Die wilden Zeiten der Théra P.. Hans-Peter Vogt

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Die wilden Zeiten der Théra P. - Hans-Peter Vogt


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      Am nächsten Tag war alles in Aufbruchstimmung. Ein Teil des Harems würde den Herrscher auf seiner Reise begleiten und diesem einzigartigen Wettkampf beiwohnen, der sich in der Wüste von Saudi Arabien einmal im Jahr ereignete.

      Es war selbstverständlich, dass Clara und Théra mitkommen würden. Para würde sie in Riad erwarten, wo er die Pferde des königlichen Gestüts für das Rennen fit machte.

      Sie stiegen zusammen in die zwei Privatmaschinen des Emirs. Sie flogen nach Riad und wurden dort von riesigen Limousinen abgeholt, die alle klimatisiert waren. Dann fuhren sie auf einer breiten asphaltierten Strasse hinaus in die Wüste. Die Strasse spannte sich schnurgerade durch den Sand, vorbei an Sandbergen. Es gab keinen Schatten und nicht die Spur von Grün. Nur Sand und Steine.

      Nach vier Stunden Fahrt kam die Karawane in ein Wadi. Théra staunte nicht schlecht. Mitten in diesem Tal gab es Dattelpalmen und Sträucher. Sie sah das Glitzern eines Sees. Sie sah hunderte von Zelten, die teils in dem Wädchen, teils außerhalb der Grünzone aufgestellt waren. Sie sah Abzäunungen, in denen diese wunderbaren Araberhengste hin- und herliefen. Sie waren aufgeregt. Sie scharrten mit den Hufen und schnaubten. Überall gab es Pfleger und Hilfen. Abseits stand eine ganze Karawane von teuren Geländewagen bereit. Der Lack glitzerte im Licht der Sonne.

      Von einer Arena sah Théra nichts.

      Sie hatte schon auf dem Herflug gemerkt, wie aufgeregt die Jungs des Emirs waren. Es ging um die Ehre.

      Die Pferde waren längst von Helfern nach Riad geflogen worden, damit sie beim Rennen ausgeruht waren. Zwei der Söhne hatten die Pferde begleitet, um die zahlreichen Helfer zu beaufsichtigen.

      Die Schar wurde in mehreren Zelten untergebracht. Es gab Männerzelte und Frauenzelte. Es gab viele „kleine Geister“, die wie selbstverständlich Wasser und Früchte brachten. Es gab Decken und Kissen. Als Théra das erste Mal in eines dieser mit Wimpeln und Fransen geschmückten Zelte trat, staunte sie. Das war ja wie ein Palast. Es gab einen Innenraum. Es gab mehrere abgetrennte Kammern. Es gab eine Feuerstelle, auf der ein Teekessel blubberte. Es gab kostbare Teppiche, die auf dem Boden lagen.

      Théra spürte das kommende Ereignis. Das ganze Lager war wie ein Bienenstock. Die Erregung war greifbar. Sie fasste intuitiv nach Claras Händen, und sie tauschten einen ihrer Energiestrahlen aus. „Whow“ sagte sie.

      Noch etwas war besonders. Théra und Clara mussten sich außerhalb des Zeltes verschleiern. In diesem Lager durfte keine der Frauen das Zelt verlassen, ohne die traditionelle Burka anzulegen, bei der nicht einmal ihre Augen zu sehen waren.

      Am nächsten Tag steigerte sich dieses fast unmerkliche Gesumm der Erregung noch. Neue Gruppen kamen.

      Théra und Clara gestatteten sich, hinaus zu laufen zu den Gattern, um sich die Pferde anzusehen. Sie wurden von grimmig dreinschauenden Männern mit Krummsäbeln bewacht, die MP im Anschlag.

      Die Mädchen durften sich den Gattern zwar nähern, aber sie hatten respektvoll Abstand zu wahren. Dennoch sahen sie, welche wundervollen Pferde hier versammelt waren. Sie wagten gar nicht daran zu denken, welche Werte da vor Ihnen standen. Das mussten hunderte Millionen von Dollar sein.

      Der Geldwert war Théra und Clara jedoch egal. Sie pfiffen leicht und stimmten ihr Gesumm an. Sie sahen, wie die Pferde reagierten. Sie drehten die Köpfe, sie wedelten mit den Ohren und sie kamen langsam auf die Seite des Gatters, wo Théra und Clara standen.

      Den Wachen war das zuviel. Sie drängten Théra und Clara ab und bedeuteten ihnen, den Platz zu verlassen.

      Théra und Clara hatten schon genug gesehen. Das hier waren die edelsten Pferde, die sie je in ihrem Leben zu Gesicht bekommen hatten.

      Am nächsten Morgen wurde Théra schon früh wach. Sie merkte, dass ein Teil der Pferde weggebracht wurde.

      Dann wurden auch die Frauen wach. Sie wuschen sich und legten festliche Gewänder an. Manche weiss, manche schwarz. Verziert mit den Symbolen des Herrschers. Auch Théra und Clara erhielten solche Gewänder.

      Von den Mädchen im Harem wussten sie, dass es mehrere Rennen gibt. Hengste, Stuten, gemischte Rennen, Dreijährige und Vier- bis Fünfjährige. Sie würden früh beginnen, diese Rennen, denn die Mittagshitze war unerträglich. Dann würde Siesta gehalten. Es würde Tee getrunken, geplaudert und ein wenig geschlafen. In den Abendstunden würde das Rennen weitergehen. Es würde insgesamt drei Tage dauern und dann in ein gemeinsames Fest übergehen.

       11.

      Die Geländewagen standen bereit, um die hochrangigen Gäste über die Sandberge zu fahren, dort wo der Parcours abgesteckt war.

      Auch dort gab es Zelte und Sonnensegel. Sie waren entlang des Parcours aufgebaut, so dass man einen guten Blick auf das Geschehen hatte. Es gab einen Rundkurs und es würde zum Schluss einen mörderischen Ritt hinaus in die Wüste geben, bei dem es galt, verschiedene am Weg aufgestellte Trophäen einzusammel, sich abzujagen und dennoch als erster durchs Ziel zu reiten.

      Théra erfuhr, dass es in diesem Jahr bei diesem letzten Rennen einen wahrhaft königlichen Preis zu gewinnen gab. Der Herrscher des Jemen, unten im Süden der Sinai Halbinsel, hatte eine Tochter, von der man sich wahre Wunderdinge erzählte. Sie war schön wie eine Rose, sie war sanft wie der Morgenwind, sie bewegte sich wie... nun ja. Sie musste das schönste Mädchen auf dem Globus sein, wenn man den Erzählungen Glauben schenkte. Die Mitgift war gewaltig und sie würde nur an den Besten der Besten der Reiter vergeben werden. Sie würden mit allen Tricks und all ihrem Geschick um diesen Vorzug kämpfen. Wehe dem Gewinner, wenn er dieses Geschenk nicht behandeln würde, wie eine Perle. Es ging um die Ehre und das Ansehen ganzer Dynastien. Man erwartete Glück und einen reichen Kindersegen.

       12.

      Die beiden ersten Tage waren spannend. Die Söhne der Emire, der Scheichs und Könige, der hohen Minister und Landesfürsten stritten um die Gunst, der beste Reiter zu sein. Es waren viele. Weil nicht alle dasselbe Alter hatten und nicht alle Pferde derselben Kategorie zuzuordnen waren, gab es viele einzelne Rennen. Es ging nicht um Geldpreise. Es ging um die Ehre. Es gab Wimpel, Ehrenzeichen und teure Geschenke, wie goldene und brillantbesetzte Uhren aus schweizer Fabrikation, schwere goldene Halsketten (die sehr begehrt waren), verzierte Decken, Dolche oder wertvolle Kamele.

      Théra sah, dass sich die Jungs des Emirs hervorragend schlugen. Der neue Reitstil hatte sie feinfühliger und vor allem schneller gemacht. Sie sackten eine Reihe dieser begehrten Preise ein.

      Sie sah Para mitten unter den Pferden. Sie sah ihn mit verschiedenen Kids reden. Nicht alle waren Söhne des Emirs. Er verteilte seine Aufmerksamkeit wie mit einer Gießkanne unter den verschiedenen Königreichen. Er war für alle da und er bevorzugte niemanden.

      Die Frauen durften sich frei bewegen, aber sie mussten das mit Würde und Anstand tun. Sie blieben meist in der Gruppe zusammen und trafen sich mit den Frauen der anderen Herrscher zu einem Erfahrungsaustausch (wie sie das nannten). Théra bekam das nur am Rande mit. Sie spürte, dass sich die Frauen hinter den Rücken ihrer Männer über wichtige Dinge unterhielten. Sie spürte, dass es in jedem dieser Länder zwei Reiche gab. Das Reich der Männer und das Reich der Frauen.

      Sie hatte auch bemerkt, wie die Frauen nachts das Zelt verließen, um zu ihren Männern zu schlüpfen.

      Die Männer blieben unter sich. Sie führten Männergespräche. Théra hätte sich schon in ein Insekt verwandeln müssen, um zu hören, was die Männer miteinander redeten. Es mussten sehr wichtige Dinge sein. Dieses Fest war mehr, als nur ein Reiterfest. Es war ein Gipfeltreffen der mächtigsten Männer und Frauen der arabischen Welt. Hier wurde die Politik von morgen gemacht.

      Am ersten Abend wurde Théra von ihrer Freundin Leyla angestupst. „Sieh nur, dort reitet Ali, mein Zukünftiger.

      Théra ließ sich das Fernglas geben. Ali war ein schöner Mann. Vielleicht


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