Bern ... aus einer anderen Sicht. Peter Baumgartner
Читать онлайн книгу.sein», so die sympathische Stimme auf der anderen Seite des Hörers. «Mein Name ist Philippe Baumann und ich möchte gerne Herrn Habersack spreche. Ich habe von ihm eine E-Mail erhalten und ich soll mich bei ihm melden.» «Bitte warten Sie einen Augenblick, Sie werden sogleich mit ihm verbunden.»
Und in der Tat meldete sich praktisch zeitverzugslos Isidor Habersack. «Ah, guten Tag Herr Baumann, schön, dass Sie uns anrufen. Ich habe Ihren Anruf erhofft. Es ist mir eine Freude, mich mit Ihnen unterhalten zu dürfen.» Ja, ganz so schwülstig hatte sich Philippe das Ganze nun doch nicht vorgestellt, aber eben, man war ja in Deutschland und dort sprach man wohl so – im Ausnahmefall.
«Hören Sie, Herr Baumann, ich habe Ihnen ein Angebot zu unterbreiten. Wir sind gerne bereit, Ihre bisherigen Veröffentlichungen unter dem Titel «0060 – mit der Lizenz zum Altern» … an den Mann oder die Frau zu bringen, und wir können uns gut vorstellen, dass Ihre Geschichten eine bunte Leserschaft anziehen werden. Trotzdem denken wir, dass wir den Titel noch etwas anpassen sollten und die Geschichten noch etwas «knackiger» rüberbringen sollten. Gerne würde ich das Weitere und die Details mit Ihnen hier vor Ort besprechen und ich bitte Sie deshalb, uns in den nächsten Tagen aufzusuchen; selbstverständlich kommen wir für Ihre Auslagen auf. Was halten Sie davon?»
Philippe musste einen kurzen Moment überlegen, sagte dann allerdings zu, und er wollte Herrn Habersack auch noch den genauen Termin seiner Reise mitteilen. Vorweg wollte er das Ganze aber mit Deborah besprechen.
Diese unterstützte ihn voll und ganz, und so kündigte er seinen Besuch im Verlagshaus für den nächsten Donnerstag an. Er wollte mit dem Zug reisen und kurz vor Mittag in Frankfurt sein, um am gleichen Tag wieder nach Bern zurückzukehren. Dies sollte mit den aktuellen Bahnverbindungen möglich sein.
Isidor Habersack war mit dem Vorschlag einverstanden und er teilte Philippe dies auch so mit. Er offerierte ihm sogar, ihn am Bahnhof abzuholen, damit sie gemeinsam noch ein kleines Mittagessen einnehmen könnten. Philippe verdankte das Angebot. Bis Donnerstag waren es nur noch zwei Tage.
In der verbleibenden Zeit wollten Philippe und Deborah Langversäumtes nachholen. Deborah wünschte sich ihr Arbeitszimmer neu einzurichten, und Philippe musste sich seinem Wagen zuwenden, brauchte dieser doch einiges an Aufmerksamkeit, zumal eine weitere Prüfung beim Strassenverkehrsamt bevorstand. Das Bedürfnis von Deborah war relativ schnell befriedigt und endete darin, dass das Pult in ihrem Arbeitszimmer mit demjenigen in Philippes Büro ausgetauscht wurde. Jetzt sah das Ganze für sie schon viel annehmbarer aus, und sie war Philippe dankbar, dass er Hand dafür geboten hatte. Beim Auto war es schon etwas schwieriger. Der Renault war in die Jahre gekommen, und Philippe wusste nicht, ob er in nochmals «durchbringen» würde. Für ein neues Fahrzeug hatten sie allerdings kein Geld. Also versuchte er sein Bestes und besuchte einen ihm bekannten Garagisten. Aber auch der rümpfte die Nase und meinte, dass es ein ‘Vabanquespiel’ sei. Wenn er wolle, versuche er, ihn durchzubringen. Er könne allerdings nichts versprechen. Philippe willigte ein und hoffte gleichzeitig, dass «die Götter» ihm gnädig sein werden.
Der ICE in Richtung Berlin traf pünktlich um 1108 Uhr in Frankfurt (Main) Hauptbahnhof ein, und Philippe wurde tatsächlich von Isidor auf dem Gleis 9 erwartet. Herr Habersack wollte sich zu erkennen geben und er teilte Philippe vorgängig mit, dass er eine grüne Zipfelmütze tragen werde. Auch werde er eine Zeitung unter dem linken Arm tragen. Die Erkennungszeichen waren für Philippe unübersehbar und so fanden sich die beiden sogleich.
Isidor Habersack war ein etwas rundlicher Mann von Mitte vierzig, nicht allzu gross, aber mit freundlichen Gesichtszügen. Er schlug Philippe vor, das Mittagessen in einem nahen gelegenen Restaurant einzunehmen und er schlug ihm hierfür die Gaststätte «Atschel» vor, welche bekannt war für feines Essen. Auch liege der Gasthof in unmittelbarer Nähe zum Verlag, den Philippe im Nachgang zum Mittagessen gerne besichtigen dürfe. Philippe nahm das Angebot dankend an und er konnte sich gut vorstellen, dass die Portionen, welche in der Gaststätte serviert werden, nicht für Kleinesser gedacht waren. Philippe war gespannt. Und tatsächlich! Beide entschieden sich für eine Schweinshaxe mit Sauerkraut und Kartoffelpüree, und die Haxe fand auf dem Teller kaum Platz. Nichtsdestotrotz mundete das Essen vorzüglich, und Philippe staunte ob sich selber, dass er praktisch alles verspeisen mochte. Der gewählte Riesling des Weingutes Dreissigacker in Bechtheim/Rheinhessen passte hervorragend zum Essen, und obschon es sich dabei um einen Weisswein handelte, war er von Isidor richtig gewählt. Die beiden wollten sich fortan mit dem Vornamen ansprechen und Philippe war dies nur recht.
Während des Essens beschrieb Isidor Philippe das Bundesland Hessen mit all seinen Kontrasten und er verschwieg natürlich nicht, dass Johann Wolfgang von Goethe aus Frankfurt stammte, und sein ursprüngliches Wohnhaus heute ein Museum sei.
Alsdann begaben sich die beiden ins Verlagshaus, welches in der Tat nur zwei Querstrassen von der Gaststätte entfernt lag. Das Haus war nicht sonderlich gross, befand sich die Druckerei doch etwas ausserhalb des Zentrums. Philippe lernte verschiedene Angestellte kennen und allesamt waren ihm sympathisch. Er konnte sich gut vorstellen, mit Isidor ins Geschäft zu kommen.
Isidor gab ihm nun seine Vorstellungen bekannt und er rühmte den Schreibstil von Philippe: einfach, aber aussagekräftig und unterhaltsam. So schätze Philippe sein Schreiben selber ein und er war sich bewusst, kein grosser Schriftsteller zu sein. – Einfach die Freude am Schreiben beflügle ihn, und er wolle eigentlich gerne weiterfahren, Ideen habe er noch genug; dies sein Kommentar.
Isidor skizzierte ihm nun seine Vorstellungen. Er habe die Lektoren bereits angewiesen, sich Gedanken zu machen. Auch den Werbetexter habe er beauftragt, Titelvarianten auszuarbeiten und erste Vorschläge seien ihm schon unterbreitet worden. Einer der Titel laute zum Beispiel wie folgt:
Unvorstellbar
… wie schnell selbst ein Polizeichef in Verruf geraten kann
… welche Abgründe sich auch bei einem Politiker auftun können
und
… was die Strafverfolger an ihre Grenzen stossen lässt
Für seine Mitarbeiter sei absolut denkbar, dass die Kurzgeschichten eins bis drei zusammengefasst und in einem Band erscheinen könnten. Auch hielten sie dafür, dass im Anschluss daran in einem zweiten Band das Thema «Unvorstellbar» weitergeführt werden könnte, beispielsweise mit folgenden Untertiteln:
Unvorstellbar
… wer hinter der Pandemie Covid-19 stecken könnte
und
… weshalb der Bundesanwalt in die Enge getrieben wurde
Natürlich seien auch andere Varianten denkbar, und der Vorschlag eines anderen Texters gefalle ihm ebenfalls gut und dieser laute wie folgt:
Dubiose Machenschaften
Die Bücher würden in einer Art Trilogie und Dilogie zusammengefasst und so auf den Markt gebracht. Seine Erfahrung habe ihn einfach gelehrt, dass sich Bücher im Umfang von 200 bis 300 Seiten besser verlaufen liessen als Erzählungen in Kurzform. Viel umfangreicher sollten die Romane dann doch wieder nicht sein, da sie ansonsten nicht gekauft würden.
Was aus seiner Sicht jetzt einfach noch fehle, sei eine «knackige» Einleitung, die den beiden Bände, oder wie das Erscheinen auch immer sein möge, beigelegt werden könnte. Das Thema sollte die Revision der Strafprozessordnung in der Schweiz sein mit all seinen Schattierungen, so wie Philippe es bereits angetönt habe, einfach noch ein wenig ausführlicher.
Philippe hörte seinem Gegenüber aufmerksam zu und er konnte oder wollte Isidor nicht widersprechen. Isidor hatte sich richtig gehend in Fahrt geredet und sein Enthusiasmus war deutlich spürbar. Selber konnte er die Vorschläge nachvollziehen und sie waren für ihn nicht aus dem «Tierbuch».
Isidor ging noch einen Schritt weiter und er offerierte Philippe gar eine «Schreibstube», wo er sich zurückziehen und sich dort voll und ganz der Arbeit zuwenden könnte. Sie hätten vom Verlag zwei Adressen, die sie hoffnungsvollen Schriftstellern unentgeltlich zur Verfügung