Die Sterne in uns. Jan Corvin Schneyder

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Die Sterne in uns - Jan Corvin Schneyder


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tausend Crewies dahinter. Wir haben auf der Erde völlige Bewegungsfreiheit, dürften in ziemlich viele Archive und so weiter reinkommen. Mir wurden Autorisationen versprochen. Also sind wir nicht, wie sonst, die Gehetzten mit limitierten Möglichkeiten, sondern wir kommen von oben, um irgendeinen mörderischen, terroristischen Scheiß aufzuspüren und auszuschalten. Und ich will das schnell tun!«

      Noona öffnete den Mund. Ich sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass es etwas Sarkastisches werden würde.

      Ich kam ihr zuvor.

      »Halt die Klappe, Noona! Ihr geht jetzt beide euren Rausch ausschlafen, und ich sehe euch um 20 Uhr ordentlich angezogen, geduscht und nüchtern wieder hier! Oder ihr verzieht euch, verratet mich, die Squadronica und alles, für das wir früher schon unsere Ärsche riskiert haben. Eure Entscheidung!«

      Noona schloss den Mund wieder und zog eine wütende Schnute. Aber sie schwieg!

      Flink dagegen wirkte richtiggehend schuldbewusst.

      Ich hatte jedoch keineswegs die Absicht, ihnen Zeit zum Nachdenken oder für Erwiderungen zu geben.

      »Wegtreten! Wir sehen uns später!«

      Ich drehte den Sessel von ihnen weg und ließ sie auf meinen Rücken starren.

      Ich wünschte wirklich, alle Menschen könnten immerzu nur fröhliche Freunde sein und Spaß haben, aber so läuft es in der Welt nun mal nicht, zumindest nicht durchgehend.

      Oder ich müsste mich aus alledem endgültig verabschieden, aber ich wollte schon noch was beitragen. Ich war jung, verdammt noch mal, keine Seniorin. Und vor diesem dämlichen Tag der Anschläge war doch alles sehr akzeptabel gewesen. Ich wollte meine ruhige irische Westküste mit einem kleinen, unaufgeregten Team zurück. Natürlich ohne solche Jensens, aber mit Jill.

      Ich hörte Noona und Flink brav wegtreten.

      Brav und vor allem wortlos.

       Danke! Ich danke euch!

      Wir würden das durchziehen, Ergebnisse abliefern, und in ein paar Wochen würde ich wieder hier sitzen, meinen Kaffee schlürfen, ein bisschen arbeiten, abends ein gutes Buch lesen und die Welt genießen in all ihrer Ruhe und Genügsamkeit, wenn der Mensch nicht reinballerte.

      Als sich die Tür hinter den beiden schloss und ich wieder allein war, drehte ich den Sessel herum.

      Ich checkte Displays und Protokolle, aktivierte Sperren, Blockaden und Sicherheitslogarithmen.

      Andrews Leiche hatte der Doc abgeholt, während ich geschlafen hatte. Ich entnahm das einem Memo. Ich fand es schade, da ich ihn gern endlich persönlich gesprochen hätte.

      Aber gut, fein, wir haben die Leiche aus dem Haus. Abhaken! Konzentrieren wir uns fortan besser auf die Lebenden.

      Die Arbeit am Puzzle, das ich mit Noona hatte lösen wollen, hatten Flink und sie noch nicht wirklich wieder aufgenommen.

       Eher ein Whisky-Puzzle. Der Schluck muss hierhin, der dorthin. Na toll!

      Ich ging Akten, Aufzeichnungen und alles, was mir einfiel, durch. Es dauerte Stunde um Stunde. Ich trank literweise Kaffee, aber ich genoss es auf eine gewisse Weise. Nichts Schlimmes passierte und mir ging es wieder recht gut soweit. Ich konnte lesen und arbeiten.

      In der Zentrale liefen alle Sicherheitssysteme rund. Ich hatte alles im Blick, nichts ereignete sich draußen oder drinnen. In den Quartieren von Flink und Noona gab es natürlich keine Kameras, aber da nirgendwo eine Bewegung registriert wurde, ging ich davon aus, dass sie tatsächlich brav und ungestört schliefen.

      Ja, ich hatte auch kurz den Gedanken, dass sie vielleicht miteinander schliefen, und dass ich hingehen, es entdecken, dokumentieren und Stan davon berichten könnte, aber das wäre ja sowas von kindisch gewesen!

      Aber für seine eigenen blöden Gedanken kann man doch nichts! Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass die beiden sich nicht anfassen würden. Zwischen ihnen war nie was gewesen. Ende der Geschichte.

      Am späten Nachmittag wurde die Station gerufen.

      Ein Transporter der Squadronica kündigte die Rückführung von Jill Bekker an.

      Wir hatten eine Art Zelle in der Anlage, aber im Grunde plante ich, Jill eine Minute nach Abflug ihrer Lieferanten wieder freizulassen. Sie konnte nicht schuldig sein!

      Der Transporter traf ein, als Noona und Flink noch schliefen. Ich trug einen Searer an der Hüfte, als ich hinausging.

      Das anfliegende Ding war ein fetter Gleiter. Er flog etwa zehn Meter über dem Erdboden, war aber nicht weltraumtauglich. Eher ein Frachter für die Erde.

      Ich musste einige Dokumente unterzeichnen, aber niemand an Bord dieses Dings war von bedeutsamem Rang oder mir sonst irgendwie bekannt. Sie führten lediglich aus, was Commodore Dangler mir zugesagt hatte, wussten aber nicht, was sie da gerade taten. Zumindest schien es so, und es war mir auch ganz recht.

      Nach einigen Minuten voller Formalitäten wurde Jill Bekker eine Rampe hinabgeführt.

      Sie trug Spanglers. Das waren blau leuchtende Handschellen, die Metall und Energiefeld kombinierten und ohne High Tech nicht zu durchbrechen waren. Man hatte Jill die Uniform genommen und sie in etwas Bequemes gesteckt. Zum Glück war es keine Sträflingskleidung, sondern eine luftige Hose und ein einfarbiger, dünner Pulli. So legte man sich eigentlich nach Dienstschluss auf einen Sonnenstuhl.

      Jill strahlte, als sie mich sah. Im strohblonden, lockigen Haar über der Stirn trug sie ihre merkwürdige Brille, diese Mischung aus Piloten- und Schweißerbrille, die sie bei Experimenten aufzusetzen pflegte und auch sonst selten ablegte.

      Ich begrüßte sie sachlich und wartete, bis der fette Gleiter außer Sichtweite war. Dann gab ich den übermittelten Code ein, um die Spanglers zu öffnen.

      IX

      JILL

      Endlich umarmten wir uns.

      Mir war, als wäre mein Zuhause nach Hause gekommen.

      »Hattest du Sorgen, kleine Woodi?«, fragte Jill und strich mir ein Strähnchen aus der Stirn.

      Sie grinste herrlich irre vor Glück. Das stand in strengem Kontrast zur sanften Stimme und dieser zärtlichen Geste.

      »Wir haben hier ein paar Morde, Terrorismus, eine Verschwörung oder sowas, aber das läuft schon«, sagte ich und zwinkerte.

      Natürlich war auch das verrückt und völlig pietätlos, aber Jill war ein schwieriges, großartiges Genie. Normales Verhalten musste in ihrer Gegenwart nicht sein.

      Ich musterte sie einen Moment lang.

      Ihr war offensichtlich während der kurzen Gefangenschaft nichts zugestoßen. Allerdings wäre es auch sehr ungewöhnlich gewesen, hätte es in der Justiz zu dieser Zeit weit verbreitete Missstände gegeben. Es war längst nicht alles perfekt in unserer Gesellschaft, aber seit dem knapp gescheiterten Putsch der Faschisten übte sich das staatliche Gewaltmonopol doch sehr in Zurückhaltung.

      »Ich bin ein freier Vogel?«, fragte sie vergnügt. »Darfst du mich fliegen lassen?«

      »Nein, aber ich tue es trotzdem«, sagte ich.

      Ich wollte gar nicht erst hineingehen, abwarten, einen Kaffee anbieten oder ähnliches.

      Ich wollte gleich an Ort und Stelle Antworten haben.

      »Was war, nachdem Jensen dich niedergeschlagen hat?«

      Ihr Lächeln verschwand, aber sie blieb ein seltsamer Anblick für jemanden, der sie nicht kannte. Sie sah auf ihre Finger, während sie sprach - und sie sprach sehr schnell.

      »Naja, das war ein harter Knockout. Richtig hart. Unnötig gemein. Sah ich nicht kommen. Ich hatte Kopfhörer auf in dem Moment. Gute Musik, da knallt es extrem überraschend. Als ich aufgewacht bin, war Lennox da. Ich hatte ein bisschen Blut am Kopf. Er auch an den Fingern. Naja, er hat


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