WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN. Martin Selle

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WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN - Martin Selle


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schleichen, hasten oder schlendern.

      Körperliche Merkmale bieten Ihnen ein nahezu unendliches Gebiet, um eine Figur unterscheidbar, einzigartig und für den Leser merkfähig zu machen. Vor allem das Gesicht bietet Ihnen eine Vielzahl von Möglichkeiten: die stechenden Adleraugen, die kreuzförmige Wangennarbe etwa. Der Mensch besteht aus unendlich vielen Einzelheiten. Jeder Teil eignet sich, um ihm ein einzigartiges Merkmal zu geben.

      Sehen Sie selbst, hier entsteht ein Bild vor unseren Augen:

       … Und das Bild war wirklich heiß! Bernsteinfarbenes Haar; ernstes, glattes Gesicht; enge Bluse, und Brüste, für die man einen Waffenschein gebraucht hätte. Sie saß im Minirock auf einer Bettkante und ließ erahnen, dass sie spitzenbesetzte Strümpfe und womöglich kein Höschen trug. …

      Durch die Beschreibung der äußeren Erscheinung macht sich der Leser eine bildliche Vorstellung von der Figur, und er bekommt ein erstes Gefühl für sie.

      Weiters können Sie als Autor durch die äußeren Erscheinungen der Figur auch innere Gesichtspunkte und Aspekte der Figur darstellen. Zum Beispiel kann das seelische Gebrochensein einer Figur äußerlich durch eine Verunstaltung im Gesicht veranschaulicht werden. Indem Sie die äußere Erscheinung der Figur schildern, stellt sich der Leser weitere Details Ihres Helden vor. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Beobachten Sie Menschen genau und verwenden Sie besondere Details für Ihre Arbeit als Schriftsteller.

       Übung: Stellen Sie sich Ihre Bekannten vor. Durch welche körperlichen Merkmale unterscheiden sie sich voneinander? Merken Sie sich diese Details und prüfen Sie, ob Sie diese für Ihre Arbeit verwenden können.

      Auch die Körperhaltung kann eine Person charakterisieren:

       Er trat vor das Publikum wie ein Konzernchef, der es gewohnt war, große Reden zu halten.

      Nutzen Sie die körpereigenen Haltungen von Menschen, um unverwechselbare Charaktere zu zeichnen. Eine Kleinigkeit reicht, und der Leser erkennt die Figur sofort. Nutzen Sie Ihre Fantasie und das endlos weite Spektrum der menschlichen Erscheinung.

      Meister-Technik 4: Fähigkeiten des Geistes, Talente

      Menschen bestehen nicht nur aus körperlichen Besonderheiten, sondern verfügen auch über geistige (seelische, mentale) Merkmale. Vielleicht verfügt Ihr Held über einen messerscharfen Verstand wie Agatha Christies Detektiv Hercule Poirot. Oder Ihr Held kann Spuren besonders gut lesen, oder er ist ein guter Profiler, er könnte aus einem Skelett Rückschlüsse auf die Todesart eines Menschen ziehen oder er könnte mit Pferden flüstern können. Wie auch immer, egal, was Sie sich an Besonderheiten in mentaler, geistiger Hinsicht einfallen lassen, es charakterisiert Ihre Figur, macht sie einzigartig.

      Auch komödiante Fähigkeiten kennzeichnen Figuren sofort: Begriffsstutzigkeit, Dummheit, Unbedarftheit etwa. Denken Sie an Pierre Richard in ›Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh‹: Die Figur, die Pierre Richard verkörpert, trägt zwei verschiedene Schuhe und läuft mit dem Kopf gegen Glaswände. In fernöstlichen Kulturen finden wir oft Menschen, die andere durch Handauflegen heilen. Das alles sind tolle Möglichkeiten, eine Person unterscheidbar und einzigartig zu machen. Denken Sie nach, seien Sie erfinderisch.

      Meister-Technik 5: Gedanken

      Sie können eine Figur auch dadurch charakterisieren, dass sich andere Personen über den Helden oder der Held über sich selbst Gedanken macht. Diese Gedanken können positiv oder negativ sein, Sympathie oder Ablehnung weckend, vorteilhaft oder nachteilig sein. So könnte ein Gastgeber zum Beispiel zur Heldin sagen:

       »Wie wunderschön, Sie hier zu sehen, Gräfin.«

      In Wirklichkeit denkt er sich aber und flüstert einem Freund auf der Party zu:

       »Wer hat denn diese alte verknitterte Schlampe eingeladen?«

      Ebenso könnten Partygäste den Gastgeber dabei beobachten, wie er seine Gäste schmeichelhaft begrüßt und über alle Maßen lobt. Ein Gast könnte sich sagen:

       »Dieser Schleimscheißer. Vorne herum tut er scheinheilig, und wenn er die Verträge erst einmal unter Dach und F ach hat, denn dreht er ihnen den Gashahn ab.«

      Unser Gastgeber könnte auch zu sich selbst sagen:

       »Das ist deine letzte Party bei mir, Frau Gräfin. Diese Unterschrift ist auch dein Todesurteil.«

      Indem Personen entgegenkommende oder unfreundliche Gedanken mitteilen, charakterisieren Sie Ihre Figuren für den Leser.

      Meister-Technik 6: Erkennungszeichen der Sprache

      Eine passable Technik, Figuren unterscheidbar und merkbar zu machen, besteht darin, Personen typische Redensweisen zu geben und sie so gegeneinander deutlich abzugrenzen. Die besten Mittel zur Unterscheidung der Figuren durch Sprache sind verschiedene Ausdrucksweisen und sprachliche Erkennungszeichen und Redesignale, die der Leser ganz leicht erkennen kann. Hier ein paar Beispiele für diese Technik:

       Wortgewandtheit, Sprachgewalt (Wortschatz), typische Redensarten (»Wenn ich mich nicht irre«, sagt Sam Hawkins in Winnetou ständig.), knappe Formulierungen (kurz angebunden sein), ausschweifende Erklärungen, Grammatikfehler (falsche Artikel), Akzent, Vermischung von Sprachen (»Eine blendende Idee, my love!«, spöttische Äußerungen (»Die spinnen, die Römer!« - Asterix und Obelix), Wörter auslassen, schlampige Aussprache, Fremdwörter verwenden (richtig und falsch), Fachjargon verwenden (hier ist Vorsicht geboten, denn der Fachjargon wirkt schnell aufgeblasen eher vermeiden).

      Achten Sie aber darauf, dass die gewählte Sprache zu Ihrer Figur passt. Ein Automechaniker wird kaum in ausschweifenden hochtrabenden Formulierungen sprechen, in denen es vor Fremdwörtern nur so wimmelt. Eine derartige Sprache ordnet der Leser eher einem Professor zu, es sei denn, Ihr Mechaniker macht nebenbei ein Studium, weil er sich beruflich umorientiert.

      Sie könnten eine Figur dadurch sprachlich charakterisieren, dass Sie einen Helden erschaffen, der in jedem zweiten Satz ›oder nicht‹ und ›wissen Sie‹ sagt. Ihr Held könnte laut oder leise sprechen, mit Akzent, immer ein und dasselbe Wort falsch aussprechen, permanent falsche Artikel verwenden, stottern, einen Dialekt sprechen oder Fremdwörter grundsätzlich falsch einsetzen. Ärzte sprechen anders als Landstreicher, Jugendliche aus der Gosse anders als Jugendliche aus gebildeten Häusern. Es gibt Mundartworte, landschaftlich und zeitlich gebundene Spracheigentümlichkeiten, eine Vulgärsprache, Mischsprachen, Slang, Bildungssprache etc. Auch Modewörter existieren. Ein Mensch kann ständig Hochdeutsch sprechen oder Zitate einbauen. Die Möglichkeiten sind schier unendlich. Hören Sie den Menschen genau ›auf den Mund‹ und Sie werden eine Vielzahl an Möglichkeiten entdecken, um Ihre Figuren durch sprachliche Erkennungszeichen zu charakterisieren.

      Denken Sie nur daran, wie spannend es sein kann, wenn ein Agent von einem Stotterer die entscheidende Information erhält, die Uhr tickt, der Stotternde aber kein Wort herausbringt. Gauner verwenden eine eigene Sprache, Soldaten, ebenso Rechtsanwälte oder Poeten.

      Sprache prägt eine Person sehr deutlich, schnell und unverwechselbar. Verwenden Sie viel Zeit für die sprachliche Gestaltung Ihrer Figuren, denn in einem Roman kommt gerade in der szenischen Darstellung dem Dialog eine bedeutende Rolle zu. Auch dazu später alle Details.

      Ein abschließendes Beispiel, dieselbe Feststellung zweier völlig unterschiedlicher Personen:

       »Lady Holmesby, würden Sie die Annahme mit mir teilen, das Bild, welches sich uns hier bietet, lässt nur einen Schluss zu – nämlich Mord?«

       »Verdammte Scheiße, Nancy. Die haben den Typen umgenietet, was?«

      Meister-Technik 7: Mimik, Gestik, Bewegungen

      Typische Bewegungen, ständige Gestiken und immer wiederkehrende Gesichtsausdrücke (Mimik) sind eine fabelhafte Möglichkeit, Figuren zu charakterisieren.

      Ihre


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