Wörterbuch zur Sicherheitspolitik. Ernst-Christoph Meier
Читать онлайн книгу.Nachbarland Tschad. Damit hat dieser Konflikt zu einer der größten humanitären Katastrophen weltweit geführt. Eine – auch auf Initiative der Bundesregierung – eingesetzte VN-mandatierte internationale Untersuchungskommission stellte schon 2005 fest, dass die sudanesische Regierung und die mit ihr verbündeten Janjaweed-Milizen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantwortlich sind. Der sudanesischen Befreiungsbewegung und der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit werden ebenfalls Kriegsverbrechen zur Last gelegt. Nachdem der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, Luis Moreno Ocampo, am 14. Juli 2008 noch eine Anklage wegen Völkermordes gegen den amtierenden sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir beantragte, hat der IStGH im März 2009 einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt.
Zur Überwachung der fragilen Waffenstillstands- und Friedensabkommen (von 2004/2006) war seit 2004 zunächst eine Friedensmission der Afrikanischen Union (AU), AMIS, im Einsatz, seit Anfang 2008 eine gemeinsame Friedensmission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union, UNAMID. Nachdem nicht alle Konfliktparteien das maßgeblich von der AU vermittelte Darfur-Friedensabkommen von 2006 unterzeichnet hatten und die Darfur-Rebellen sich weiter aufgespalten haben, werden seit Mai 2011 in einem neuen Ansatz Darfur-Verhandlungen in Doha mit dem Ziel geführt, die beteiligten Hauptkonfliktgruppen in einen Dialogprozess und eine Friedensregelung einzubinden. Mit einer nachhaltigen Verbesserung der Lage in Darfur ist nur dann zu rechnen, wenn eine umfassende politische Lösung für den ~ gefunden wird. Die Initiative, mit einem umfassenden »Nationalen Dialog« den ~ zu befrieden, war bis jetzt noch nicht erfolgreich, da noch nicht alle Oppositionsgruppen eingebunden werden konnten. Der Konflikt hat unverändert starke regionale Auswirkungen mit erheblichem Destabilisierungspotenzial, u. a. mit der Folge einer Ausweitung der Flüchtlingsproblematik auf die Nachbarländer Tschad, Libyen und die Zentralafrikanische Republik.
Dayton-Abkommen
Auf der amerikanischen Air Base von Dayton (Ohio) verhandelte völkerrechtliche Vereinbarung zur Friedensregelung nach dem Krieg in Bosnien-Herzegowina (1992–1995), die am 14. Dezember 1995 als »General Framework Agreement for Peace« in Paris unterzeichnet wurde. Das ~ beinhaltet einen politischen und einen militärischen Teil.
Politischer Teil
Der staatliche Fortbestand Bosnien-Herzegowinas wird in Form einer Föderation garantiert. Die Serben behalten danach 49 Prozent des Staatsgebiets, die muslimisch-kroatische Föderation 51 Prozent. Sarajevo bleibt Hauptstadt. Die Bundesregierung trägt Verantwortung für sämtliche Bereiche der Außenpolitik, des Transportwesens und der Geldpolitik. Die Teilstaaten erhalten dagegen weit reichende Kompetenzen, wie z. B. Vertragsschlüsse mit anderen Staaten oder die Vergabe einer eigenen Staatsangehörigkeit. Darüber hinaus wurden die Anerkennung des Heimatrechts der Flüchtlinge, die Einhaltung der Menschenrechte, die Verpflichtung, Kriegsverbrecher von öffentlichen Funktionen auszuschließen sowie die Verpflichtung, demokratische Wahlen abzuhalten, vereinbart.
Militärischer Teil
Enthält Abmachungen über Rückzug, Entmilitarisierung und Gefangenenaustausch in Bosnien. Es wurde die Stationierung einer ca. 60.000 Mann starken Friedenstruppe (IFOR) unter dem Kommando der NATO vereinbart, die die Umsetzung des ~ überwachen sollte. Balkankonflikt
DCI NATO Defence Capabilities Initiative
Deeskalation
(engl.: deescalation)
1. Verminderung oder Begrenzung von Spannungen, Krisen und Konflikten.
2. In einem bewaffneten Konflikt der Versuch seiner Verlagerung auf eine qualitativ niedrigere Ebene zum Zwecke der Kriegsbeendigung. Eskalation; Krisenbewältigung
De-facto-Flüchtling
Person, die keinen Asylantrag gestellt hat oder deren Asylantrag abgelehnt worden ist, der aber aus humanitären oder politischen Gründen die Rückkehr in ihr Heimatland nicht zumutbar ist, sowie Personen, die ursprünglich aus diesen Gründen Aufnahme gefunden haben und sich immer noch im Bundesgebiet aufhalten.
Defätismus
Zweifel am politischen oder militärischen Erfolg. Der Begriff ist in Frankreich im Ersten Weltkrieg entstanden, der für das Zweifeln am alliierten Sieg gegen Deutschland und für Anhänger eines Verständigungsfriedens geprägt wurde.
DEFRAM
Grundsatzartikel »Deutsch-französische Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik«
Deklaratorische Politik
Politische Erklärung, die aufgrund fehlenden politischen Durchsetzungswillens, unzureichender Mittel oder zu geringer Macht nicht in angewandte Politik umsetzbar ist.
Dekontamination
Maßnahmen zur Entstrahlung, Entseuchung, Entwesung und Entgiftung von Personal und Material. ABC-Waffen; ABC-Abwehr
Delimitation Grenzfestlegung
Demarche
(franz.: démarche)
In den internationalen Beziehungen der diplomatische Einspruch gegenüber einem anderen Staat mit der Absicht, diesen von einem bestimmten Handeln abzubringen oder zu einem bestimmten Tun zu bewegen.
Demarkation Grenzziehung
Demobilmachung
Gesamtheit aller Maßnahmen, die im Rahmen eines Deeskalations-/Disengagementsprozesses nach erfolgreicher Krisenbewältigung oder Beendigung von Kampfhandlungen auf der Grundlage bündnisgemeinsamer und nationaler politischer und militärischer Entscheidungen darauf ausgerichtet sind, den organisatorischen, personellen und materiellen Zustand von Streitkräften vor der Mobilmachung ganz oder in Teilen wiederherzustellen.
Demografischer Wandel
Der ~ gehört zu den globalen Megatrends, der für Deutschland und andere entwickelte Industriestaaten nicht nur gesellschaftliche und soziale, sondern auch sicherheitspolitische Herausforderungen mit sich bringen kann. Die Weltbevölkerung wird bis 2050 um etwa ein Drittel auf 9,1 Mrd. Menschen zunehmen, gleichzeitig wird sie altern, indem das Durchschnittsalter von derzeit 29 auf 38 Jahre ansteigen wird. Der ~ fällt in verschiedenen Staatengruppen und Regionen unterschiedlich aus, die jeweiligen nationalen Herausforderungen stellen sich entsprechend unterschiedlich dar. Der Zusammenhang zwischen Demografie und Sicherheit ist demzufolge erheblich differenzierter und weniger vorhersehbar, als bisweilen in der öffentlichen Diskussion suggeriert wird.
Im globalen Rahmen kann von einer demografischen Dreiteilung ausgegangen werden. In der ersten Gruppe der Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Asiens geht eine umfassende Alterung mit einer zunehmenden Schrumpfung der Bevölkerung einher. Die Bevölkerung Deutschlands wird sich bis 2050 von jetzt 82 Mio. auf 68 bis 74 Mio. verringern, das Durchschnittsalter um sechs Jahre auf 88 (Frauen) bzw. um sieben Jahre auf 84 (Männer) ansteigen. In der zweiten Welt der wirtschaftlich dynamischen Entwicklungs- und Schwellenstaaten in Lateinamerika (z. B. Argentinien, Brasilien), Südasien (z. B. China, Thailand, Vietnam) und im Nahen Osten (z. B. Israel, Libanon) findet sich eine junge Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, die sich allerdings im Übergang zu den demografischen Mustern der westlichen Industriestaaten befinden. In der dritten Gruppe findet sich die große Zahl von wenig entwickelten Staaten mit starker Zunahme der Kinder- und Jugendbevölkerungen, Armut, Perspektivlosigkeit und schlechter Regierungsführung (z. B. Uganda, Kongo, Afghanistan, Jemen, Palästina). Vor allem für diese Staaten wird aufgrund des überproportional großen Bevölkerungsanteils von 15–24-Jährigen (»youth bulges«) von