Ja, so ist das Leben, eben.. Erik Kejser

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Ja, so ist das Leben, eben. - Erik Kejser


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      Wieder in Wien, bekamen wir einen neuen Mitschüler, einen Iraner. Er sah recht gefährlich aus und begann sofort zu stänkern. Ich war mir nicht ganz sicher, trotzdem nahm ich in meine Arme und drückte ihm die Luft ab. Gegenwehr, wie ein Mädchen, der Kerl war schwul. Wenn er mir zu Nahe kam, sagte ich laut „Hu“ und er fiel vor Schreck fast in Ohnmacht. Vermutlich ist er heute bei den iranischen Revolutionärsgarden Haremswächter.

      Cetin unser Türke war aus anderem Holz geschnitzt, ein Supersportler, wenn wir spaßmässig rauften, nahm er es mit zwei auf. Den Grund erzählte er mir zwei Jahrzehnte später. Seine Eltern hatten ihn mittels „getürkter“ Geburtsurkunde zwei Jahre jünger gemacht, zwecks längerer Kinderbeihilfe. Die ausländischen Sozialschmarotzer waren damals auch schon clever. Doch kein Vergleich mit heute, sein Vater arbeitete hart am Bau und besitzt heute zu Hause ein Hotel. Respekt.

      Fußballmäßig war die Türkei noch im Aufbau. Europacupauslosung: Rapid Wien – Galatasaray Istanbul. Für Cetin und mich, ein Pflichttermin. Wir zwei im Türkensektor, leichtes Erstaunen. Drei zu Null für Rapid, ich nahm es stillschweigend zu Kenntnis, erstens fühlte ich mit meinem Freund, zweitens war ich im Türkensektor.

      Nächstes Jahr, unglaublich: Rapid – Besitkas Istanbul. „Ist viel bessere Mannschaft, wirst schon sehen. Hauptstadt ist aber Ankara nicht Istanbul. Beste Stadt der Welt. Ich bin aus Ankara.“ Ich dachte: “Hat Ankara eigentlich keine Fußballplätze? Außerdem ist Wien die beste Stadt der Welt.“ Trotzdem bekam mein Nationalismus einen kleinen Riss, der sich aber bald schloss, - vier zu null für Rapid. Heute schaut´s anders aus.

      Mit zwölf bekam ich mein erstes Fahrrad. Heiß ersehnt.

      Besser gesagt, ich hätte es bekommen sollen. Das mein Geburtstag im Oktober ist, es langsam Winter wird, der Keller voller Winterholz, dahinter mein Fahrrad, natürlich aus zweiter Hand, sprich von meinem Bruder, alles egal. Eine Woche vor Termin erkundigte meine Mutter sich nach meinen Wünschen. „Natürlich das Fahrrad!“ Meine Mutter dürfte es geahnt haben, verzog nur leicht das Gesicht: “Nein.“ Mein ganzes Leben hatte ich auf diesen wichtigsten Geburtstag in meinem Leben gewartet, dementsprechend entschlossen mein taktisches Vorgehen. „Ich schlichte das ganze Holz ab, nehme das Fahrrad raus und schlichte es wunderschön wieder auf.“(Die Bedeutung dieses Satzes sollte ich zwanzig Jahre später erfahren. Nach zweistündiger Arbeit verließen zuerst bei meiner Marchfeldtante, anschließend nach vierstündiger Arbeit bei meinem Bruder, den Holzstoß die Kräfte.) Alles noch einmal.

      Meine Mutter begann langsam mit den Augen zu rollen.

      Nach einigen weiteren Interventionen hatte ich es geschafft, sie war fuchsteufelswild.

      Am fünfzehnten Oktober war es endlich soweit.

      Auf die lapidare Frage: „Was willst zum Geburtstag?“

      „Natürlich das Fahrrad!“, knallte sie mir eine.

      Mein unvergesslicher Geburtstag, mit dem ich Sie heute noch nerve.

      Eine von drei Watsch’n. “A` gsunde Watsch’n hot no kan gschod!“

      Ich habe einen schweren „seelischen Schaden“ davongetragen.

      Nächstes Frühjahr war es dann soweit. Seltsamerweise war ich noch immer zwölf. Wir beschlossen eine Fahrradtour vom dritten Bezirk nach Strebersdorf(!), zu einem Schotterteich, mit angrenzendem Moorbad zu unternehmen.

      Der Verkehr hielt sich damals noch in Grenzen, das Gefährlichste waren die Straßenbahnschienen, bei denen sich die Autofahrer alle Mühe gaben, dich in eine solche zu drängen.

      Wer nie ein Fahrrad oder Motorrad besaß, der was an Schaß.

      Trotzdem gelangten wir ohne größere Komplikationen an unser Ziel. Ein wunderbarer Schotterteich mit einer Schlammbucht in der man bis zu den Oberschenkeln versank und sich nur mit Mühe befreien konnte. Einen ganzen Tag schwimmen, tauchen, Schlammschlacht, geht ganz schön an die Substanz.

      Um vier Uhr traten wir wieder in die Pedale. Auf der Strebersdorfer Brücke

      Zisch. Aus. Potsch’n. („Plattfuß“). Ich und mein Fahrrad. An Reparatur war nicht zu denken. Also schieben, schätzungsweise zwanzig Kilometer bis zu den heimatlichen Gefilden. Die ersten fünf Kilometer, kein Problem. Heutzutage wäre ich nach fünf Kilometern tot. Die nächsten fünf summte ich fröhlich den neuesten Werbeslogan:“ Hey ist das ein Ding, das hat Drive das hat Swing, bleib im Leben nicht steh’n, lass uns frischwärts geh’n. Coca Cola ist Coke!

      Später dachte ich mir:“ Scheiße, wenn’st das schaffst gehs’t zu den Marines.

      Scheiß Zeit, kein Handy, keine Mami die dich mit dem Zweitwagen einsammelt. Papa hat keine Zeit, der braucht den Porsche geschäftlich.

      Also Zähne zusammenbeißen, ein Indianer kennt keinen Schmerz. Der kannte aber auch kein Fahrrad ohne Luft im Vorderreifen.

      Nach den letzten qualvollen Kilometern schob ich mein Fahrrad bei meinen Fußballspielenden Kumpanen vorbei.

      „Spielst mit?“

      Im Winter geht der Mann von Welt Schi fahren. Eines Tages spazierte ich mit meiner Mutter die Fasangasse entlang und erblickte in der Auslage eines bekannten Sportgeschäftes den Aushang: „Skitagesfahrten, fuffzig Schilling“.

      „Da fahr ich mit.“ Da mir meine Mutter langsam alles zutraute meldete sie mich an. Ich war zehn.

      Nächsten Morgen um sechs Uhr schnappte ich meine Schi und schlenderte, eher schlitterte, unter dem Gewicht der Schi zum Abfahrtstreffpunkt. Ich setzte mich vollkommen cool in den Autobus, wo mich einige Fahrgäste, besonders die weiblichen etwas verwundert musterten. „ Wo ist denn deine Mami?“ „Zuhause.“

      Dann ging’s los. „Will’st Soletti, will’st eine Schokolade?“ Der Beschützerinstinkt war ausgebrochen. Der arme Bua. Mir war es recht, ich futterte was ich bekommen konnte. Es war mir echt rätselhaft, warum sich alle so um mich sorgten. Auf der Piste, vermutlich nach einigen diskreten Hinweisen beschäftigte der Schilehrer (war im Preis inbegriffen, braucht ka Hund), sich großteils mit mir. Nach zwei Stunden als ich die so genannten „Fortgeschrittenen“ langsam ziemlich alt aussehen ließ, gab er endlich Ruhe.

      Mittagessen auf der Hütte. Wieder leichtes Getuschel mit der Hüttenwirtin. „Einmal Frankfurter bitte.“ „Und zu trinken?“ „Brauch‘ ich nicht.“

      Müßig zu sagen das ein Cola automatisch mitgeliefert wurde. Bezahlen, Ha, Ha.

      Nach Kursende freies Fahren. Der Schilehrer schenkte mir alle Liftfreifahrten die er zu Verfügung hatte. Da ich für den Schlepplift noch etwas zu leicht war, schwebte ich meistens ein, zwei Meter über der Piste. Auch kein Problem, oben sprang ich einfach ab. Heimfahrt. Mich wunder es noch heute, dass auf der Fahrt im Dunkeln keine mit mir geschmust hat.

      Heutzutage begegnet man so vielen unfreundlichen Idioten. War früher wirklich alles anders, oder war ich nur kleiner?

      Winterferien in Waldegg, im Siemens Erholungsheim im Piestingtal, sehr idyllisch. Ein altes Jagdschloss für gestresste Mitarbeiter, damals mein Vater. Zehn Kilometer entfernt, die Bluatalm, mit einem urigen Gasthof, wo sich der Herr Papa und seine urigen Arbeitskollegen sich die Obstler in den Hals schütteten. Ich konnte mir damals nicht vorstellen in meinem Leben auch nur einen Schluck von diesem Scheißzeug zu trinken. (Alles ändert sich.)

      Mir wurde es auf jeden Fall zu blöd. Ich beschloss mich auf den Heimweg zu machen. Natürlich bergab, quer durch den nächtlichen Wald, wie es sich für einen richtigen Exzentriker gehört. Juchhe, bis zum Bauch im Pulverschnee! Im Dunkeln hatte ich mich schon immer wohl gefühlt, doch nach einer Stunde kamen mir leichte Bedenken. Stockdunkel, eiskalt, kein noch so kleines Lichtlein zu sehen. Als es auch noch zu schneien begann, dachte ich mir, he Junge du hast noch viel vor im Leben. Auf jeden Fall einmal einen eigenen Sohn. Ich kämpfte wie ein kleiner Sibirischer Berglöwe und natürlich schaffte ich es. Nur drei Kilometer vom Ziel entfernt. Ich musste nur noch die verschneite Bergstraße „hinauflaufen“ und erblickte schon die ersten Lichter.

      Eigentlich


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