Ius Publicum Europaeum. Robert Thomas

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Ius Publicum Europaeum - Robert Thomas


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besteht, wenn auf der Rechtsfolgenseite einer Norm Spielraum für mehr als eine Entscheidungsmöglichkeit eröffnet wird („Kann-Vorschrift“).[264] Auch hier stellt sich wie bei den unbestimmten Rechtsbegriffen die Frage, inwieweit dieser Spielraum gerichtlich überprüft werden kann. § 114 VwGO legt dazu fest, dass soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, das Gericht nachprüft, ob der Verwaltungsakt oder dessen Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Die Verwaltungsgerichte überprüfen bei Ermessensentscheidungen nur einen rechtlichen Rahmen. Die Ermessensfehlerlehre umfasst den Ermessensausfall (Behörde hat Ermessen übersehen), den Ermessensfehlgebrauch (sachfremde Erwägungen oder Gewichtungsfehler) und die Ermessensüberschreitung (Rechtsfolge außerhalb des gesetzlich gesteckten Rahmens).

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      Die Rechts- und Realakte der Verwaltung müssen dementsprechend mit Gesetzesrecht vereinbar sein. Dieses muss freilich seinerseits konform mit höherrangigem Recht sein. Dies dürfen Gerichte auch prüfen. Bestehen aufgrund der Prüfung im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Prüfungsmaßstabes Zweifel, so müssen die Gerichte nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorlegen, das für nachkonstitutionelle Parlamentsgesetze die Verwerfungskompetenz beansprucht. Für vorkonstitutionelle formelle und materielle Gesetze haben allerdings die Verwaltungsgerichte selbst eine Verwerfungskompetenz.

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      Neben dem Gesetzesrecht sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG), sie sind ebenfalls von den Verwaltungsgerichten als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Das Völkervertragsrecht hat innerstaatlich in Deutschland den Rang von Gesetzesrecht (Art. 59 Abs. 2 GG), so dass es ebenfalls als Kontrollmaßstab in Betracht kommt.

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      Der Kontrollumfang beschränkt sich im Grundsatz auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle. Soweit noch das Widerspruchsverfahren (§ 68 VwGO) als vorgeschaltetes verwaltungsinternes Kontrollverfahren stattfindet, kann die Behörde bzw. die Widerspruchsbehörde auch die Zweckmäßigkeit überprüfen.

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b) Entscheidungen

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      Das Verwaltungsprozessrecht macht im Übrigen weitgehend, wenn auch nicht durchgehend, Vorgaben dazu, was möglicher Inhalt einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sein kann. Die Entscheidungen sind insoweit überwiegend gesetzesgeprägt und standardisiert. Je förmlicher das beanstandete Verwaltungshandeln, desto standardisierter die Vorgaben zur gerichtlichen Entscheidung. Entsprechend sind für die Verwaltungsakte betreffenden Klagen die Vorgaben am deutlichsten.

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      Wendet sich der Einzelne mit der Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, so hebt das Verwaltungsgericht diesen auf, soweit er sich als rechtswidrig erweist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ggf. in der Gestalt, die der angegriffene Verwaltungsakt durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat. Ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt bereits vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag die Rückgängigmachung des Vollzugs anordnen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Im Hinblick auf einen bereits erledigten Verwaltungsakt stellt das Verwaltungsgericht auf Antrag die Rechtswidrigkeit fest, wenn der Kläger an dieser Feststellung ein berechtigtes Interesse hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

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      Geht es dem Einzelnen darum, dass die Behörde vermittels Verwaltungsakt tätig wird (Verpflichtungsklage), so bestehen im Kern zwei Möglichkeiten: Das Gericht verpflichtet die Behörde zum Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes bei „Spruchreife“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), d.h. wenn es nur eine Entscheidungsoption gibt. Gibt es mehr als eine mögliche rechtmäßige Entscheidung, darf das Gericht nicht anstelle der Behörde entscheiden. Dann wird die Verwaltung zur Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Soweit es einen Ablehnungsbescheid gab, wird dieser zusammen mit der Verpflichtung auf den begehrten Verwaltungsakt bzw. auf Neubescheidung aufgehoben.

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      Bei der Leistungsklage wird die Verwaltung zu dem begehrten schlichten Handeln oder Unterlassen verurteilt.

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