Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil. Gustav Schwab

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Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil - Gustav  Schwab


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ihr unter schmeichelnden Trostworten vor den Göttervater geleitet, der sie lächelnd empfing und ihr

       entgegenrief: »Drum wurden dir nicht die Werke des Krieges verliehen, mein liebes Töchterchen;

       ordne du Hochzeiten und laß die Schlachten den Kriegsgott besorgen!« Ihre Schwester Pallas und

       Hera aber sahen sie spöttisch von der Seite an und sprachen stichelnd: »Was wird es sein?

       Wahrscheinlich hat die schöne falsche Griechin unsere Schwester nach Troja gelockt, da wird sie

       Helenas Gewand gestreichelt und sich mit einer Spange geritzt haben!«.

       Drunten auf dem Schlachtfeld hatte sich Diomedes auf den liegenden Äneas geworfen und holte

       dreimal aus, ihm den Todesstreich zu versetzen; aber dreimal hielt der zornige Gott Apollo, der nach

       der Schwester Verwundung herbeigeeilt war, ihm den Schild vor; und als jener das viertemal

       anstürmte, drohte er ihm mit schrecklicher Stimme: »Sterblicher, wage nicht, mit den Göttern dich

       zu messen!« Scheu und mit zauderndem Schritt entwich Diomedes. Apollo aber trug den Äneas aus

       dem Schlachtgewühl in seinen Tempel nach Troja, wo Leto, seine Mutter, und Artemis, seine

       Schwester, ihn in ihre Pflege nahmen. Auf dem Boden, wo der Held gelegen, schuf er sein Scheinbild,

       um das sich nun Trojaner und Griechen mit wilden Schlägen und Stößen zankten. Dann ermahnte

       Apollo den Ares, daß er den frechen Tydiden, der die Götter selbst bekämpfe, aus der Schlacht zu

       entfernen strebe. Und der Kriegsgott, in der Gestalt des Thrakiers Akamas, mischte sich im

       Getümmel unter die Söhne des Priamos und schalt sie: »Wie lange gönnet ihr den Griechen das

       Morden, ihr Fürsten? Wollt ihr warten, bis um die Tore eurer Stadt selbst gekämpft wird? Wißt ihr

       nicht, daß Äneas auf dem Boden liegt? Auf und retten wir den edlen Genossen aus der Hand der

       Feinde!« So erregte Ares die Herzen der Trojaner. Sarpedon, der Fürst der Lykier, näherte sich dem

       Hektor und sprach zu ihm: »Hektor, wohin ist dir dein Mut geschwunden? Rühmtest du dich doch

       jüngst, selbst ohne Verbündete, ohne Heeresmacht, mit deinen leiblichen Brüdern und Schwägern

       allein wolltest du Troja schirmen; nun aber sehe ich ihrer keinen in der Schlacht, sie schmiegen sich

       alle wie die Hunde vor dem Löwen, und wir Bundesgenossen allein müssen den Kampf

       aufrechterhalten!« Hektor fühlte den Vorwurf tief im Herzen, er sprang vom Wagen, schwenkte die

       Lanze, durchwandelte ermahnend alle Heldengeschwader und erweckte den tobenden Streit aufs

       neue. Seine Brüder und alle Trojaner kehrten die Stirne dem Feinde wieder zu. Auch den Äneas, mit

       Gesundheit und Kraft erfüllt, sandte Apollo wieder in den Kampf, daß er sich plötzlich unverletzt den

       Seinigen wieder zugesellte. Alle freuten sich, aber keiner nahm sich Zeit, ihn zu fragen; sie stürzten

       nur miteinander in die Schlacht.

       Aber die Danaer, Diomedes, die beiden Ajax und Odysseus an der Spitze, erwarteten ruhig die

       Heranstürmenden wie ein unbewegliches Gewölk; und Agamemnon durcheilte die Heerschar und

       rief: »Jetzt seid Männer, o ihr Freunde, und ehret euch selbst in der Schlacht; denn wo ein Volk sich

       selbst ehrt, da stehen mehr Männer als fallen; aber für den Fliehenden gibt es keinen Ruhm und

       keine Rettung!« So rief er, schickte zuerst den Speer gegen die heranrückenden Trojaner ab und

       streckte den Freund des Äneas, den hochgeehrten Deïkoon, der immer im Vorderkampfe stritt,

       nieder. Aber auch die gewaltige Hand des Äneas tötete zwei der tapfersten Danaer, Krethon und

       Orsilochos, Söhne des Diokles, die zu Pherai im Peloponnes wie zwei freudige Berglöwen zusammen

       aufgewachsen waren. Um die Gefallenen trauerte Menelaos, schwenkte den Speer und warf sich

       rasch in das vorderste Gewühl. Ares selbst spornte sein Herz, denn er hoffte, daß ihn Äneas fällen

       werde. Aber Antilochos, Nestors Sohn, um den Völkerhirten besorgt, stürzte gleichfalls hervor an

       seine Seite, während jene beiden schon voll Kampfgier ihre Lanzen gegeneinander gezückt hatten.

       Als Äneas zwei Helden sich gegenübersah, wich er zurück; Menelaos und Antilochos retteten die

       beiden Leichen aus den Händen der Feinde und übergaben sie den Freunden; sie selbst wandten sich

       dem Vorkampfe wieder zu. Menelaos durchstach den Pylaimenes, Antilochos hieb seinem

       Wagenlenker Mydon das Schwert in die Schläfe, daß er auf den Scheitel gestellt in den Staub stürzte,

       bis ihn seine eigenen Rosse umwarfen, die Antilochos mit der Geißel den Griechen zutrieb.

       Jetzt aber jagte Hektor mit den tapfersten Heerscharen der Trojaner voran, und der Kriegsgott selbst

       wandelte bald vor, bald hinter ihm her. Als Diomedes den Gott kommen sah, stutzte der Held, wie

       ein Wanderer vor einem brausenden Wasserfalle staunt, und rief dem Volke zu: »Staunet nicht über

       die Unerschrockenheit Hektors, ihr Freunde, denn immer geht ein Gott neben ihm her und wehrt das

       Verderben von ihm ab. Darum, wenn wir weichen, so weichen wir den Göttern!« Indessen stürmten

       die Schlachtreihen der Trojaner immer näher heran, und Hektor erschlug zwei tapfere Griechen auf

       einem Streitwagen, den Anchialos und Menesthes. Ajax, der Telamonier, eilte herbei, sie zu rächen;

       er traf mit der Lanze den Amphios, einen Verbündeten der Trojaner, unter dem Gurte, daß er in

       dumpfem Falle zu Boden stürzte; dann stemmte er den Fuß auf den Leichnam und zog die Lanze

       heraus; ein Hagel von Speeren hinderte ihn, den Gefallenen der Rüstung zu berauben.

       Auf einer andern Seite trieb ein böses Verhängnis den Herakliden Tlepolemos auf den Lykier

       Sarpedon zu, dem er schon von weitem zurief. »Was nötigt dich, hier in Angst zu vergehen,

       weibischer Asiate, der du dich fälschlich rühmst, ein Zeussohn zu sein wie mein Vater Herakles! Du

       bist feige, und selbst wenn du ein Tapferer wärest, so solltest du jetzt dem Hades nicht entgehen!«

       »Habe ich mir noch keinen Ruhm erworben«, entgegnete ihm Sarpedon, »so soll dein Tod mir ihn

       verschaffen!« Und nun kreuzten sich die Lanzen beider Helden; der Wurfspieß des Sarpedon traf den

       prahlerischen Gegner gerade in den Hals, daß die Spitze hinten hervordrang und er entseelt zur Erde

       stürzte. Aber auch des Tlepolemos Speer hatte den linken Schenkel Sarpedons bis auf die Knochen

       durchbohrt, und nur sein Vater Zeus hemmte den Tod. Die Freunde führten den Bebenden aus dem

       Kampfe, so hastig, daß keiner bemerkte, wie er die aus dem Schenkel hervorragende Lanze noch

       nachschleppte. Auch die Leiche des Tlepolemos trugen die Griechen aus dem Kampfe zurück.

       Während Odysseus in der führerlosen Schar der Lykier wütete und schon ganz nahe an dem

       flüchtenden Sarpedon war, erfreute diesen der Anblick des herannahenden Hektor, und er rief ihm

       mit schwacher Stimme zu: »Priamos' Sohn, laß mich nicht den Achivern zum Raube daliegen;

       verteidige mich, daß ich mein Leben ruhig in dieser Stadt


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