WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN. Martin Selle
Читать онлайн книгу.Symbolische Figuren werden durch einen einzigen Charakterzug definiert. Ein gutes Beispiel ist hier die Götterwelt der Römer und Griechen: Venus, Göttin der Liebe, Hades, Gott der Unterwelt. Mit ›Venus‹ ist alles definiert, was zu Liebe gehört – Sexualität, Erotik, Freude, Leichtigkeit, Sympathie, Zuneigung, Erregung. Eben alles, was mit Liebe zu tun hat.
7. Die nichtmenschlichen Figuren
Nichtmenschliche Figuren kommen nicht nur in Kindergeschichten vor (Lassie, Biene Maja, Bambi, Balu …). Diese Figuren sind einfach Tiere, Roboter, Monster mit menschlichen Eigenschaften. Sie sollen uns meist an Menschen erinnern. Stellen Sie beim Erschaffen von solchen Figuren zuerst die menschlichen Seiten in den Vordergrund (die Biene Maja ist neugierig und unverdorben wie ein Kind).
Im Vergleich zu menschlichen Figuren sind nichtmenschliche in Kategorien einzuordnen. Menschliche Figuren besitzen das Potenzial, sich zu verändern, nichtmenschliche Figuren besitzen unveränderliche Charakterzüge (die Biene Maja wird immer neugierig und unverdorben bleiben, egal, welch schlimme Erfahrungen sie auch macht).
Ihr Leser verbindet mit der nichtmenschlichen Figur ganz bestimmte Eigenschaften. Durch die gedankliche Verbindung von Biene Maja mit den Eigenschaften Neugier und Unverdorbenheit verstärkt sich das Gefühl der Gleichheit zwischen Leser und nichtmenschlicher Figur. Anders gesagt: Hält der Leser sich selbst für neugierig und unverdorben, dann identifiziert er sich mit der Biene Maja, er wird ein ›Fan‹ der Figur. Indem der Leser Eigenschaften gedanklich mit Figuren verbindet (assoziiert), erhalten diese nichtmenschlichen Figuren ihre Persönlichkeit. Die Figur verkörpert bestimmte Gefühle, die im Leser lebendig werden.
8. Die Fantasy-Figur
Zwerge, Zauberer, Riesen, Gnome, Kobolde, Wassermänner, Hexen bevölkern eine fremde, magische und sagenhafte Welt. Solche Figuren verfügen nur über eine begrenzte Anzahl von Eigenschaften. Sie charakterisieren sich meist durch die Technik der Übertreibung von körperlichen Merkmalen, werden so unterscheidbar gemacht. Entweder sind sie riesengroß, blitzschnell oder können zaubern. Andere sind außergewöhnlich stark, listig, böse. Über die meisten Fantasy-Figuren erfährt der Leser nur ein paar Dinge, das Unbekannte regt so seine Fantasie an (in einer Höhle lebt ein Drache, den alle Menschen im Tal fürchten; hoch über den Bergspitzen, in der Wolkenstadt, lebt ein den Menschen unbekanntes Volk - Martin Selle, Kinderbuch ›Der letzte Drachenkrieger‹ ISBN 978-3-7074-1341-0). Indem der Leser nicht alles über die Fantasy-Figur weiß, stellt er sich seine ganz persönliche Figur vor und nicht jene, die Sie ihm als Autor vorgeben. Sie aktivieren die Fantasie des Lesers.
Insider-Tipp: Belassen Sie Ihre Fantasy-Figuren immer in deren magischer Welt. Tauchen plötzlich reale Menschen darin auf, zerstört das die Stimmung dieser märchenhaften Traumwelt, weil reale Menschen den Leser daran erinnern, dass er sich in einer Fantasy-Welt befindet. Da der Leser weiß, dass er sich in der Welt der Sagen, Märchen und Mythen befindet, akzeptiert er Dinge, die er in unserer wirklichen Welt als übertrieben oder unrealistisch ablehnen würde.
Wenn wir also von Figur, Person, Charakter sprechen, so meinen wir damit immer jemanden, der durch sein Handeln die Geschichte vorwärtstreibt. Am stärksten geschieht das natürlich durch den Helden. Es ist keine Hexerei, solche Bestsellerhelden mittels Meister-Techniken der Bestseller-Autoren zu erschaffen.
Zuvor aber noch ein äußerst wichtiger Aspekt: Helden kommen in jeder Geschichte vor, egal ob Sie Ihre Story in Form eines Romans, eines Drehbuchs oder eines Theaterstücks erzählen. Das Entscheidende bei der Sache ist, dass Sie Ihre Figuren, vor allem den Helden und seinen Gegenspieler, so unverwechselbar und einzigartig gestalten, dass der Leser sie sich leicht einprägen kann.
Nun aber genug der trockenen aber nötigen Definitionen. Sehen wir uns an, mit welchen Mitteln Sie es praktisch bewerkstelligen, unsterbliche Figuren zu entwickeln, die der Leser für alle Zeiten in seinem Gedächtnis mit sich herumtragen wird.
Ich betone es noch mal, man kann nicht oft genug darauf hinweisen: Ohne einen Helden, der Ihre Leser vom Hocker haut, ohne eine unverwechselbare, lebendige Hauptfigur werden Sie als Schriftsteller Schiffbruch erleiden. Leser wünschen sich nichts sehnlicher, als so zu sein wie ›ihr‹ Held, dessen Geschichte sie soeben lesen und erleben. Der Leser möchte sich mit Figuren gefühlsmäßig verbünden, an ihrem Schicksal teilnehmen und wissen, was mit ihnen passiert. Das liegt in der Natur von uns Menschen begründet.
Wenn es Ihnen gelingt, einen Helden zu zeichnen, von dem sich der Leser sagt ›So möchte ich auch einmal sein‹, dann haben Sie gewonnen! Es ist wie mit der Liebe: Wir treffen eine uns fremde Person zum ersten Mal, begegnen einem Menschen, von dem wir nichts wissen. Dann erfahren wir mehr und mehr über diese einzigartige Person und – oft wissen wir nicht wirklich, warum – verlieben wir uns in sie. Wir denken Tag und Nacht an diesen Menschen, wollen wissen, was er gerade tut, wo er ist, vermissen ihn. Es ist eine Sache der Gefühle. Ihr Held muss das Herz Ihrer Leser berühren und gewinnen, dann verliebt sich der Leser in ihn und kann das Buch nicht mehr zur Seite legen, ehe er weiß, wie die Geschichte mit ihm ausgeht.
Merken wir uns:
Der Leser möchte am Leben einer Figur intensiv (gefühlsmäßig) teilhaben, sich in den Helden hineinversetzen.
Wie berühren wir als Schriftsteller nun die Gefühle unserer Leser? Die Zauberformel heißt:
Kennenlernen.
Nur wenn wir die handelnden Personen in unserer Geschichte kennen, mit ihnen vertraut sind, wissen, wer sie sind, dringt das Geschehen in einem Roman bis in unser Herz vor und spricht unsere Gefühle an. Das ist auch logisch. Warum sollte es Sie interessieren, wenn einer Person, die Sie überhaupt nicht kennen, etwas Schlimmes zustößt? Gut, ihr ist etwas Schlimmes passiert. Aber das war es dann auch schon. Die Zeitungen sind voll von solchen Geschehnissen. Ihre Gefühle berührt das nicht wirklich tief.
Nichts ist also derart wichtig, um einen Bestseller zu landen, wie ihr Held. Überprüfen wir diese Aussage anhand eines zweiten Experiments mit Ihnen. Lesen Sie sich den folgenden Satz bitte in Ruhe durch und lassen Sie ihn auf sich wirken:
Einer der Reisenden, Michael, kämpft seit dem Unfall ums Überleben.
Wie haben Sie auf den Satz reagiert? Vermutlich mit so etwas Ähnlichem wie ›Na und?‹. Ihre Anteilnahme an Michaels Schicksal hält sich in Grenzen, weil Sie Michael nicht kennen. Wie sieht es aber mit dem gleichen Sachverhalt aus, wenn der Satz so lautet:
Einer der Reisenden, Michael Jackson, kämpft seit dem Unfall ums Überleben.
Bitte verzeihen Sie mir, der King of Pop ist mittlerweile wirklich verstorben, dennoch lasse ich das Beispiel zu Übungszwecken im Text. Michael Jackson, egal, wie man zu seiner Musik und Person steht, war zweifelsfrei ein Mensch, der Millionen Herzen erreicht hat. Mit einem Schlag nehmen Sie an dem Ereignis intensiver Anteil, der Vorfall hat eine Bedeutung bekommen. Warum? Weil jeder, der Michael Jackson kennt, sich ein Bild von der Figur machen kann. Je näher uns eine Person steht, je besser wir sie kennen, umso tiefer nehmen wir an ihrem Schicksal Anteil! Den oben benannten Unfall gab es natürlich nie. Wir haben den Namen nur in unserer Vorstellung ausgeliehen, um zu veranschaulichen. Und zweifelsohne hat der Tod der Popikone in vielen Menschen tiefe Trauer ausgelöst – Anteil an diesem tragischen Schicksal.
Merken wir uns:
Je besser der Leser eine Figur kennt, umso intensiver nimmt er an ihrem Schicksal und somit am Romangeschehen teil.
Es sind immer die handelnden Figuren, die an erster Stelle stehen. Hier einige Beispiele:
Ohne James Bond würde es die Abenteuer von 007 nicht geben.
Stellen Sie sich Richard Wagners Lohengrin ohne die Figur des Gralsritters Lohengrin vor. Unmöglich!
Was wäre Herman Melvilles Moby Dick ohne Kapitän Ahab?
Gäbe es Karl Mays Winnetou ohne die Figur dieses Apachenhäuptlings?
Was wäre