Demenz in der Lebensmitte. Hanns Sedlmayr

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Demenz in der Lebensmitte - Hanns Sedlmayr


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ihrer Freundin ist sehr stark.

      Fides meldet sich erst nach Silvester per Brief bei mir in Gmund. Den Brief gibt sie erst an Silvester auf. Sie macht das absichtlich, weil sie Silvester im Kreis der Familie von Friedl verbringen will.

      Bei meiner Familie steigt eine lustige Silvesterparty mit vielen Gästen. Einer der Gäste ist Solotänzer im Bayerischen Staatsballett. Manchmal gibt er zur morgendlichen Stunde eine Tanzeinlage. Fides liebt das Ballett. Ich hatte gehofft, sie mit der Party zu beeindrucken und bin enttäuscht, dass ich keinen Anruf von ihr bekam.

      Nachdem sie sich per Brief gemeldet hat, rufe ich sie in Kreuth an. Wir verabreden uns für einen abendlichen Ausflug. Ich bin mit dem DKW unterwegs und hole die Mädchen ab.

      Wir gehen in ein Tanzlokal in Tegernsee. Mein Freund Andi ist mit von der Partie.

      Friedl beansprucht Fides ganz für sich allein. Mich behandelt sie herablassend. Die Mädchen besitzen eine Geheimsprache aus ihrer Internatszeit. Friedl spricht ständig in der Geheimsprache, um mich auszugrenzen. Fides ist zwischen uns hin- und hergerissen.

      Sie isst Wiener Würstchen. Ich nehme ein Würstchen von ihrem Teller und beiße davon ab. Sie verpasst mir daraufhin eine schallende Ohrfeige. Sie ist selber entsetzt über den lauten Knall. Friedl schaut geradezu glücklich aus. Mein Freund Andi, der Fides zum ersten Mal sieht, ist entsetzt.

      Ich bringe zuerst Andi nach Hause, dann Friedl und mache mit Fides noch eine kleine Fahrt. Friedl ist verärgert, als ihre Freundin sitzenbleibt und steigt wütend aus. Fides sieht das wohl als einen Ausgleich für die Ohrfeige. Wir fahren zu einem ungestörten Ort und schmusen lange.

      Die beiden Mädchen schlafen im Zimmer von Friedl in einem Bett. Fides darf das Fenster nicht öffnen. Friedl will den Duft ihrer Freundin konservieren, um auch nach deren Abreise noch ihren Duft zu atmen. Mir erzählt sie, dass es in dem Zimmer abscheulich stinkt, aber Friedl sofort hysterisch wird, wenn sie lüften will.

      Friedl ist am nächsten Tag immer noch verärgert über unseren nächtlichen Ausflug und Fides fährt nach Hause.

      Sie schreibt Friedl einen Brief. Sie schreibt: „Ich mag Dich, aber ich lasse mir von Dir nicht vorschreiben, wen ich treffe.“

      Ein paar Tage später besuchen wir Friedl in ihrem Zimmer in der Occamstraße. Friedl ist übellaunig. Ich erzähle, dass wir vorhaben, über das Wochenende zum Skilaufen zu fahren. Wir bleiben nicht lange.

      Fides erhält einen verzweifelten Brief von Friedl und gibt ihn mir zum Lesen.

      „… Ich bin neben Dir nur ein hässliches Entchen. Du kannst es Dir leisten aufzufallen, denn Du bist jung, sauber und schön, schön vor allem. Du siehst so blühend aus, dass wenn Du lachst, die ganze Stadt lachen müsste. Ich dagegen, bin auf den Hund gekommen, mir geht es dreckig. Du schreibst, Du willst unsere Freundschaft neu entfachen und dann seid Ihr gekommen. Ihr!!!!!. Du bist gemein. Ich empfand die Maxsache (Anmerkung: Max das bin ich) als einen Vertrauensbruch und ich habe mich danach nicht mehr gerührt. Ich habe mich nie in Deine Angelegenheiten eingemischt. Ich habe lediglich gesagt: „Schlafe mit keinem“. Ich wollte die Sache mit Max nicht, das ist wahr. Außerdem ist es nicht nötig, dass Du mit Max alleine wegfährst. Ich weiß, dass ich falsch lebe. Ich bitte auch niemand mehr, mich gern zu haben. Es geht in sausender Fahrt mit mir bergab. Alles was bleibt ist, dass ich in Deinen Augen ein Schwein bin. Ich bin Tag für Tag zu Hause, male, heule und schreibe. Du musst nicht denken, dass ich jemand brauche. Ich kann genauso gut allein leben. Ohne Dich. Aber es tut weh. Und außerdem hast Du mich gern, sagst Du. Es ist sinnlos zu schreiben. Komisch ist, dass ich nie etwas sagen darf. Du winkst ab. Schreib mir wieder, was Du zu all dem meinst.“

      Wir fahren übers Wochenende nach Sankt Anton und nehmen Quartier in einem Wirtshaus in einem Dorf in der Nähe. Wir bekommen ein großzügiges Zimmer mit Gebirgsblick. Fides pausiert am Samstag und ich gehe alleine Skifahren.

      Als ich zurückkomme, ist sie nicht im Zimmer. Ich sehe sie aber, vom Fenster aus, eine gerade Straße auf den Gasthof zugehen. Es ist schön zu sehen, wie sie langsam näherkommt. Ihr Anblick und die Art, wie sie sich bewegt, lösen in mir wieder das Wohlgefühl aus, nach dem ich süchtig bin.

      Als sie ins Zimmer kommt, bin ich überwältigt von ihrer Nähe. Die Freude, die ich hatte, als ich sie vom Fenster aus beobachtete, steigert sich zu einem heftigen Begehren.

      Ich überrumple sie und werfe sie aufs Bett. Lachend lässt sie meine stürmischen Küsse über sich ergehen, mit denen ich ihre Wangen, ihre Stirn und ihren Mund bedecke. Ihre Haut duftet nach frischer, kühler Luft. Als ich Anstalten mache, sie auszuziehen, entzieht sie sich mir und sagt, sie hätte Hunger.

      Ich habe Mühe, den Vulkan abzustellen, der in mir ausgebrochen ist.

      Wir gehen in die Wirtsstube hinunter und essen eine Kleinigkeit. Ich dränge darauf, ins Zimmer zurückzukehren. Sie geht zuerst ins Bad. Nach einer Ewigkeit kommt sie im Bademantel zurück und schlüpft damit ins Bett. Sie lächelt mich lausbübisch an und ich ziehe langsam, voller Vorfreude und mit klopfendem Herzen, ihre Bettdecke zurück. Zu meiner Verblüffung, hat sie nicht nur den Bademantel an, sondern darunter auch einen BH und einen Strumpfgürtel, der aussieht wie ein Keuschheitsgürtel. Als sie meine Enttäuschung sieht, bricht sie in schallendes Gelächter aus.

      Ich ziehe mir die Bettdecke über den Kopf und fange an, Mitleid heischend zu schnüffeln. Sie lacht noch mehr, kommt aber unter meine Decke und küsst mich zärtlich auf den Mund. Es ist ein mütterlicher Kuss. So küsst eine Mutter ihr Baby.

      Wir blödeln noch eine Weile herum und schlafen bald ein.

      In der Nacht wache ich auf. Sie liegt immer noch in meinem Bett. Sie zog den Bademantel aus, hat aber immer noch den BH und den Keuschheitsgürtel an. Ich lausche selig ihren Atemzügen.

      Am Morgen, sie schläft noch, schleiche ich mich aus dem Zimmer und bestelle für 8 Uhr Frühstück aufs Zimmer. Das ist in diesem Gasthof unüblich und kostet mich einige Überredungskunst und einen Zehner Trinkgeld.

      Als der Kellner das Frühstück bringt, geht sie ins Bad. Wir frühstücken lange im Bett. Ich komme mir richtig weltmännisch vor. Zum Frühstücken zieht sie wieder den Bademantel an. Nach dem Frühstück öffne ich ein bisschen den Bademantel, um einen Blick auf ihren Busen zu erhaschen. Sie schiebt aber meine Hand zur Seite, springt fröhlich aus dem Bett und ruft: „Wir gehen jetzt Skifahren.“

      Etwas zögerlich folge ich ihrem Aufruf.

      In Sankt Anton wählte ich die einfachste Abfahrt. Sie versichert, sie könne einen Stemmbogen fahren.

      Erst gegen Mittag kommen wir an der Bergstation an. Wir essen zu Mittag im Restaurant und sitzen lange in der Sonne. Fides will die Aussicht genießen und verzögert die Abfahrt immer wieder. Endlich geht es los.

      Es zeigt sich, dass sie keinen Stemmbogen kann. Sie fährt geradeaus und wirft sich für jede Kurve auf den Boden. Im Schnee sitzend, wechselt sie die Richtung. Meine Versuche, ihr den Stemmbogen zu zeigen, ignoriert sie. Nach zahllosen, absichtlich herbeigeführten Stürzen kommen wir an einem letzten Absatz an.

      Er endet auf einer ebenen Fläche, direkt vor dem Sessellift, vor dem eine Schlange von Skifahrern ansteht. Zu meiner Überraschung setzt sie zu einer Schussfahrt an. Bevor ich noch Halt rufen kann, saust sie los. An der Stelle, an der der Hang ins Flache übergeht, befindet sich eine kleine Bodenwelle. Mit Grauen sehe ich sie auf diese Bodenwelle zufahren. Sie steht aufrecht, die Knie sind durchgedrückt.

      In der Bodenwelle fällt sie zuerst nach hinten und dann gleich wieder nach vorne, ein Ski rutschen seitlich weg und sie fällt mit dem Gesicht voraus in den Schnee. Durch die Schlange der anstehenden Skifahrer geht ein mitleidiges Raunen. Ihr Gesicht ist voller Schnee. Ihre Beine sind so verwickelt, dass sie alleine nicht mehr aufstehen kann. Ich helfe ihr, die Beine zu entwirren. Damit das gelingt, muss ich erst ihre Bindung lösen. Beim Aufstehen stellt sich heraus, dass ihre Keilhose zerrissen ist und den Blick auf eine durchnässte, weiße, lange Unterhose frei gibt. Ihre Augen sind verweint, nur mit Mühe hält sie ein Schluchzen zurück. Ich schnalle auch ab und übernehme ihre Ski. Sie folgt mir weinend zum Auto.

      Wir fahren bedrückt zurück. Kurz vor München breche ich in ein fröhliches Gelächter aus und


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