Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil. Gustav Schwab

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Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil - Gustav  Schwab


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ihm mit dem

       Pfeil gerade in die Schulter hinein, so daß sein Blut über den Panzer hinabströmte. Pandaros, solches

       sehend, jauchzte und rief hinterwärts zu seinen Genossen: »Drängt euch heran, ihr Trojaner, spornt

       eure Rosse! Ich habe den tapfersten Danaer getroffen! Bald wird er umsinken und ausgewütet

       haben, wenn anders mich Apollo aus Lykien zum Kampfe selbst herbeigerufen hat!« Doch den

       Diomedes hatte das Geschoß nicht tödlich verwundet; er stellte sich vor seinen Streitwagen und rief

       seinem Freund und Wagenlenker Sthenelos zu: »Steige doch vom Wagen, mein Geliebter, und zeuch

       mir den Pfeil aus der Schulter!« Sthenelos sprang eilig herab und tat also: das helle Blut spritzte dabei

       aus den Panzerringen. Da betete Diomedes zu Athene: »Blauäugige Tochter des Zeus! Wenn du je

       schon meinen Vater beschirmt hast, so sei auch mir jetzt gnädig! Lenke meinen Speer auf den Mann,

       der mich verwundet hat und jetzt frohlockt, auf daß er nicht lange mehr das Licht der Sonne

       schaue!« Athene hörte sein Flehen und beseelte ihm Arme und Füße, daß sie leicht wurden wie der

       Leib eines Vogels und er, unbeschwert von seiner Wunde, in die Schlacht zurückeilen konnte. »Geh«,

       sprach sie zu ihm, »ich habe auch die Finsternis von deinen Augen genommen, daß du Sterbliche und

       Götter in der Schlacht unterscheiden kannst; hüte dich darum, wenn ein Unsterblicher auf dich

       zugewandelt kommt, dich mit solchem in einen Kampf einzulassen! Nur Aphrodite, wenn sie dir naht,

       magst du mit deinem Speere verwunden!«

       Nun flog Diomedes in das vorderste Treffen zurück, mit dreifachem Mut und mit Kraft wie ein

       Berglöwe ausgerüstet. Hier hieb er den Astynoos durch einen Streich ins Schultergelenke nieder; dort

       durchbohrte er den Hypeiron mit der Lanze; dann erlegte er zwei Söhne des Eurydamas, dann zwei

       spätgeborne Söhne des Phainops, daß dem Vater nur der Gram zurückblieb; dann warf er zwei Söhne

       des Priamos, den Chromios und Echemmon zugleich aus dem Wagen mit Gewalt und beraubte sie

       der Rüstung, indes die Seinigen den erbeuteten Streitwagen nach den Schiffen abführten.

       Äneas, der tapfere Eidam des Königes Priamos, sah, wie dünn die Reihen der Trojaner unter den

       Streichen und Stößen des Tydiden wurden. Deswegen eilte er durch die stürmenden Geschosse hin,

       bis er den Pandaros traf, den er so anredete: »Sohn Lykaons, wo bleibt dein Bogen und Pfeil, wo dein

       Ruhm, den bisher kein Lykier, kein Trojaner dir streitig machte? Sende doch dem Manne, der den

       Troern so viel Böses tut, noch ein Geschoß zu, wenn er nicht anders ein unsterblicher Gott in

       menschlicher Gestalt ist!« Ihm antwortete Pandaros: »Wenn es nicht ein Gott ist, so ist's der Tydide

       Diomedes, den ich erschossen zu haben glaubte. Ist er es aber, so hat sich ein Unsterblicher seiner

       erbarmt und steht ihm auch jetzt noch zur Seite! Dann bin ich wohl ein unglücklicher Kämpfer! Schon

       gegen zween griechische Heerfürsten sandte ich den Pfeil ab, verwundete beide, ohne sie zu töten,

       und habe sie nur wütender gemacht! Wahrhaftig, zur Unglücksstunde habe ich Köcher und Bogen

       genommen und bin damit vor Troja gezogen! Kehre ich je wieder heim, so soll mir ein Fremdling das

       Haupt abschlagen, wenn ich nicht Bogen und Pfeile mit den Händen zerknicke und diesen nichtigen

       Tand, der mich begleitet hat, ins lodernde Feuer werfe!«

       »Nicht also!« sprach, ihn beruhigend, Äneas. »Besteige vielmehr meinen Streitwagen und lerne die

       Gewandtheit der trojanischen Pferde im Verfolgen und Entfliehen kennen. Verleiht Zeus dem

       Diomedes durchaus die Siegesehre, so werden sie uns sicher nach Troja hineintragen. Ich selbst will

       indessen zu Fuße des Kampfes warten.« Aber Pandaros bat ihn, die Rosse selbst lenken zu wollen, da

       er dieses Werkes nicht kundig sei, schwang sich zu ihm auf den Wagen, und so sprengten sie mit den

       hurtigen Tieren auf den Tydiden zu. Sein Freund Sthenelos sah sie herankommen, rief den Genossen

       an und sprach: »Sieh da, zwei tapfere Männer, die auf dich losstürmen, Pandaros und der Halbgott

       Äneas, Aphroditens Sohn! Diesmal laß uns zu Wagen entfliehen; dein Wüten dürfte dir nichts nützen

       gegen diese!«

       Aber Diomedes blickte finster und erwiderte ihm: »Sage mir nichts von Furcht! Es liegt nicht in

       meiner Art, vor einem Kampfe zurückzubeben oder mich zu schmiegen. Meine Kraft ist noch nicht

       erschöpft; es verdrösse mich, untätig im Wagen stehen zu müssen. Nein, wie ich hier zu Fuße bin, will

       ich ihnen entgegenwandeln. Gelingt es mir, sie beide zu töten, so hemme du unsre Pferde, den Zaum

       am Sesselrand befestigend, und führe mir die Rosse des Äneas als Beute zu den Schiffen!« Indem flog

       die Lanze des Pandaros dem Tydiden entgegen, durchfuhr den Schild und prallte vom Panzer ab.

       »Nicht getroffen, gefehlt!« rief Diomedes dem jauchzenden Trojaner entgegen, und sein die Luft im

       Bogen durchsausender Speer fuhr dem Gegner unter dem Auge in den Kiefer, durch die Zähne und

       Zunge hindurch, daß die Spitze am Unterkinn wieder herauskam. Pandaros stürzte rasselnd vom

       Wagen und zuckte sterbend in der glänzenden Rüstung auf dem Boden. Seine Rosse rannten flüchtig

       auf die Seite; Äneas aber sprang herab und umwandelte den Leichnam wie ein trotziger Löwe, Schild

       und Speer vorstreckend und jeden zu erschlagen bereit, der ihn antasten würde. Jetzt ergriff

       Diomedes einen Feldstein, wie ihn zwei gewöhnliche Männer nicht aufheben konnten. Mit diesem

       traf er den Sohn des Anchises am Hüftgelenk, zermalmte dieses und zerriß ihm die Sehnen, daß der

       Held, die Rechte gegen den Boden stemmend, ins Knie sank und ihm die Sinne vergingen; und er

       wäre gestorben, wenn nicht Aphrodite ihren trauten Sohn mit den Lilienarmen umschlungen, ihn mit

       den Falten ihres silberhellen Gewandes umhüllt und aus der Schlacht getragen hätte. Sthenelos hatte

       inzwischen Wagen und Rosse des Äneas, dem Befehle seines Freundes folgsam, zu den Schiffen

       geführt und war auf dem eigenen Wagen bald wieder an der Seite des Tydiden angekommen. Dieser

       hatte mit seinen von Athene geöffneten Augen die Göttin Aphrodite erkannt, durch das

       Schlachtgetümmel verfolgt und mit ihrer Beute erreicht. Der Held stieß mit der Lanze nach ihr, und

       sein Speer drang durch die ambrosische Haut in die Handwurzel, daß ihr unsterbliches Blut zu rinnen

       begann. Die verwundete Göttin schrie laut auf und ließ den Sohn zur Erde sinken. Dann eilte sie

       ihrem Bruder Ares zu, den sie zur Linken der Schlacht, Wagen und Rosse in Nacht gehüllt, sitzen fand.

       »O Bruder«, rief sie flehend, »schaff mich weg, gib mir die Rosse, daß ich zum Olymp entkomme;

       mich schmerzt meine Wunde; Diomedes, der Sterbliche, hat mich verwundet: er wäre imstande,

       selbst mit unserem Vater Zeus zu kämpfen.« Ares überließ ihr den Wagen, und Aphrodite, auf der

      


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