich meist, aber nicht ausschließlich, in Form von medial fixierten Bildern materialisieren und fragt nach deren Selektion, Produktion, Rezeption, Aneignung und Wirkung. Sie legt dabei einen Fokus auf visuelle Formen der indirekten, medienvermittelten Kommunikation. Dabei ist der Bild- sowie der Medienbegriff möglichst weitgefasst (vgl. Kapitel 2) und beinhaltet Tafelbilder ebenso wie Fotografie und Druckgrafik. Auch Film und Fernsehen werden als audiovisuelle Medien unter den Bildbegriff subsumiert, insofern es sich bei ihnen um »moving pictures« – bewegte Bilder – handelt. Im weitesten Sinn umfasst Visuelle Kommunikationsforschung auch dreidimensionale Artefakte, also beispielsweise Architektur und Skulptur.

      Dabei nimmt Visuelle Kommunikationsforschung im Unterschied zur Kunstgeschichte keine ästhetische Wertung vor. Entscheidend für die Qualifikation als Forschungsobjekt ist die visuelle Form und nicht die gestalterische Qualität. In gewisser Weise interessiert sich Visuelle Kommunikationsforschung sogar besonders für die »niederen« Bildprodukte, die außerhalb eines elitären Kunstbegriffs stehen, aber eine große Popularität, einen hohen Verbreitungsgrad und damit ein großes Publikum haben.

      Visuelle Kommunikationsforschung untersucht visuelle Phänomene, die sich in Form von Bildern materialisieren sowie deren Selektion, Produktion, Rezeption, Aneignung und Wirkung.

      Mit der Festlegung auf das Kriterium der Bildlichkeit und deren Materialisierung grenzt sich die Visuelle Kommunikationsforschung von dem größeren Forschungsbereich interpersonaler nonverbaler Kommunikation ab. Nonverbale Kommunikation bezieht sowohl auditive Elemente mit ein als auch visuelle Eindrücke, wie etwa Gesten, die nicht in irgendeiner Form – sei es in Öl, Stein, Zelluloid oder in Pixeln – als materialisiertes Bild visualiert werden (müssen) (vgl. Abb. 1, Kapitel 2 und 12).

      Die Logik der Bilder ist eine andere als die Logik der Texte. Mit sprachwissenschaftlichen Begrifflichkeiten wie »Syntax« oder »Grammatik« ist der Eigenart Visueller Kommunikation nicht beizukommen. Bereits die Produktionslogik und die Produktionsstrukturen, ganz zu schweigen von Inhalt und Wirkung, unterscheiden sich von den Strukturen textlicher Kommunikation, wobei sich Bild- und Textkommunikation nicht selten wechselseitig durchdringen oder zumindest überlagern. Dabei können sich Bild und Text in ihrer Aussage ergänzen bzw. diese spezifizieren. Sie können sich aber auch widersprechen. Um die möglichen Bildwirkungen bei den Rezipienten zu ermitteln, ist jedoch eine analytische Unterscheidung in die spezifischen Funktions- und Wirkungsweisen von Bildern und verbaler Kommunikation sinnvoll (vgl. Lobinger/Geise 2013).

      Visuelle Kommunikationsforschung ist eine recht junge, expandierende Teildisziplin der Kommunikationswissenschaft, die sozialwissenschaftliche Methoden anwendet, um die Produktions-, die Distributions-, die Rezeptions-, Aneignungs- und Wirkungsprozesse, aber auch die Bedeutungspotenziale von massenmedial kommunizierten Bildern in ihren sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Kontexten zu analysieren, zu verstehen und zu erklären (vgl. Müller 2007: 24). Der Tradition der empirischen Sozialwissenschaften folgend ist Visuelle Kommunikationsforschung dabei problemorientiert und nimmt durchaus auch eine kritische Perspektive auf visuelle Kommunikationsphänomene und deren Implikationen ein (ebenda).

      Die Fragestellungen und die Methodenansätze, denen sich Forscher in der Analyse visueller Kommunikationsphänomene widmen, variieren beträchtlich und sind stark durch ihre jeweilige fachliche Herkunft geprägt. Diese oft auch an der aktuellen Entwicklung orientierte Offenheit ist eine Stärke der Visuellen Kommunikationsforschung. Sie macht jedoch den Einstieg nicht gerade leicht. Insbesondere das Fehlen einer etablierten, fest institutionalisierten Forschungsdisziplin Visual Communication Science hat zu einer Vielzahl an unverknüpften Entwicklungs- und Forschungssträngen geführt. Die Vielschichtigkeit der Auseinandersetzung ist dabei Chance und Last zugleich (vgl. Müller 2007: 7), denn sie eröffnet zwar facettenreiche methodische und inhaltliche Zugänge, steht aber auch einer inhaltlichen und institutionellen Integration des Forschungsbereichs entgegen.

      Zur groben Systematisierung können die diversen Fragestellungen und Methodenansätze in drei unterschiedliche Analyseebenen Visueller Kommunikationsforschung unterteilt werden. Ein ganzheitlicher Kommunikationsansatz würde idealerweise alle Ebenen Visueller Kommunikation untersuchen. Dies ist jedoch aus arbeitspraktischen Gründen sowie aufgrund mangelnder Vernetzung der Forschenden bislang kaum geleistet worden (vgl. Müller/Kappas/Olk 2012). Die in der Forschungspraxis oft notwendige Konzentration auf einen der drei Analysebereiche Produktionsanalyse, Produktanalyse oder Wirkungsanalyse führt dabei zu unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen.

      Die drei Ebenen Visueller Kommunikationsforschung sind: Produktionsanalyse – Produktanalyse – Wirkungsanalyse

      Die Produktionsanalyse fragt nach dem Warum und dem Wie der Entstehung des visuellen Kommunikats. Beispielsweise bedeutet dies bei der Analyse einer Pressefotografie (vgl. Abb. 35, 62, 74–75, S. 110, 151, 164–165), nach den Arbeitsbedingungen des Pressefotografen zu fragen, der das Foto geschossen hat, nach den Strukturen der Presseagentur sowie nach ihrem Verhältnis zur Bildredaktion der jeweiligen Zeitung. Unter welchen Bedingungen wurde die Fotografie aufgenommen? Wie und warum wurde sie von der Bildredaktion zur Publikation ausgewählt? Wie viel wurde für die Fotografie bezahlt? Warum wurde gerade dieses Foto ausgewählt und kein anderes?

      Die Produktionsanalyse stellt immer auch die Frage nach der Motivation und Intention der Bildproduzenten: Handelt es sich bei den Bildern um künstlerische oder um kommerziell motivierte Produkte? Ist eine Einzelperson für die Bildschöpfung verantwortlich, wie dies bei Kunstwerken meist der


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