Geschichte meines Lebens. George Sand

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Geschichte meines Lebens - George Sand


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Der Gedanke, Dich zu beerben, macht mich schaudern. — Nach Deinem Tode kann ich mich um nichts mehr kümmern, denn für mich giebt es dann nur noch Schmerz und Einsamkeit. Der Himmel behüte mich Pläne zu machen für eine Zeit, die ich nicht vorhersehen mag und an die ich mich selbst in Gedanken nicht gewöhne.“

      Vom 10. Thermidor.

      »... Jetzt reise ich nach Sédan, wo Bonaparte durchkommen wird und wo wir ihm am 18. oder 20. entgegen gehen müssen.“

      Vom 15. Thermidor, aus Charleville (August 1803).

      „Gestern bin ich angekommen und habe Dupont sehr mürrisch und durch mein Fieber sehr wenig gerührt gefunden. Wir erwarten Bonaparte von einem Augenblick zum andern und nichts ist lustiger, als das Treiben, das hier herrscht. Die Soldaten bereiten sich vor auf die große Revue: die Civilbeamten setzen ihre Reden auf; die jungen Bürger equipiren sich und bilden eine Ehrenwache, die Arbeiter bringen überall Verzierungen an und das Volk hat Maulaffen feil. In Sédan haben wir drei Cavalerie-Regimenter und vier halbe Brigaden vereinigt; wir exerzieren mit Feuerwaffen und manövriren in der Ebene. Dies ist aber auch das Einzige, was schön sein wird, alles Uebrige ist kleinlich und ohne Geschmack angeordnet. Die Illumination des ersten Tages wird alles Fett, alle Lichte der Stadt verzehren. Zum Glück für den folgenden Tag ist Mondenschein!

      „Ich werde die Gelegenheit benutzen, um durch Dupont eine Lieutenantsstelle für mich in der Garde erbitten zu lassen. Da er noch nie etwas für mich begehrt hat, wird er sich wohl dazu verstehen. Aber ich mache mir keine Hoffnungen; das Glück in Paris zu leben und Dich mit dorthin zu nehmen, ist ein zu schöner Traum, und ich bin nicht dazu geeignet, in Friedenszeiten etwas zu erlangen. Ich tauge nur dazu, Hiebe auszutheilen und zu empfangen. Bittschriften überreichen und Gunstbezeugungen erhalten ist nicht meine Sache. Dupont schwärmt durchaus nicht für den Gedanken einer Landung in England. Ob aus Laune oder aus Mißtrauen, er hat nicht den Wunsch, sich daran zu betheiligen. Am Tage nach meiner Abreise von Paris habe ich Masséna in Ruel gesehen und er hat mir fast versprochen, daß wir, im Fall der Landung, die Ueberfahrt zusammen machen würden. In Paris bleiben oder in den Krieg ziehen, das ist mein Plan, denn das Leben in den Garnisonen ist mir verhaßt.

      „Ich fürchte, meine gute Mutter, daß Dir diese trockne Witterung Leiden verursacht. Du bist so gütig, daß Du in Deinem Briefe nur von mir sprichst — und nun weiß ich nicht, wie Du Dich befindest.“

      Paris, den 8. Fructidor, Jahr XI.

      „Dupont hatte mir die schönsten Versprechungen gemacht; er hat sie nicht gehalten. Während der acht Tage, die er mit dem ersten Consul verlebt hat, hat er nicht einen Augenblick Zeit gefunden, von mir zu sprechen. Caulaincourt, der Bonaparte nach Sédan begleitete und mir viel Freundschaft bewies, sagte mir bei der Ankunft:, Nun, das ist ja eine herrliche Gelegenheit, sich durch Ihren General vorschlagen zu lassen!“ und bei der Abreise ist er über Dupont's Gleichgültigkeit gegen uns Alle ganz erstaunt gewesen. Dann hat er sich auch über den Wechsel in den Ansichten des ersten Consuls gegen mich ausgesprochen. Nämlich, als er für mich diesen Winter um eine Lieutenantsstelle in der Garde gebeten und mich als den Enkel des Marschalls von Sachsen empfohlen hat, antwortete ihm Bonaparte: „Nichts! nichts da! ich brauche solche Leute nicht!“ — aber es scheint, als würde mir dieser Name jetzt mehr nützen als schaden, weil der erste Consul seine Ansichten schon geändert hat.“

      Moritz, der, wie wir gesehen haben, seiner Stellung im Generalstabe müde war, thut zu Anfang des Jahres XII die ernstlichsten Schritte, um in die Linie zurückzutreten. Dupont bereut, ihn verletzt zu haben und reicht ein Gesuch ein, in welchem er sein Avancement zum Rittmeister bevorwortet. Lacuée unterstützt dies Gesuch. Caulaincourt, der General Berthier, Herr von Ségur, der Schwiegervater August's von Villeneuve, thun Schritte zur Förderung des neuen Unternehmens, das jetzt wirklich ein triftiger Grund für Moritz' verlängerten Aufenthalt in Paris ist. Er schreibt immer fleißig an seine Mutter, aber in seinen Briefen ist so viel Spott gegen gewisse Personen, welche das Metier des Höflings mit einer seltnen Vollendung betreiben, daß ich dieselben nicht mittheilen könnte, ohne viele Menschen zu verletzen — und dies ist nicht meine Absicht.

      Mein Vater erreichte nichts und seine Mutter wünschte in diesem Augenblicke, daß er dem Dienst entsagen möchte. Aber die unerbittliche Stimme der Ehre verbot ihm, sich in einem Augenblicke zurückzuziehen, wo der Krieg, wenn nicht unvermeidlich, so doch möglich war. Aber er verlebte die ersten Monate des Jahres XII (die letzten des Jahres 1803) bei seiner Mutter; und da der Plan einer Landung in England mit jedem Tage ernsthafter wurde, und da man leicht an das glaubt, was man wünscht, so hoffte Moritz England mit zu erobern und in London einzuziehen, wie er in Florenz eingezogen war.

      In den ersten Tagen des Frimaire folgte er Dupont und schrieb, als er Paris verließ, wie gewöhnlich an seine Mutter: daß an Gefahr nicht zu denken wäre, und daß es wahrscheinlich nicht zum Kriege käme. „Ich bitte Dich, ängstige Dich nicht wegen meiner Reise nach der Küste,“ schrieb er; „ich werde wahrscheinlich keine andere Waffe gebrauchen, als das Fernglas.“ So war es in der That und es ist bekannt, warum Napoleon ein Unternehmen aufgeben mußte, welches so viel Geld und so viel Zeit in Anspruch genommen hatte.

      Aus dem Lager von Ostrohow, 30. Frimaire Jahr XII. (Oct. 1803.)

      „Da schreibe ich Dir einmal wieder von einem Meierhofe oder Lehensgute, das ich, in Erwartung des Generals Dupont, für den Generalstab eingerichtet habe. Ostrohow ist ein reizendes Dorf und liegt auf einer Anhöhe, welche Boulogne und das Meer beherrscht. Unser Lager ist auf Römerweise abgesteckt, es ist ein vollkommenes Quadrat. Heute Morgen habe ich eine Skizze davon entworfen, sowie von den andern Divisionen, welche am Meere liegen, und habe das Ganze in einem Briefe dem Seigneur Dupont geschickt. Wir sind hier im Schmutz bis an die Ohren. Hier giebt es weder gute Betten, um auszuruhen, noch gute Feuer, um sich zu trocknen, noch große Sessel, um sich darin zu dehnen, noch eine gute Mutter von übermäßiger Sorgfalt, noch eine feine Kost. Den ganzen Tag umherlaufen, um die Truppen unterzubringen, die ankommen und deren Hütten noch nicht aufgeschlagen sind, sich beschmutzen, sich durchnässen, die Küste im Lauf des Tages hundert Mal hinauf- und hinabsteigen, das ist unsere Arbeit. Es ist das Mißgeschick des Krieges, aber eines Krieges, dem aller Reiz geraubt ist, da wir uns nicht vom Flecke bewegen und nicht einen Schuß abfeuern können, um uns das Warten auf die große Expedition zu erleichtern, von der hier so wenig die Rede ist, als ob sie niemals stattfinden sollte. Aengstige Dich also nicht, liebe Mutter, nichts ist bereit, und es dauert vielleicht noch über ein Jahr, ehe wir uns englische Pferde holen.“

      Vom 7. Pluviose des Jahres XII (Januar 1803). Im Lager von Ostrohow.

      „Es giebt Augenblicke des Glücks, welche alle Leiden auslöschen! Eben habe ich Deinen Brief vom 26. erhalten — Ach, meine liebe Mutter, kaum vermag mein Herz die Gefühle zu fassen, die es durchdringen, meine Augen füllen sich mit Thränen, die mich zu ersticken drohen. Bei jedem Ausdrucke Deiner Liebe oder Deiner Güte muß ich weinen wie ein zehnjähriger Knabe — und ich weiß nicht, ob vor Schmerz oder vor Freude! O, meine gute Mutter, meine vortreffliche Mutter, wie soll ich Dir den Schmerz beschreiben, den mir Dein Kummer, Deine Unzufriedenheit bereitet haben. Ach! Du weißt es wohl, daß die Absicht Dich zu betrüben nie in meiner Seele Raum finden kann, und daß von allen Leiden, die ich zu tragen habe, das Bitterste ist, wenn ich Dir Thränen erpresse. Dein letzter Brief hatte mir das Herz zerrissen, der heutige giebt mir Frieden und Freude wieder. Ich finde darin endlich die Sprache und das Herz meiner Mutter wieder; sie sieht es ein, daß ich kein schlechter Sohn bin, und daß ich nicht verdiente, so viel zu leiden. Ich versöhne mich wieder mit mir selbst; denn wenn Du mir sagst, daß ich schuldig bin, suche ich mich zu überreden, daß Du Recht haben mußt, auch wenn mein Gewissen mir nichts vorwirft. Und ehe ich Dir widerspreche, will ich mich lieber aller Verbrechen schuldig bekennen.

      „Ich weiß nicht, wer Dir gesagt haben mag, daß ich mich in's Meer stürzen wollte. Ich habe diesen Gedanken nie gehabt, denn dadurch würde ich mich gegen Dich zu versündigen


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