Die wilden Zeiten der Théra P.. Hans-Peter Vogt
Читать онлайн книгу.Auch Prostitution hatte es schon immer gegeben. Die Frauen des fürstlichen Harems hatten schon vielen Männern solche gewerblichen Liebhaberinnen vermittelt. Außerhalb und innerhalb des Palastes. Sie wussten, wo man solche Frauen findet, und wer von diesen Frauen „sauber und rein“ war. Diese Dinge blieben Geheimnisse der Frauen. Ihre bevorzugte Stellung am Hofe machte es ihnen leicht, Dinge zu tun, die anderen Frauen nicht möglich gewesen wären. Sie waren wirkliche Herrscherinnen. Sie traten nie öffentlich in Erscheinung. Sie waren Herrscherinnen der Nacht.
6.
Théra wurde langsam und vorsichtig auf dieses besondere Ereignis vorbereitet.
Dann kam der Tag, da wurde Théra gründlicher als sonst gebadet. Sie wurde mit wohlriechenden Seifen gewaschen und sie erhielt duftige Gewänder, über die später ein sittliches Übergewand gezogen werden würde. Sie würde am Nachmittag ruhen und abends noch einmal baden.
In dieser Nacht wurde sie von mehreren Frauen des Harems heimlich aus dem Haus gebracht. Es gab Hintertüren. Sie wurde einige Strassenzüge weiter geführt. Dort fanden sie eine leere Wohnung, in der zwei tief verschleierte Frauen warteten. Die Frauen des Harems verließen Théra, dann wurde ein geheimes Zeichen gegeben und Théra wurde von anderen Frauen abgeholt. Diese Zeremonie wurde noch zweimal wiederholt.
Schließlich wurde Théra in den Seitentrakt eines großes Hauses geführt. Die Frauen blieben dieses Mal bei ihr. Dann wurde eine Tür geöffnet.
7.
Es war ein saalartiger Raum. Es gab kostbare Teppiche, Kissen, Kerzen und viel gedämpftes Licht. In der Mitte gab es ein Podest mit einem riesigen Bett, um das Seidentücher von der Decke hingen, die sich in einem leichten Wind leise bewegten. Woher der Windhauch kam, war unklar.
Auf diesem Bett lag ein vielleicht 18-jähriger junger Mann in weisser Kleidung, das Gesicht unverhüllt. Théra kannte ihn nicht, aber er musste sehr reich sein, nach der wertvollen Einrichtung und den edlen Zügen des Gesichts zu schließen.
Die Frauen hatten sich beim Eintreten stumm verbeugt, dann verteilten sie sich und griffen nach verschiedenen Instrumenten, die - wie zufällig - im Raum standen. Sie begannen leise und melodisch zu singen und diesen Gesang mit Zimbeln, Glöckchen und verschiedenen Zupfinstrumenten zu begleiten. Es war wie eingeübt.
Zwei der Frauen geleiteten Théra in den offenen Raum. Sie begannen sich im Rhythmus des Gesanges zu bewegen und forderten Théra auf, es ihnen gleichzutun.
In dieser Nacht erlebte Théra zum ersten Mal die körperliche Liebe. Sie erlebte den Zauber, wenn Mann und Frau sich vorsichtig berühren. Der Junge war sehr geschickt und er entfachte in Théra ein Feuer nach Mehr. Sie empfand Lust und sie stöhnte, und sie spürte, dass auch der junge Mann Lust empfand.
Die Frauen waren immer dabei. Sie ließen Théra nie alleine, und bevor es zum Äußersten kam, wurde sie von den Frauen weggebracht. Nur zwei Frauen blieben da, und sie vollendeten, was Théra und der junge Mann begonnen hatten, aber davon bekam Théra nichts mehr mit.
8.
Als Théra in das Haus der Frauen zurückkam, wurde sie von einigen Frauen des Harems erwartetet. Die anderen Frauen zogen sich dezent zurück und jetzt waren die Frauen des Harems ganz für Théra da. Sie umsorgten sie, sie badeten sie und sie passten auf, dass Théra nicht in ein seelisches „Loch“ fiel. Später schliefen sie zusammen ein.
Als Théra am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie noch das Feuer der Berührungen in sich. Ob das immer so sei, wollte sie wissen.
Es sollte immer so sein, wurde ihr geantwortet, aber es ist nicht immer so. Ihre Aufgabe wäre es, Liebe und Glück zu einer Einheit zu führen, zu etwas ganz Besonderem. Théra dachte lange nach. Ob sie dieses Feuer wohl noch einmal erleben dürfe?
Die Frauen wiegten die Köpfe und warteten ab. Sie blieben den ganzen Tag bei Théra in diesem fremden Haus. Später spürte Théra, dass Besuch kam, und dann teilten die Frauen Théra mit, der junge Prinz wolle sie gerne wiedersehen.
Théra erlebte ihre zweite Liebesnacht. Aber auch in dieser Nacht brachten die Frauen sie weg, bevor es zum Äußersten kam.
Théra wusste, dass dies eine rein körperliche Liebe war. Sie kannte den jungen Mann ja gar nicht. Sie kannte nur seinen Körper, seine Haut, seinen Geruch, seine Zartheit und den Willen, der sich hinter diesem athletisch gebauten Körper verbarg. Sie verstand auch, was er ihr ins Ohr flüsterte. Sie hatte sich geschmeichelt gefühlt. Sie hatte nicht einmal ihr Gesicht zeigen dürfen, aber sie brannnte jetzt nach dieser Berührung.
In der Folgenacht wurde Théra entjungfert. Obwohl der junge Prinz zart und vorsichtig war, tat das sehr weh. Es war ein krasser Gegensatz zu dem vorherigen Gefühl der Zartheit. Ohne die Wollust, in die sie sich gesteigert hatte, hätte sie das nie geduldet.
Der junge Prinz war voller Rücksicht. Er war geduldig und liebevoll. Er hielt sie in ihren Armen und Théra weinte ein bisschen. Später begann er sie erneut zu streicheln. Théra hatte an diesem Körper Gefallen gefunden. Als sie zum zweiten Mal zusammenkamen, tat es schon nicht mehr ganz so weh.
Sie bleib in dieser Nacht bei dem Prinzen. Am Morgen wachte sie auf, weil die zarte Hand des Prinzen auf ihrer Haut ruhte. Sie schliefen zum dritten Mal miteinander, und dieses Mal tat es gar nicht mehr weh. Sie spürte die Lust. Sie spürte die Erregung des Prinzen und sie schrien gemeinsam, als sie den Höhepunkt ihrer Lust erreichten. Sie lagen noch eine Weile zusammen und sie schlief wieder ein.
Als sie wieder aufwachte, lag sie alleine im Bett. Nur die Frauen waren da - wie die ganze Nacht zuvor. Sie waren wie Glucken und sie brachten sie in das Haus zurück. Sie wurde von den Frauen des Harems und einigen der Töchter des Emirs empfangen, die den ganzen Tag bei ihr blieben, mit ihr badeten und ihre Seele pflegten.
In der Nacht wurde sie unerkannt in den Palast zurückgeführt.
Clara wunderte sich. Théra war schließlich drei Tage weggewesen, aber Théra schwieg. Die offizielle Version war, dass sie einen Ausflug gemacht hatte. Im Palast war nichts durchgesickert. Die Frauen waren wirklich wahre Meister der Verstellung und der Nacht.
9.
Früh am Morgen wurde Théra geweckt. Es war die Zeit, wo sie sonst immer aufstand, um nach den Pferden zu sehen. Heute hatte sie keine Lust. Das Ereignis brannte in ihr. „Komm“, bettelten die Mädchen, „lass uns ein wenig hinausreiten in die Nacht. Es wird dir gut tun.“
Théra rappelte sich auf. Sie nahmen die Pferde aus der ausgemusterten Pferdeschar, wie immer, und ritten ohne Sattel hinaus in die Wüste.
Die Mädchen hatten recht. Das war es, was Théra jetzt brauchte. Die Kälte der Nacht, der Luftstrom, der sich immer beim Reiten entwickelt, die flatternden Gewänder und die lebendigen warmen Körper der Pferde zwischen ihren Schenkeln. Sie spürte diese Pferde plötzlich ganz anders. Sie spürte das Leben, das zwischen ihren Beinen entstanden war. Sie genoß das Lachen der Mädchen und die scherzhaften Spiele und Kämpfe, die sich entwickelten, wenn sie um die Wette ritten. Sie musste nicht die Beste sein. Sie wollte nur noch ein Teil dieser Gruppe sein. Diese Mädchen waren wunderbare Geschöpfe.
Die Frauen waren den ganzen Tag rührend um sie besorgt. Théra hatte die körperliche Liebe entdeckt. Das andere konnten ihr die Frauen auch nicht geben. „Das entwickelt sich von selbst“, sagten die Frauen. „dann, wenn du am wenigsten daran denkst. Wenn Mann und Frau zusammen sind, dann ist diese körperliche Liebe wichtig für die Seele, die Erfüllung der Liebe ist sie nicht. Darauf musst du warten. Übe dich in Geduld. Das kommt, wie die Regenwolke am Himmel. Urplötzlich.“
In Théras Heimat hätte man das nie so gesagt, aber in diesem heißen Wüstenstaat war eine Regenwolke etwas seltenes und kostbares. Théra wusste plötzlich, dass sie mit ihrem