Blackout, Bauchweh und kein' Bock. Timo Nolle

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Blackout, Bauchweh und kein' Bock - Timo Nolle


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dissoziiert, quasi vergessen werden. Die Aufmerksamkeit ist dann fokussiert auf die Erinnerung eigener Misserfolge und aktueller Schwächen und Schwierigkeiten. Dies kann emotional zum Phänomen der Regression führen. Plötzlich fühlt man sich wieder wie ein Kind, hilflos und klein und nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. Gunther Schmidt spricht daher auch von Wahr-gebung, um deutlich zu machen, dass das, was man als Wahrheit bezeichnet, eine aktiv selbst gestaltete Wahrnehmung ist, basierend auf Auswahl- und Bedeutungsgebungsprozessen. Damit soll nicht gesagt werden, dass jeder Mensch selbst schuld an seinem Erleben ist. Gerade in sozialen Gruppen und Beziehungen existieren oft bestimmte kollektive Erlebens- und Erklärungsmuster, die von den einzelnen Personen individuell übernommen werden. Dem Sog einer kollektiven Gedankeninfektion kann man sich oft kaum entziehen. Das gemeinsame Erleben und die Einigung auf eine gemeinsame Erklärung dieses Erlebens stärkt zudem die Zugehörigkeit zu den anderen Mitgliedern der Gruppe. Schlussendlich ist es jedoch ein Prozess, der in der einzelnen Person individuell abläuft und auf den die einzelne Person Einfluss hat.

       1.8Die Kunst der konstruktiven Haltung

      Der Aufbau einer konstruktiven Beziehung zwischen Klient und Berater ist die Grundlage für positive Veränderungen. Von besonderer Bedeutung ist die Einstellung gegenüber Klienten, denn sie ist die Grundlage für die Beziehung, für die gebildeten Hypothesen zu den Problemen der Klienten und für die Auswahl der Interventionen. Für ein Prüfungscoaching ist es entscheidend, wie sehr die Berater in der Lage sind, Ressourcen und Kompetenzen zur persönlichen Entwicklung in den Klienten zu sehen. In einer berühmt gewordenen Studie wurde genau diese Wirkung untersucht: Die Forscher Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson (1971) führten an einer Schule mit den Schülern einen Test durch. Sie teilten Lehrkräften mit, dass mit diesem Test das aktuelle kognitive Leistungsvermögen und die zukünftige Leistungsentwicklung feststellt werde. Die Lehrer erhielten die Information, dass 20 % ihrer Schüler unmittelbar vor einem wichtigen Leistungssprung stehen würden, sie dürften diesen Schülern jedoch nichts von dem Testergebnis mitteilen und sollten sich auch sonst wie üblich verhalten. Diese Information war jedoch nur Fake. Tatsächlich konnte mit dem Test nur der IQ gemessen werden, die 20 % angeblich besonders entwicklungsfähigen Schüler wurden zufällig ausgewählt. Als acht Monate später der Test wiederholt wurde, konnte bei den 20 % zufällig ausgewählten Schülern jedoch eine überdurchschnittlich IQ-Steigerung festgestellt werden.

      Wie kam es dazu?

      Aufgrund der Information, die die Lehrer erhielten, interpretierten sie die Beteiligung der jeweiligen Schüler am Unterricht als Hinweis auf deren versteckte Kompetenz. Sie signalisierten nonverbal ein hohes Interesse an den Unterrichtsbeiträgen und unterstellten ihnen eine hohe Lernfähigkeit. Dadurch verstärkten sie das Lernverhalten dieser Schüler derart, dass diese sich im Vergleich objektiv messbar stärker verbesserten, als die Schüler, denen keine Leistungssteigerung prognostiziert wurde. Zugleich ist anzunehmen, dass diese Kompetenzunterstellung auch von den Schülern übernommen und internalisiert wurde.

      Wenn man in der Beratung die Wahl hat, in seinen Klienten eher mehr oder eher weniger Kompetenz und Veränderungsfähigkeit zu sehen, als sie selbst in sich sehen, dann trägt man mit einer auf die Kompetenzen gerichteten Sicht eher zu einer positiven Progression bei.

       1.9Problem-Erlebensmuster: Kunden, Klagende, Besucher

      Den Begründer der lösungsfokussieren Therapie, Insoo Kim Berg und Steve de Shazer, ist in der Beratung eins der nützlichsten Modelle zur Beziehungsgestaltung mit Klienten zu verdanken: die Beschreibung der Muster Kunde, Klagender und Besucher.

      Diese Begriffe verleiten leider dazu, Menschen zu typisieren, sie in eine Schublade zu stecken und damit festzulegen, dass jemand »so ist«. Auch wenn solche Kategorien anfällig für Missverständnisse sind, bleibe ich bei diesen Begriffen, weil sie sich etabliert haben. Kunde, Klagender und Besucher verstehe ich als spezifische Problem-Erlebensmuster. Um aus der Rolle des Beratenden gut an das Erleben anzudocken, ist es wichtig zu berücksichtigen, wie der Klient seine Wirklichkeit konstruiert und welche Veränderungsmotivation daraus erwächst.

      Kunden im Prüfungscoaching: Menschen im Problem-Erlebensmuster »Kunde« erkennen ein Problem und kommen in der Erklärung und Beschreibung der Problementstehung selbst als handelnde Personen vor. Sie haben Einfluss auf das Problem, sehen diese Einflussmöglichkeiten auch selbst und können zur Veränderung beitragen. Mit Personen, die ein Problem in dieser Weise erleben, kann man unmittelbar arbeiten.

      Beispiel im Prüfungscoaching: Jemand hat eine schlechte Note, weil er nicht genügend gelernt hat. Im Coaching soll es nun darum gehen, für die nächste Prüfung mehr zu lernen.

      Klagende im Prüfungscoaching: Menschen im Problem-Erlebensmuster »Klagende« erkennen zwar ein Problem, halten sich selbst aber nicht für einen wirksamen Teil des Problems und tauchen in der Erklärung und Beschreibung der Problementstehung nicht auf. Das Problem wird durch Bedingungen erzeugt und erhalten, auf die die Klagenden keinen Einfluss haben. Durch diese Perspektive erleben sie sich dem Problem gegenüber hilflos, sie sehen die Verantwortung für das Auftreten des Problems oder für die Lösung bei anderen. Sie wünschen sich, dass der Berater das Problem für sie löst oder sie in der Unlösbarkeit bestätigt.

      Typische Beispiele beim Prüfungs- und Auftrittscoaching sind Klagen über die Lehrpersonen, den Lernstoff oder die schweren Prüfungen.

      Mit Menschen im Klagenden-Muster ist es nicht sinnvoll, direkt über Lösungsmöglichkeiten zu sprechen, weil sie aus ihrer Sicht selbst nichts verändern können. Ein Lösungsvorschlag kommt somit der Unterstellung gleich, an der Situation selbst schuld zu sein. Die Folge ist meist eine Ja-aber-Diskussion.

       Beziehungsaufbau mit »klagenden« Klienten

      •Bestätigung des subjektiven Leids (nicht der Unlösbarkeit und auch nicht der Hilflosigkeit)

      •Würdigung der Bemühungen, das Leid zu ertragen

      •Würdigung der (vergeblichen) Versuche, etwas zu verändern

      •Fragen nach dem erstbesten Wunsch (der ist meist sehr nachvollziehbar, aber leider unerfüllbar)

      •Fragen nach dem zweitbesten Wunsch (der ist zwar nur der zweitbeste, liegt aber dafür eher im Einflussbereich der Person)

      Besucher im Prüfungscoaching: Menschen im Problem-Erlebensmuster »Besucher« sehen selbst kein Problem. Meistens kommen Menschen mit diesem Erlebensmuster nicht von sich aus in die Beratung, sondern werden geschickt.

      Beispiel: Beim Prüfungs- und Auftrittscoaching kommt das Besucher-Muster vor, wenn Eltern ihre Kinder anmelden, weil die Eltern mit den Noten nicht zufrieden sind.

      Wenn der Betreffende subjektiv kein Problem sieht, kann man daran auch nicht arbeiten. Das Dilemma der Kinder besteht dann eher darin, dass ihnen von außen ein Problem eingeredet wird und sie bewertet werden. Nicht selten steht das in Zusammenhang mit einem familiären Beziehungskonflikt. Wenn Kinder von ihren Eltern zum Prüfungscoaching geschickt werden und die Kinder selbst keinen Anlass für das Coaching sehen, sollte man gut überlegen, ob man nicht eher mit den Eltern oder der ganzen Familie arbeiten sollte.

       1.10Phasenmodell

      Da Prüfungs- und Auftrittscoaching oft sehr schnell ablaufen muss, weil z. B. eine wichtige Prüfung unmittelbar bevorsteht, ist ein strukturiertes Vorgehen sinnvoll. Die Aufteilung in drei Phasen (s. Abb. 2) hat sich dafür als sehr hilfreich erwiesen: Erstens lassen sich die Prozesse damit steuern und, soweit möglich, planen, zweitens lässt sich damit gut nachvollziehen, wenn ein Prozess mal nicht funktioniert hat.