WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN. Martin Selle

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WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN - Martin Selle


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erschaffen. Sorgen Sie in diesem Fall dafür, dass sich der Leser am Ende der Story vom Helden, mit dem er leiden musste, lösen kann. Das machen Sie, indem Sie gegen Ende der Geschichte langsam beginnen, das Geschehen aus der Sicht einer anderen Figur zu schildern. Auf diese Weise geben Sie Ihrem Leser die Möglichkeit, zum Helden auf Distanz zu gehen und nicht mit ihm untergehen zu müssen. Letzteres wirkt für den Leser unbefriedigend, denn er kann der ausweglosen Situation des Untergangs nicht entkommen.

       3. Der Gegenspieler

      Der Gegner wird auch Antagonist, Antiheld, Widersacher genannt. Der Gegner des Helden ist jene Figur, die dem Helden in die Quere kommt (griech. anti = gegen). Bei der gegnerischen Kraft muss es sich nicht immer um eine Person handeln. Auch eine Naturgewalt (Orkan, Tsunami, Erdbeben), politische Verhältnisse, gesellschaftliche Spannungen oder ein negativer Wesenszug des Helden können Kräfte sein, die dem Helden das Leben schwer machen. Sie bekommen Ihre Geschichte aber leichter in den Griff, wenn Sie den Gegenspieler personifizieren.

      Stellen Sie Ihrem Helden mehrere Gegner gegenüber, dann müssen Sie von Beginn weg klar darstellen, wer der Hauptgegenspieler ist, ansonsten reagiert der Leser verwirrt. Der Hauptgegner sollte bis zum Schluss der Geschichte, bis zur großen Entscheidung, im Spiel bleiben. Fehlt der Gegner im entscheidenden ›Schlusskampf‹, ist der Leser unbefriedigt. Wir erwarten nichts mehr, als dass der Bösewicht am Ende auch seine verdiente Strafe erhält. Auch bei der Entwicklung des Gegenspielers müssen Sie sich als Schriftsteller fragen:

       a) Wer ist der Gegner des Helden?

       b) Welches Ziel verfolgt er (in der Regel ein gegenteiliges zum Helden)?

       c) Was ist seine Motivation (emotional und materiell)?

      Sowohl beim Helden als auch beim Gegenspieler sollte die Motivation, der Grund, weshalb sie ihre Ziele erreichen müssen, gefühlsmäßig begründet sein.

      Machen Sie sich zudem bewusst, dass der Held nur so stark ist wie sein Gegenspieler. Diese beiden Figuren puschen sich gegenseitig zu Höchstleistungen auf. Schildern Sie beide Figuren immer als menschliche, lebendige Wesen. Zeigen Sie also auch deren Gefühle, Hoffnungen, Ängste und Verletzlichkeit. Tun Sie das nicht, erschaffen Sie unrealistische Engel und Teufel. - Personen, mit denen sich der Leser schwer identifizieren kann.

       4. Der Charakter

      Mit Charakter bezeichnen wir einen Menschen samt seinen einzigartigen Eigenschaften, die ihn unverwechselbar machen (griech. character, urspr. ›das Eingeprägte‹, dann ›Eigenart, Gepräge‹). Dies trifft natürlich auch auf Tiere und Gegenstände zu (zum Beispiel in der Fabel). Verstehen Sie Charakter als eine Einheit von Figur und deren Charakterzügen. Es ist die Gesamtheit von Körperlichkeit und Seele, die die Wesensart einer Figur ausmacht.

      Der Leser beurteilt den Charakter einer Figur ausschließlich aufgrund ihrer Taten, Handlungen. Eine Figur ist, was sie tut, nicht, was sie sagt! Tut eine Figur etwas anderes, als sie sagt, dann hält sich der Leser immer an das, was getan wird. Zu Beginn Ihrer Geschichte sind die Figuren mehr oder weniger leblose Namen. Doch je besser wir sie kennenlernen im Verlauf der Geschichte - durch das, was sie tun -, desto mehr verwandeln Sie die bloßen Figuren für den Leser in einzigartige, unverwechselbare Originale.

       Insider-Tipp: Fragen Sie sich immer: Habe ich meine Figur so einzigartig gezeichnet, dass der Leser sie in einer Gruppe von 20 Personen sofort eindeutig erkennen würde? So sollte es sein. Welche Techniken die Profis anwenden, um das zu erreichen, das zeige ich Ihnen gleich.

       5. Die Nebenfigur

      Die Nebenfiguren erfüllen bestimmte Eigenschaften:

       Sie veranschaulichen die Rolle des Helden und seine Bedeutung.

       Sie vermitteln das Thema der Geschichte.

       Sie treiben die Geschichte voran, indem sie den Helden zum Handeln motivieren.

      Haben Sie zum Beispiel eine Figur, die durch ihre Arbeit charakterisiert wird – angenommen, einen Kellner –, dann müssen Sie um diesen Kellner herum Figuren erfinden, die helfen, ihn als Kellner darzustellen. Das könnten Besucher in seinem Restaurant sein. Um eine liebende Mutter zu zeigen, müssen Sie die Mutterfigur mit Kindern umgeben. Ein berühmter Dirigent hat Musiker und ein Orchester um sich.

       Aus: Martin Selle, DARK NIGHT, Thriller

       »Warum muss es ausgerechnet die Dark Night sein?«, fragte Doreen Perry. »Am gewöhnlichen Camp teilzunehmen reicht doch auch.«

       »Nein, Mam«, sagte Ron. »Ich hab es satt, im Internat der Feigling zu sein. Hab ich die Dark Night in der Tasche, ist das ein für alle Mal vorbei.«

       »Also ich hab kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache«, seufzte Doreen Perry. »Die Legende -«

       »Ist doch nur eine erfundene Schauergeschichte«, unterbrach John sie. …

       … »Ron«, sagte seine Mutter in besorgtem Flüsterton. »Ron hör mir zu.«

       Er wandte sich ab und tat so, als band er seinen Rucksack wieder zu.

       »Es ist noch nicht zu spät. Du kannst wieder ins Auto steigen und mit uns zurückfahren.«

       »Nein, Mam, das kann ich nicht«, erwiderte er. »Dann haben sie ihren Hosenscheißer.«

       Rons Mutter gab nicht auf. In dem ängstlichen Flüsterton, den er so hasste, redete sie weiter auf ihn ein. »Deine Freunde würden das verstehen, das weiß ich. Sie würden sicher –«

       »Ich habe keine Freunde, Mam! Deshalb bin ich hier!« Ron sah, wie seine Mutter zusammenzuckte. »Du weißt doch, wie die sind.«

       Doreen Perry seufzte. Ihr Unbehagen stieg. »Du änderst deine Meinung also nicht?«

       Ron schwang sich den Rucksack auf den Rücken. …

      In dieser Szene erleben wir Doreen Perry als besorgte Mutter, gleichzeitig drängt ihre Sorge Ron zum Handeln. Ihr Sohn, die Hauptfigur entscheidet letztlich. Doreen, die Nebenfigur, vermittelt das Thema der Geschichte. Es geht um Mut statt Feigheit, um Rons Drang nach Selbstvertrauen und Anerkennung. Ohne Doreen könnte das in dieser Szene nicht ausgedrückt werden.

       Insider-Tipp: Um zu vermeiden, dass Sie der Geschichte Figuren hinzufügen, die Sie nicht benötigen, stellen Sie sich folgende Frage: Wen, außer meinem Helden und seinem Gegenspieler, benötige ich, um die Geschichte zu erzählen? Auf diese Weise vermeiden Sie es, Ihre Geschichte mit Personen zu überladen und so unübersichtlich zu machen. Die Geschichte entscheidet, wie viele Nebenfiguren Sie benötigen. Manche Nebenfiguren benötigen Sie jedoch, sonst wird der Charakter Ihres Helden nicht sichtbar. Diese Nebenfiguren tauchen meist im Alltag des Helden auf (der Kellner im Restaurant, der Automechaniker in der Werkstatt).

      Nebenfiguren versetzen Sie als Autor in die Lage, das Thema darzulegen, ohne redselig zu wirken. Themen, die Nebenfiguren vermitteln könnten, sind: Angst, Ruhm, Liebe, Unterdrückung, Macht, Reichtum, Erfolg, Tyrannei. Es gibt unzählige Bedürfnisse, die Sie durch Nebenfiguren ausdrücken können. Zum Beispiel in einem Dialog. Nebenfiguren brauchen Erkennungszeichen, die es dem Leser ermöglichen, sich leicht an sie zu erinnern. Nebenfiguren tragen Namen und werden nur ›leicht‹ charakterisiert im Vergleich zu den Hauptfiguren. Da reicht eine körperliche Auffälligkeit, ein kleiner typischer Wesenszug (Doreens Ängstlichkeit als Mutter) oder ein auffälliges Kleidungsstück, eine Sprecheigentümlichkeit oder ein Tick wie Augenzwinkern. Seien Sie konkret, aber ziehen Sie nichts an den Haaren herbei.

       6. Die Symbolfigur

      Von einer Symbolfigur sprechen wir, wenn diese eine einzige Eigenschaft darstellt beziehungsweise verkörpert:


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