Blackout, Bauchweh und kein' Bock. Timo Nolle

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Blackout, Bauchweh und kein' Bock - Timo Nolle


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       Abb. 2: Phasenmodell mit Zuordnung einiger Techniken

       1.10.1Stabilisierung (1. Phase)

      Wenn Klienten innerlich stark mit einer anstehenden Prüfung beschäftigt sind und diese als belastend und ängstigend erleben, kann die Gesprächssituation die innere Beschäftigung zusätzlich anregen. Die körperliche und emotionale Anspannung kann zunehmen (das zeigt sich z. B. durch Weinen). Viele Klienten sind zudem durch Selbstvorwürfe bzgl. früherer Misserfolge in einen Kampf mit sich selbst verstrickt. In einem solchen psycho-physiologischen Zustand ist in der Beratung eine zieldienliche Beschäftigung mit der Prüfung schwierig, weil die Klienten kaum erreichbar sind.

      In der Phase Stabilisierung geht es darum, die innere Erregung zu senken und auch die Selbstbeziehung wieder zu verbessern, damit die Klienten sich selbst nicht mehr als Feind ansehen und aufnahmefähig werden.

       1.10.2Empowerment (2. Phase)

      Nach der Stabilisierung kann man mit der Aktivierung von bisher ausgeblendeten Kompetenzen und Ressourcen, der Vermittlung neuer Techniken, der Entwicklung von Handlungsstrategien und der Reflexion von Vermeidungsverhalten und inneren Blockaden beginnen. Auch die Reflexion von systemischen Zusammenhängen, Beziehungsund Erlebensmustern gehört zum Empowerment. In dieser Phase entsteht Neues: Es werden neue Erklärungen für alte Probleme gefunden oder sogar erfunden und bekannte Ressourcen als neue Stärken wiederbelebt.

       1.10.3Integration (3. Phase)

      In der letzten Phase werden die veränderten Sichtweisen oder die neuen Handlungsoptionen so präpariert, dass sie im Alltag wirksam werden und auch bleiben. Für diese Phase wird in der Praxis oft nicht genügend Zeit und Aufmerksamkeit aufgewendet, weshalb eigentlich gute Veränderungen »im wahren Leben« wieder verloren gehen. Konkrete Ergebnisse aus der Empowerment-Phase (Lerntechniken, Strategien) sollten z. B. so konkret aufgeschrieben werden, dass die Klienten direkt damit weiterarbeiten können. Das Mittel der Wahl zur Integration von emotionalen Veränderungen oder neuen Sichtweisen sind Affirmationen. In Kapitel 1.14 (S. 47) wird das weiter ausgeführt.

       1.11Zwei Arbeitsrichtungen: top-down und bottom-up

      Anlässe für Prüfungscoaching beziehen sich oft auf Bildungskontexte: Schulen, Universitäten und Hochschulen, Ausbildungsstätten, öffentliche und private Institutionen. Entsprechend sind die Prüfungssituationen in der Regel von akademischer Art. Die kognitive Leistungsfähigkeit steht in der Prüfung im Vordergrund. Dies kann dazu verleiten, auch die Beratung überwiegend auf kognitive Aspekte auszurichten und dabei zu übersehen, dass der Mensch aus mehr als nur einem rational denkenden Gehirn besteht. Seit einigen Jahren findet der Körper in Therapie, Beratung und Coaching immer mehr Beachtung. Auch und vielleicht gerade beim Prüfungscoaching sollte der ganze Mensch einbezogen werden. Um die Komplexität der physiologischen Zusammenhänge auf ein brauchbares Maß zu reduzieren, werden dafür zwei Systeme unterschieden, die jeweils anders angeregt werden können (s. Abb. 3).

       Abb. 3: Top-down und bottom-up

      Top-down-Methoden setzen am präfrontalen Kortex an. Das berühmte Diktum »cogito ergo sum« (»Ich denke, also bin ich.«) von Descartes kann als Top-down-Paradigma bezeichnet werden. Dazu gehört auch die Annahme, dass Probleme durch Verstehen verändert werden können.

      Top-down-Methoden in der Beratung arbeiten z. B. auf der Ebene kognitiver Prozesse, der Bedeutungsgebung, der Bewertung und des Verstehens. Typische Top-down-Methoden sind systemische Fragen und Reframing. Sie zielen z. B. auf einen Perspektivenwechsel oder die Veränderung der Bewertung ab. Auch das Erklären von psychischen Zusammenhängen (sog. Psychoedukation) oder die Reflexion von Ereignissen ist top-down.

      Bottom-up-Methoden setzen am Körper an und wirken von dort aus. Der Körper bzw. der körperliche Zustand limitiert in vielerlei Hinsicht die Verhaltens- und Erlebensmöglichkeiten, erzeugt emotionale Zustände und stellt die Voraussetzung für kognitive Leistung und Lernen dar (s. S. 85). Physiologisch betrachtet sind Gefühle mehr eine Körperreaktion als ein psychologischer Prozess. Viele Schwierigkeiten in Lern- und Leistungssituationen hängen mit einem situativ dysfunktionalen körperlichen Zustand zusammen, welcher die kognitiven, kreativen und kommunikativen Möglichkeiten einer Person einschränkt. Bottom-up-Methoden wirken auf der Ebene des Körpers und in sensomotorischen, emotionalen Bereichen des Gehirns. Sie können zur Selbstregulation und für Erkenntnisprozesse genutzt werden. Selbstregulation (z. B. mittels Atemtechniken) dient zur Herstellung von physiologischen Zuständen, die dann wiederum präfrontale Prozesse oder Kommunikation ermöglichen. Wenn Körperreaktionen und Emotionen als Informationsquelle genutzt werden (z. B. mittels dem Ambivalenz- und Blockaden-Check, s. S. 182), lassen sich damit auch komplexe Zusammenhänge rational erfassen.

      In der Praxis ist keine Methode »sortenrein«. Jede Methode wirkt top-down und bottom-up, weil der Mensch eine Einheit aus beidem darstellt. In der Beratung kommt es darauf an zu erkennen, welcher Bereich auf welche Weise angeregt werden kann, und das jeweilige Wirkprinzip vor Augen zu haben, um bewusst und zieldienlich zwischen den Richtungen wechseln zu können, wenn dies sinnvoll erscheint.

       1.12Fragen und Aussagen als Intervention

      Therapeutische Fragen sind eine der wichtigsten Interventionsformen. Systemische Therapie und Beratung ist ohne Fragen gar nicht denkbar.

      Neben dem Fragenstellen hat sich auch das Nachsprechen von Aussagen als sehr wirksam erwiesen. Die Klienten werden aufgefordert, einen Satz nachzusprechen und anschließend zu berichten, welche körperliche und emotionale Wirkung das Aussprechen bei ihnen hatte. Eine Aussage kann sich z. B. richtig und stimmig oder falsch und unpassend anfühlen oder ein anderes Gefühl auslösen. Das Nachsprechen von Aussagen führt im Vergleich zum therapeutischen Fragen jedoch eher ein Schattendasein, obwohl diese Methode viel Potenzial hat.

      Therapeutische Fragen verfolgen das Ziel, neue Gedanken zu ermöglichen, neue Perspektiven einzunehmen, Bewertungen zu verändern, Dinge in einen neuen Rahmen zu stellen usw. Fragen regen also zum Denken an, sie erzeugen eine innere Antwort-Suchbewegung. Denken findet im Gehirn vor allem im Bereich des präfrontalen Kortex statt: Die Frage muss zuerst kognitiv verstanden werden, dann wird die Antwort kognitiv produziert.

      Eine therapeutische Aussage wird auch zuerst gehört, dann aber nachgesprochen, wobei die eigene Stimme in den eigenen Ohren gehört wird.

      Beispiel: »Ich erlaube mir, im Mittelpunkt zu stehen.«

      Eine Aussage ist keine Aufforderung zur Suche nach einer Antwort. Stattdessen kann sich die Aussage generell als stimmig und richtig oder als falsch und dissonant anfühlen. Diese Wahrnehmung läuft im Unterschied zu Fragen überwiegend körperlich ab. Biosignalgeräte (z. B. der Lügendetektor-Test) verwenden ebenfalls diesen Effekt. Wenn Menschen etwas sagen, das nicht ihrer Intention entspricht, kommt es zu messbaren und von den Personen selbst wahrnehmbaren körperlichen Reaktionen.

      Der Unterschied zwischen dem Beantworten von Fragen und dem Nachsprechen von Aussagen liegt darin, dass bei der Verarbeitung von selbstausgesprochenen Aussagen der Körper beteiligt ist und bei Fragen überwiegend der kognitive Teil des Gehirns. Entsprechend ist die Reaktion beim Nachsprechen von Aussagen schneller als


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