Im Schatten der Dämmerung. Marc Lindner

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Im Schatten der Dämmerung - Marc Lindner


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war so absolut und unerwartet, dass Asylma erschrocken ein paar Schritte zurück wisch. Sie sah förmlich, wie jede Faser des kindlosen Vaters belebt wurde. Die Augen bekamen einen neuen Glanz, während seine Willenskraft stärker als je zuvor auflebte. Auch Legarus wusste nicht, wie ihm geschah, als nun ein scheinbar jüngerer Mann in der Blütezeit seines handlungsreichen Lebens vor ihm stand.

      „Kommt, seid meine Gäste. Wir sollten nicht hier draußen zusammen gesehen werden.“ Seine Stimme war selbstbewusster. Seine Augen strahlten eine unbändige Kraft aus, und verrieten den frisch erwachten Tatendrang. Mit einer höflichen Geste bat er die erstaunten Fremden in seine Behausung einzutreten. Er legte eine Eleganz an den Tag, die man ihm aufgrund seines schwerfälligen Körperbaus nicht zugetraut hätte. Im Innern seines Hauses waren die Folgen des kargen Lebens sichtbar. Das einzige Mobiliar bestand aus einem grob gefertigten Tisch, drei Strohstühlen und einem Wandschrank. Sonstige Gegenstände – von einem motten­zerfressenen Teppich abgesehen –, die zur Zierde hätten dienen können, fehlten gänzlich. Den Eigentümer störte die Schlichtheit wenig, und er forderte sie auf, Platz zu nehmen.

      Die beiden Männer unterhielten sich fieberhaft über die dunklen Kräfte, die überall am Werk waren. Masborns Name fiel des Öfteren, da sie ihn als einen der Drahtzieher vermuteten. Überall wurden Streitkräfte ausgebildet und ausgerüstet, während der Rest der Bevölkerung hungern musste.

      „Überall wird es zu einem Aufstand kommen. Wenn ich nur wüsste, wer wem zu Loyalität verpflichtet ist“, rätselte Legarus.

      „Du meinst nicht, dass die Soldaten ihre Städte für sich behalten wollen?“

      „Es macht keinen Sinn. Warum sollte Masborn tatenlos zusehen? Ohnehin ist zu viel Verkehr auf den Straßen.“

      „Aber es gibt keinen Handel mehr. Ich kenne keinen mehr der etwas über hat, das er verkaufen könnte!“

      „Hier nicht, aber andere Städte blühen. Masborns Streitkräfte sind gut ausgerüstet und sie sind oft in Bewegung.“

      „Du meist Masborn plant einen Angriff auf andere Bezirke?“

      „Möglich, warum sonst lässt er sein Gebiet ausbluten. Er zieht alle Ressourcen in sein Militär. Er muss wissen, dass er diesen Zustand nicht mehr lange aufrechthalten kann.“

      „Es wird zum Bürgerkrieg kommen.“ Brontes' Hass auf Masborn saß tief. Er wusste wem er die Schuld an seinem Schicksal geben musste.

      „Überall lodert es.“ Legarus gefiel es nicht, keine Antwort auf all die Rätsel zu finden. Es ergab keinen Sinn.

      „Wir müssen den Aufstand organisieren“, meinte Brontes und erfreute sich an dem Gedanken, es Masborn schließlich doch vergelten zu können.

      „Es wird nichts ändern. Ich bin zu weit gereist. Vielerorts sieht es aus wie hier. Selbst wenn wir hier gewinnen könnten, so würden andere Gebietsherren über uns herfallen, um von deren Problemen abzulenken.“

      „Du hast gesagt, du möchtest zu den Elfen? Glaubst du sie werden uns helfen?“

      „Es ist nicht ihr Krieg, der heraufzieht.“

      „Du denkst, dass es zum Krieg kommt?“

      „So oder so, ja.“

      „Aber warum gehst du zu ihnen, wenn sie nicht helfen werden?“, versuchte Brontes ihn zu verstehen.

      „Ich suche nach Antworten.“

      Asylma blieb während dessen stumm. Der Krieg ging sie nichts an, auch wenn sie wusste, dass ihr Vater anders gedacht hatte. Er wäre für die Sache gestorben und vielleicht war er das auch. Ihr Vater hatte ihr wohl das meiste verschwiegen. Doch sie verstand die Wut, die Brontes gegen die Herrschenden hegte nur zu gut. Auch sie hatte viel an die sinnlose Gewalt in diesem Lande verloren – zu viel. Tief in ihrem Herzen brannte ein Feuer, das dort unaufhaltsam loderte und von dem geschürt wurde, was sie sah, hörte und fühlte.

      „Wir werden Verbündete brauchen. Irgendwo müssen wir anfangen.“

      „Das stimmt. Aber erst brauchen wir Antworten. Verbündete werden wir viele finden. Sieh dir die Städte an. Viele sind ausgewandert und verstecken sich in den Wäldern und den Bergen. Aber bevor wir kämpfen…“

      Plötzlich klopfte es an einer Wand.

      Erschrocken fuhr Brontes auf und ging zur Rückwand seines Hauses. Er schob ein loses Brett beiseite. Legarus und Asylma konnten den Mann dahinter nicht sehen. Aufgeregt flüsterte er mit Brontes. Auf Brontes' Fragen gab er nur abgehackte Antworten und war bald wieder verschwunden.

      „Brandolf weiß, wer du bist. Er hat Truppen ausgesandt, um uns gefangen zu nehmen. Wir haben keine Zeit mehr, wir müssen augenblicklich fliehen.“

      „Wir? Warum musst du auch weg?“ Legarus zögerte nicht und war dabei seine Habseligkeiten aufzugreifen.

      „Sie haben euch beobachtet. Sie wissen, dass ihr bei mir seid.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Er würde mich solange foltern, bis er alles über euch wüsste.“

      Brontes führte sie in Richtung der Stadtmauern. Schnell ließen sie das nun gänzlich verlassene Haus hinter sich und eilten zwischen den verschlungenen Gassen hindurch. Obwohl sie die Hufe des Pferdes mit Tüchern umwickelt hatten, waren die Tritte in der ansonsten stillen Stadt verräterisch laut.

      Im Stadtzentrum kamen sie schnell voran, aber als sie sich der westlichen Grenzmauer näherten, waren die großen Wegkreuz­ungen von wachsamen Soldaten besetzt. Es war kein Vergleich mit zuvor.

      Allein der Ortskenntnis ihres Führers verdankten sie, dass noch keine dieser Truppen sie bemerkt hatte. Er führte sie durch verwinkelte, enge Passagen, in denen die Fassaden die ausge­spülten Pflastersteine bedeckten, anstatt die arg mitgenommenen Häuser vor Regen zu schützen. Es roch nach abgestandener feuchter Luft, modrig und alt.

      Kaum mehr als 200 Schritt und drei Wegkreuzungen von der zu überwindenden Mauer entfernt, geschah das Unvermeidliche. Eine Patrouille bog um eine Ecke und erblickte die unge­wöhnliche Gemeinschaft. Sie waren in der sonst ausgestorbenen Stadt so fehl am Platz wie ein Fisch in der Wüste.

      „Im Namen Brandolfs, ihr seid festgenommen!“ Sie erweckten nicht den Eindruck, als wollten sie lange reden. Kaum ausge­sprochen zogen sie ihre Schwerter blank und stürmten los.

      „Asylma steig auf das Pferd und reite voraus!“, zischte Brontes in einem scharfen Ton. „Hinter dem Dornenstrauch findest du einen Durchschlupf. Warte dahinter auf uns.“ Brontes wandte sich an Legarus. „Komm, wir locken sie hier weg. Dort kommen wir nicht durch.“ Dabei konnte er sich einen ironischen Unterton nicht verkneifen und musste trotz der ungemütlichen Lage grinsen.

      Doch das war leichter gesagt als getan. Die Soldaten waren bedrohlich nah als Asylma das Pferd bestieg und Legarus diesem einen Klaps gab. Ihr Vater hatte ihr immer wieder eingebläut, dass Befehle ohne aufzumucken zu befolgen waren, besonders in einer heiklen Situation wie diesen. Darum ritt sie, ohne zu zögern auf den rettenden Spalt zu. Dort angelangt zwängte sich Asylma hindurch, um auf der anderen Seite das Kommen der Männer abzuwarten.

      Ein heller Pfiff ertönte. Sie hörte wie das Pferd davonlief. Es war Legarus, der sein treues Pferd zu sich rief. Als Naskur seinen Herrn erblickte, sah es diesen von vier Soldaten umringt. Weitere lagen bereits überwältigt auf der sich färbenden Erde, während andere ihren Kameraden, vom Pfiff angelockt, zu Hilfe eilten. Auf dem Weg zu Legarus rannte Naskur zwei überraschte Gegner zu Boden, bevor es abrupt hinter Legarus zum Stehen kam.

      „Brontes steig auf!“ Dieser Tat wie ihm geheißen, während Legarus seine Kontrahenten mit einem derben Hieb seines überlangen Schwertes auf Distanz hielt. Er fasste die hilfreiche Hand und hievte sich blitzschnell auf Naskur.

      Abermals lief der Hengst los. Zwar waren sie fürs erste außer Reichweite der Soldaten, doch durch den Lärm geleitet, strömte jetzt aus jeder erdenklichen Richtung Verstärkung an und machte jeden Versuch durch die ohnehin geschlossenen Tore zu fliehen, schon am Ansatz zunichte.

      Legarus sah keinen


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