WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN. Martin Selle
Читать онлайн книгу.überzogenen Preis! Hier kommen Sie sicher nie wieder her. Indem Sie die wahren Gedanken einer Figur mitteilen, können Sie dem Leser zeigen, wer diese Person tatsächlich ist, was sie wirklich denkt und worin ihre vorrangige Absicht besteht – welches Ziel sie in Wahrheit verfolgt.
Merken wir uns:
Statten Sie Ihren Helden und den Gegenspieler mit starken, deutlich unterschiedlichen, gegensätzlichen Zielen aus. Das Ziel charakterisiert Figuren enorm nachhaltig, macht sie einzigartig und leicht unterscheidbar.
Meister-Technik 2: Emotionen, Gefühle, Beständigkeit
Statten Sie Ihren Helden mit einer beständigen (ständig vorhandenen) Grundemotion aus. Emotionen verstärken die Menschlichkeit einer Figur. Unter Emotion verstehen wir einen seelisch-körperlichen Prozess, indem wir durch Gefühle unsere Reaktion auf Situationen und Wahrnehmungen zum Ausdruck bringen (lat. ex ›heraus‹ und motio ›Erregung, Bewegung‹).
Emotionen sind: Angst, Verzweiflung, Wut, Ärger, Freude, Trauer, Enttäuschung, Mitleid, Sympathie, Neid, Stolz, Verliebtheit.
Gefühle sind Emotionen, die verbinden: Liebe, Freundschaft, Mitgefühl, Verbundenheit, Gemeinschaftsgefühl.
Affekte sind Emotionen, die trennen: Hass, Neid, Geiz, Eifersucht, Schuldgefühl, Minderwertigkeit.
In Experimenten des mimischen Ausdrucks wurde festgestellt, dass fast alle Emotionen, nämlich Freude, Trauer, Furcht, Ärger, Ekel und Überraschung, über die unterschiedlichsten Kulturen hinweg mit jeweils der gleichen Mimik (Gesichtsausdruck) dargestellt werden. Der Ausdruck von Emotionen gehört zum gemeinsamen Erbe aller Menschen. Und diesen Umstand nutzen wir als Schriftsteller, um Figuren zu charakterisieren.
Sie können das auf folgende Weise tun: Verpassen Sie Ihren Figuren eine Hauptemotion, die sie kennzeichnet und von anderen Figuren in Ihrer Geschichte unterscheidet, eine grundlegende Emotion, die für Ihren Helden typisch ist und die ständig auftaucht. Eine solche Kernpersönlichkeit definiert, wer Ihre Figur ist, und sie weckt im Leser die Erwartung darüber, wie sie sich verhält. Weichen Figuren von dieser Kernemotion ab, wirken sie eher unglaubwürdig. Eine beständige, gleich bleibende Grundemotion ist wichtig, denn der Leser möchte nicht, dass Freunde zum Beispiel jedes Mal, wenn man mit ihnen spricht, sich anders geben. Behalten Sie die grundlegende Emotion nach Möglichkeit bei, das gibt Ihren Figuren Beständigkeit und macht sie in sich stimmig. Es wäre unwahrscheinlich, dass eine Person, die ständig Angst hat, plötzlich und ohne verständliche Motivation auf die Idee kommt, einen Fallschirmsprung zu machen – das wäre nicht stimmig und würde den Leser eher verwirren.
In Filmen und Romanen treffen Sie immer wieder auf den hasserfüllten Neider, den sicheren Freund, den sympathischen Romantiker (der vielleicht nur vorgibt, romantisch zu sein), den ängstlichen Waschlappen oder den immer fröhlichen Träumer.
Beachten Sie andererseits, wenn Sie Ihre Figuren mit einer grundlegenden Emotion ausstatten, dass die Figur nicht ausschließlich nach dieser Emotion handelt. Das wäre unwirklich. Selbst der Angsthase hat seine mutigen Momente, und auch der geizige Neider kann durchaus einmal großzügig handeln, was ihn nur menschlicher und stärker werden lässt, wenn ihn das eine Überwindung seiner grundlegenden Emotion kostet.
Figuren ›leben‹, sie sollten emotional so gestrickt sein, dass der Leser sich mit ihnen auch gefühlsmäßig identifizieren kann. Beobachten Sie das emotionale Verhalten von Menschen und lassen Sie Ihre Figuren menschlich sein – auch in Bezug auf Emotionen. Emotionen machen Ihre Figuren ein echtes Stück lebendiger.
Auch hierzu ein Beispiel:
… Wieder schaute er auf die Uhr. Viertel nach neun. Er hätte sie vor einer Dreiviertelstunde in Tunbrige Wells abholen sollen, das auch ohne Stau noch zwanzig Minuten entfernt war.
Terry Miller, ein frisch geschiedener Detective Inspector aus seiner Abteilung, hatte ständig mit seinen Internet-Eroberungen geprahlt und Grace gedrängt, sich ebenfalls auf der Seite registrieren zu lassen. Roy hatte sich geweigert, doch als er plötzlich zweideutige E-Mails bekam, stellte er wutentbrannt fest, dass Terry Miller ihn ohne sein Wissen auf einer Seite namens U-Date angemeldet hatte.
Er konnte sich noch immer nicht erklären, warum er auf eine Mail tatsächlich geantwortet hatte. Einsamkeit? Neugier? Trieb? Er wusste es selbst nicht genau. In den vergangenen acht Jahren hatte er ruhig von Tag zu Tag gelebt. Manchmal versuchte er zu vergessen, dann wieder fühlte er sich schuldig, weil er nicht an sie dachte.
Sandy.
Und nun hatte er plötzlich Gewissensbisse wegen der Verabredung. Sie sah toll aus – jedenfalls auf dem Foto. Ihr Name gefiel ihm auch: Claudine. Klang französisch, irgendwie exotisch. ...
… Rote Rosen, ziemlich kitschig, aber er war nun mal ein unverbesserlicher Romantiker. Die Leute hatten recht, er musste irgendwie weiterleben. Die Verabredungen, die er in den letzten acht Jahren gehabt hatte, konnte er an den Fingern einer Hand abzählen. Er wollte einfach nicht glauben, dass es noch einmal die Richtige für ihn geben, dass eine Frau es je mit Sandy aufnehmen könnte.
Vielleicht würde sich das heute Abend ändern. …
(Peter James, Stirb ewig)
Meister-Technik 3: Merkmale des Körpers
Körperliche Eigenschaften eignen sich ebenfalls, um Figuren zu charakterisieren. Verfallen Sie dabei aber nicht in Klischees! Klischees wären zum Beispiel: die abstehenden Ohren, die Plattnase, das Hinkebein, breite Schultern, knackiger Po. Hierbei handelt es sich um plumpe, oberflächliche Beschreibungen, die jedermann aus dem täglichen Leben kennt und die keinen vom Hocker reißen.
Hüten Sie sich auch vor Verallgemeinerungen und vor banalen Vergleichen. ›Sie lächelte wie ein Filmstar‹ oder ›Terry war eine schlanke, sportliche Frau‹ oder ›Terry tanzte federleicht‹. Das informiert den Leser zwar über die Figur, ruft bei ihm jedoch keine emotionale Reaktion hervor – genau das sollte aber passieren.
Vielleicht so, als veranschaulichendes Beispiel:
Wenn man mit Terry tanzte, hatte man das Gefühl, mit einem feenhaften Wesen über das Parkett zu schweben.
Mit dieser Formulierung weiß der Leser sofort, dass Terry eine schlanke, leichtfüßig sportliche Person ist. Und Sie zeigen das anhand einer Handlung, des Tanzens; das charakterisiert zusätzlich und ist viel wirksamer als eine bloße Beschreibung. Aber zu diesem Thema später noch mehr.
Insider-Tipp: Geben Sie Ihren Figuren körperliche Merkmale, die einen Bezug zur Geschichte haben, die Sie erzählen. Fragen Sie sich immer, welche körperlichen Eigenschaften in Bezug auf Ihre Geschichte die wichtigsten sind. Dann zeichnen Sie diese entsprechend. Charakterisieren Sie einen Detektiv, wird sein Geist wesentlich sein, schildern Sie eine erotische Frau, wird ihr Haar eine wichtige Rolle spielen, und bei einem Gladiator werden Sie seine Statur darstellen spielen müssen. Wie erkennen Sie die körperlich wichtigen Merkmale? Ganz einfach: Stellen Sie sich Ihren Helden in einer typischen Situation vor, die zur Geschichte passt. Zum Beispiel der Gladiator, der sich in der Arena mehreren Löwen gegenübersieht. Und nun stellen Sie sich vor, der Gladiator wäre 1,56 Meter groß und würde gerade mal 65 Kilogramm wiegen. Würde er so für den Leser noch einen tapferen, kräftigen Helden abgeben? Sie sehen, die Körperlichkeit des Gladiators ist in Bezug auf die Geschichte wichtig, demnach von Ihnen zu charakterisieren.
Das könnte zum Beispiel so funktionieren:
Als der Gladiator in die Arena geführt wurde, verstummte das Volk. Die Soldaten an seiner Seite reichten ihm gerade mal bis unter die Arme, den Zenturio hinter ihm sah man praktisch kaum.
Diesem Gladiator trauen wir einen Sieg gegen die wilden Löwen zu.
Bemühen Sie sich ständig, Formulierungen zu finden, die das, was Sie sagen wollen, treffend beschreiben, und die dabei auch der