Wörterbuch zur Sicherheitspolitik. Ernst-Christoph Meier
Читать онлайн книгу.wie Regelungen zum Umgang mit bislang unbekannten Schwachstellen in IT-Systemen, die ggf. auch für Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden von Nutzen sein können (sog. Schwachstellenmanagementprozess – Vulnerability Equities Process – VEP) sowie die Schaffung neuer Aufgaben und Befugnisse für Behörden zur Gefahrenabwehr besonders schwerer und bedeutender Cyber-Angriffe (Aktive Cyber-Abwehr).
Cyber-Verteidigung
(auch: Verteidigungsaspekte der Cyber-Sicherheit)
~ umfasst gem. der Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland 2016 die in der Bundeswehr im Rahmen ihres verfassungsmäßigen Auftrages und dem völkerrechtlichen Rahmen vorhandenen defensiven und offensiven Fähigkeiten zum Wirken im Cyber-Raum, die zur Einsatz- und Operationsführung geeignet und erforderlich sind oder zur Abwehr von (militärischen) Cyber-Angriffen und damit dem Schutz eigener Informationen, IT sowie Waffen- und Wirksysteme dienen. Dazu gehört auch die Nutzung und Mitgestaltung von Strukturen, Prozessen und Meldewesen der Cyber-Abwehr unter verteidigungsrelevanten Aspekten und Situationen.
Die ~politik ist die Wahrung der äußeren Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten auch im Cyber-Raum.
Cyber-War
(dt.: Krieg im Cyber-Raum)
Der nicht einheitlich definierte, umgangssprachliche Begriff ~ umschreibt die Vorstellung von einer Kriegführung, bei der allein mittels gezielter Cyber-Angriffe vergleichbare Zerstörungen und politische Wirkungen eintreten wie bei konventioneller militärischer Kriegführung. Wenngleich eine ausschließliche Konfliktaustragung im Cyber-Raum ein wenig wahrscheinliches Szenario darstellt, können Cyber-Angriffe in Kombination mit konventionellen Mitteln zur Konfliktaustragung eine sehr hohe Bedrohung darstellen, auf die sich Staaten und deren Streitkräfte einstellen müssen. Damit verbunden ist u. a. die seitens der NATO aus Gründen der Abschreckung offengelassene Frage, ab welcher Wirkungsschwelle in einem als ~ geführten Angriff die Beistandsverpflichtung nach Art. 5 Nordatlantikvertrag greift.
D
Deutsch-französische Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Unmittelbar nach dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Nordatlantischen Allianz (NATO) und zur Westeuropäischen Union 1955 begann vor allem zwischen den in Deutschland stationierten französischen Truppen und ersten Einheiten der Bundeswehr die militärische Kooperation. Erster Höhepunkt war die Ausbildung deutscher Soldaten im Herbst 1960 auf den Truppenübungsplätzen Sissonne und Mourmelon in der Champagne.
1963 erfolgte die Aussöhnung mit Frankreich auf der Basis des Elysée-Vertrags. Darin wurde das anspruchsvolle Ziel formuliert, künftig Fragen von Strategie und Taktik, des Personalaustauschs zwischen den Streitkräften und solche der Rüstung miteinander zu erörtern und gemeinsame Konzeptionen zu erarbeiten. Mit dem Austritt Frankreichs aus der militärischen Integration der NATO 1966 ging eine gewisse Stagnation auch der bilateralen sicherheitspolitischen Beziehungen einher, die erst Anfang der 80er-Jahre überwunden werden konnte. Bundeskanzler Helmut Schmidt und Staatspräsident Valéry Giscard-d’Estaing sowie dessen Nachfolger François Mitterrand begannen die bilaterale Zusammenarbeit mit neuen Inhalten zu füllen. Bundeskanzler Kohl und Staatspräsident Mitterrand gründeten am 24. Oktober 1982 den Deutsch-Französischen Ausschuss hoher ziviler und militärischer Verantwortlicher aus den Außen- und Verteidigungsministerien.
Konkretisierung
Zum 25. Jahrestag des Elysée-Vertrages wurde am 22. Januar 1988 der Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat (DFVSR) eingerichtet. Damit erhielt die deutsch-französische Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung eine breite institutionalisierte Grundlage, wie sie mit keinem anderen Land existiert (Zusatzprotokoll zum Elysée-Vertrag).
Laut Zusatzprotokoll wird der Rat von den Staatschefs gebildet und tagt zweimal jährlich. Das aus den Außen- und Verteidigungsministern sowie den Chefs der Streitkräfte bestehende Ratskomitee berät den Rat. Unterhalb dieses Daches sind weitere Arbeitsgruppen zur Vorbereitung tätig, z. B. die Arbeitsgruppe Militärische Zusammenarbeit unter Co-Präsidentschaft der Stellvertretenden Generalstabschefs DEU und FRA sowie eine Reihe von Unterarbeitsgruppen. Ohne Auswirkung auf den Rat wurde in den letzten Jahren die institutionelle Struktur durch Anpassungen in den Arbeitsabläufen weiterentwickelt.
Hauptsächliche Handlungsfelder sind:
•Ausarbeitung gemeinsamer Konzeptionen
•Abstimmung in europäischen Sicherheitsfragen, Rüstungskontrolle und Abrüstung
•Beschlussfassung hinsichtlich gemeinsam aufgestellter Truppenteile, gemeinsamer Übungen, Ausbildungs- und Unterstützungsmaßnahmen
•Verbesserung der Interoperabilität
•Vertiefung der Rüstungszusammenarbeit.
1996 wurde ein gemeinsames Deutsch-Französisches Sicherheits- und Verteidigungskonzept verabschiedet. Auf der Grundlage gemeinsamer Zielsetzungen und einer gemeinsamen Analyse der sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen wurden Ansätze für Strategie und Aufgaben von Streitkräften sowie Leitlinien für die militärische Zusammenarbeit entwickelt. Auch dieses Konzept ist im internationalen Bereich einzigartig. Es wurde allerdings seither nur begrenzt weiterentwickelt. Seine Erkenntnisse flossen ein in die 2003 verabschiedete und mittlerweile durch die EUGS ersetzte Europäische Sicherheitsstrategie.
Ein Höhepunkt in den deutsch-französischen Beziehungen war zweifellos das politisch sichtbare Begehen der Jubiläen 40 Jahre Elysée-Vertrag und 15 Jahre DFVSR in Paris, Versailles und Berlin im Januar 2003. Hier wurden entscheidende Anstöße zur Weiterentwicklung der bilateralen Zusammenarbeit, aber insbesondere der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gegeben.
Mit dem im Januar 2019 abgeschlossenen Vertrag von Aachen wurde eine weitere Blütezeit der deutsch-französischen Beziehungen eingeleitet, die erneut die Einzigartigkeit der deutsch-französischen Beziehungen herausstellt. Mit diesem Vertrag werden die bilateralen Beziehungen auf eine neue Stufe gehoben und an die aktuellen Entwicklungen angepasst, u. a. mit Blick auf die gemeinsamen Bestrebungen zur Intensivierung der Weiterentwicklungen der EU. In Artikel 4 erklären Deutschland und Frankreich, dass ihre Sicherheitsinteressen untrennbar miteinander verbunden sind sowie dass sie einander im Fall eines bewaffneten Angriffs auf ihre Hoheitsgebiete jede in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung leisten, dies schließt militärische Mittel ein. Zudem verpflichten sie sich, ihre Zusammenarbeit der Streitkräfte zu intensivieren sowie den Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat als politisches Steuerungsorgan für die beiderseitigen Verpflichtungen auszurichten.
Die europäische Perspektive
Eine Reihe der GSVP-Entwicklungen beruht auf deutsch-französischen Initiativen bzw. auf Initiativen, an denen Frankreich und Deutschland maßgeblich beteiligt waren. Die Europäische Verteidigungsagentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung basiert auf einer solchen bilateralen Initiative. Der gemeinsame Gedanke wurde erstmals im November 2002 geäußert und fand sich dann wieder in der Erklärung zum Jubiläumsgipfel im Februar 2003. Das Konzept der EU Battlegroups basiert auf einer französisch-britisch-deutschen Initiative aus 2003. Auch die Kernaussagen der gemeinsamen deutsch-französischen Erklärung der Verteidigungsminister vom 10. Dezember 2010 verweisen auf die europapolitische Zielsetzung der bilateralen Zusammenarbeit und die angestrebte Rolle als Impulsgeber der europäischen Integration. Um die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Europas zu stärken, lancierten die Minister eine Reihe von Initiativen, welche die Kooperation und Interoperabilität der deutschen und französischen Streitkräfte ausbauen sollen und sich auch auf den Bereich der Bündelung von militärischen Fähigkeiten und die Aufgabenteilung erstrecken:
•Untersuchung gemeinsamer Ausbildungseinrichtungen;
•Standardisierung von Einsatzgrundsätzen und Einsatzverfahren;
•engere