WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN. Martin Selle

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WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN - Martin Selle


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Schriftsteller schlagen im Telefonbuch nach, um Namen zu finden. Das ist eine gute Idee. Achten Sie aber darauf, dass Sie dabei nicht nach dem Zufallsprinzip aussuchen.

      Schauen wir uns weitere Beispiele an:

      In ›Star Wars‹ gibt es die Figur von Luke Skywalker. Sky bedeutet Himmel, im weiteren assoziierten Sinne: Weltraum. Walker heißt zu Deutsch Wanderer, Geher, Reisender. Wir haben also einen Namen, der so viel aussagt wie: Weltraumreisender. Und dieser Name ist mehr als treffend und passt exakt zu dem, was Luke tut – im Weltraum von einem Planeten zum anderen zu flitzen und die dunkle Seite der Macht zu bekämpfen. Stellen Sie sich nun vor, Luke würde Hans-Dieter Hildesheimer heißen? – Unmöglich. Sie verstehen, was ich meine.

       Oder Stephen Kings ›Misery Chastain‹. Dieser Name setzt sich zusammen aus Misery (Elend) und Chase (jagen, verfolgen).

      Oder meine Heldin aus ›Der magische Federkiel‹ July Finn: July wurde im Juli geboren, ein Monat, der in der Geschichte von Bedeutung ist. Finn hat etwas Nautisches an sich, ebenfalls ein Zusammenhang zur Geschichte und zu Julys Fähigkeiten, zwischen Welten hin und her navigieren zu können.

      Die Technik besteht also darin, klangvolle Namen zu finden, die einen Bezug zur Geschichte darstellen und somit die Figur charakterisieren. Peter James nennt seinen Helden Grace. Denken Sie da nicht auch an Grace Kelly? Und Roy hat doch etwas Königliches. Roy Grace ist auch ein wahrhaft königlicher Detective.

      Wie bei allem gilt aber auch hier: Allzu viel wirkt aufgesetzt. Geben Sie acht, dass die von Ihnen ausgewählten Namen nicht zu ›sprechend‹ sind.

      Koseformen von Namen (Rosi, Steffi, Timmy …) suggerieren, dass es sich bei der Figur eher um eine junge Person handelt. Endungen auf ›i‹ oder ›y‹ wirken verniedlichend, machen eine Figur kleiner.

      Bedenken Sie bei der Namensgebung auch immer regionale und soziale Zuordnungen. Arbeiterkinder heißen anders als adelige Nachkommen.

      Ebenso engen Anlehnungen an bekannte Namen deren Bedeutung ein: Napoleon Singer, Gerry Roosevelt, Elena Lenin.

      Wechseln Sie vom Vornamen zum Nachnamen, dann wechselt damit auch die Distanz des Erzählers – ein Nachname wirkt unpersönlicher, weiter weg, weniger freundschaftlich. Und natürlich umgekehrt.

      Unsympathische Figuren sollten Sie nicht mit vertraulichen, freundschaftlichen Abkürzungen benennen. Der Bösewicht wird kaum Billy heißen – eher Bill Thronton.

      ›Dunkle‹ Vokale und Laute (o, u …) eignen sich gut, um den Bösewicht zu bezeichnen. Auch langsame und schwere Sprachrhythmen suggerieren ›Dunkles‹: Rufus Roderich, Darth Vader, Fürst Diabolo (Der magische Federkiel).

      Vorsicht ist auch geboten, wenn Sie einen Namen durch einen ›Stellvertreter‹ ersetzen wie eine Berufsbezeichnung oder einen Titel. Das verwirrt den Leser, auch wenn dieser den Beruf oder den Titel kennt. Führen Sie Ihre Heldin ein als July Finn, dann nennen Sie July nicht plötzlich ›die Studentin‹ oder ›das Mädchen‹.

       Insider-Tipp: Um ein Gefühl für Namen zu entwickeln, schreiben Sie bekannte, bezeichnende Namen aus Romanen und Filmen auf und stellen Sie sich jeweils den Charakter und die Geschichte der Figuren vor. Suchen Sie nach Verbindungen zwischen Namen, Geschichte und Eigenheiten. Sprechen Sie sich dabei die Namen laut vor. So hören Sie Klang und Sprachrhythmus exakt heraus.

      Meister-Technik 11: Schwächen, Unzulänglichkeit

      Dies ist eine der überhaupt wichtigsten Techniken, um Figuren zu erschaffen, die den Leser erreichen. Warum ist das so? Die Beziehung des Lesers zum Helden und zu Figuren im Allgemeinen sollte sich von anfänglichem Interesse über Sympathie in ›wirkliche Liebe‹ wandeln. Das ist eine Angelegenheit der Gefühle, die der Leser für Ihre Figur empfindet. Damit der Leser für eine Figur starke und intensive Gefühle entwickeln kann, ist es unumgänglich, die Schattenseiten einer Figur zu zeigen. Ein lebensnaher, menschengerechter Charakter muss Schwächen und Unzulänglichkeiten besitzen. Ist das nicht der Fall, besitzt der Held keine Tiefe, er bleibt nur ein oberflächliches, lebloses Abziehbild, flach, unecht, eine schemenhafte Zeichnung, ein Schatten ohne Gesicht.

      Gerade wenn Sie dem Leser jene Seiten Ihres Helden zeigen, die er normalerweise vor anderen versteckt, dann bekommt der Leser das Gefühl, die Wahrheit über diese Figur zu erfahren. Lassen Sie den Leser immer im Glauben, dass er noch weitere Einblicke in das Seelenleben des Helden bekommt – bis zum Schluss der Geschichte. Auf diese Weise halten Sie den Leser in der Story.

       Insider-Tipp: Achten Sie darauf, die negativen Eigenschaften des Helden nicht zu früh zu enthüllen, sonst kann sich der Leser ebenfalls nicht mit ihm identifizieren! Es ist wie im echten Leben: Der erste Eindruck entscheidet meistens über Sympathie oder Antipathie.

      Lehnt der Leser Ihren Helden aufgrund der ersten Begegnung ab, können Sie diesen Sympathieverlust kaum noch aufholen. Zeigen Sie Ihren Helden daher beim ersten Auftritt in einer Szene, die ihn sympathisch macht: Der Held könnte in Gefahr sein (auf der Flucht vor jemandem), er erleidet unverschuldet ein Unglück (er weicht einem Betrunkenen aus und fährt sein neues Auto zu Schrott), er ist von negativen Kräften umgeben (Alex wurde gekidnappt), er befindet sich in einer verzweifelten Lage (zahle eine Million Dollar, oder du siehst deine Tochter nie wieder).

      In ›Rocky‹ erleidet Rocky gleich zu Beginn im Boxkampf einen unfairen Kopfstoß. Der Leser ist sofort auf Rockys Seite, verbündet sich mit ihm. Wäre Rocky ein Gott ohne Schwächen, könnte ihm nie jemand einen derartigen Kopfstoß verpassen, er würde unwirklich wirken.

      Sie könnten eine Szene schreiben, in der Helen ihren Ehemann Gerry, während dieser liebevoll ihre vierjährige Tochter Mary vom Kindergarten abholt, mit ihrem Chef betrügt. Sofort empfinden wir Helen und ihren Chef als unsympathisch, und Gerry ist unser Favorit.

      Was den Leser und eine Figur unzertrennlich verbindet, ist das Hin und Her, das Auf und Ab der wechselnden Gefühle. Indem der Leser durch das, was dem Helden passiert, Gefühle erinnert, die er selbst kennt, verwischt sich die Grenze zwischen ihm und der Figur, zwischen Realität und fiktiver Geschichte – Leser und Figur verschmelzen miteinander.

      Statten Sie Ihre Figuren demnach mit menschlichen Unzulänglichkeiten und Schwächen aus. Das erlaubt es dem Leser, Anteil zu nehmen am Schicksal der Figur. Er wird mit ihr leiden, weinen, lachen und kämpfen bis zum Schluss der Geschichte. Und genau das wollen Sie als Autor erreichen.

      Die Königswege zur Bestsellerfigur

      Nun haben wir schon eine ganze Menge über Figurencharakterisierung erfahren. Natürlich muss man einer Figur nicht einfach die ›knallrote Krawatte‹ verpassen, und das war es dann. Als Bestseller-Autor sind Sie daran interessiert, Ihre Figurenmerkmale professionell an den Leser zu bringen. Und wie Sie erahnen, gibt es auch dafür eine Handvoll bewährter Königswege der Profis. Diese Techniken stellen praktisch den Olymp des Figurencharakterisierens dar.

      Königsweg 1: Darstellung durch Handlung

      Erzählen Sie dem Leser nicht einfach, wie eine Figur aussieht, gekleidet ist, sich bewegt, zeigen Sie es ihm durch Handlung. Lassen Sie Ihre Figur aktiv etwas tun und sagen, anstatt mitzuteilen, was die Figur tut oder sagt. Man nennt diese Technik auch ›szenische Charakterisierung‹.

      Der Vorteil dieser Meister-Technik besteht darin, dass Sie den Leser, indem Sie ihm den Helden in einer Aktion zeigen, sofort in die Welt der Geschichte hineinziehen. Ihr Held charakterisiert sich durch sein Verhalten, durch die Umgebung und durch die Reaktionen anderer Personen auf sein Tun. Dazwischen können Sie kurze ergänzende Sätze zum Aussehen und zur Vorgeschichte der Figur einflechten.

       Sie war an die vierzig, schlank wie eine Gazelle und hatte ein kastanienbraunes Gesicht mit hellwachen, eiskalten Augen. Die breite Krempe ihres Strohhutes warf einen Schatten auf ihre Brillantohrringe, die im Licht der Südseesonne glitzerten. Sie trug einen gestreiften Bikini, dem man nicht ansah, dass er mehrere Hundert Dollar gekostet hatte.

      Hier erfahren wir Genaueres über


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