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Читать онлайн книгу.die Geschichte lebendig zu zeigen, für ihn erlebbar zu machen. Dazu gibt es einige bewährte Profi-Techniken.
1. Vorstellung zu Beginn der Geschichte
Hierbei schildern Sie Ihre Hauptperson zu Beginn der Geschichte. Sie teilen dem Leser charakterisierende Merkmale und Eigenheiten mit – idealerweise durch Handlung:
Tim Timberton presste sich durch den Türrahmen. Das Prädikat sportlich verlieh ihm mit Sicherheit niemand der anwesenden Aristokraten. Aus seinem Gesicht sprachen die Züge irischer Einwanderer, versteckt hinter einem Doppelkinn und runden Backen. Sein roter Haarschopf fiel ihm wie üblich ins Gesicht, und seine hellwachen grünen Augen musterten die Szene mit dem Scharfsinn des unbeeindruckten Detektivs, als er sagte: ›Würden mir die ehrenwerten Herren bitte die Leiche und den Ort des Ablebens zeigen?‹
Hier wird die äußere Erscheinung geschildert, ein Name vergeben, der Leser erhält handelnd Informationen über die gesellschaftliche Schicht, den Beruf des Helden.
2. Das Shading (Schattenmalerei)
Bei dieser Technik zeigen Sie die negativen, die Schattenseiten, einer Figur. Wie machen Sie das? Ganz einfach: Sie schildern dem Leser eine unsympathische Seite des Helden - zum Beispiel einen Heerführer, den der Tod seiner Soldaten völlig kaltlässt. Später zeigen Sie eine Szene, in der wir die liebende Sorge des Heerführers um seine Männer erfahren – vielleicht, indem er sich Vorwürfe macht über die falsche Verteidigungsstrategie oder wie er Verletzte besucht und aufmuntert. Wir erfahren im Nachhinein, dass das Wesen der Figur ein gänzlich anderes ist, als seine Schattenseite zu Beginn nahelegt.
3. Auslassen
Lassen Sie eine Präsentation Ihrer Figur ganz bewusst aus. Wie erfährt aber dann der Leser die Merkmale der Figur? Die Technik funktioniert so, dass sich Ihr Held nach und nach in der Geschichte darstellt, im Verlauf seines Handelns durch Taten, Aussagen, Reaktionen auf Ereignisse und Reaktionen anderer Figuren auf ihn charakterisiert.
Fünf Minuten später saßen sie an einem wackeligen Ecktisch in einem menschenleeren Pub und warteten auf ihr Essen.
Larry schaute hoch zu dem Kellner, der ein Tablett herantrug. Steak-und Nieren-Pudding für ihn, Red Snapper mit Salat für Hank.
Larry schnitt mit seinem Messer in den weichen Teig, worauf Dampf und Bratensoße hervorquollen.
»Das ist Herzinfarkt auf Raten«, meinte Hank lakonisch. »Weißt du, was da drin ist? Fett – reines Fett. Igitt!«
Larry schaufelte sich Senf auf den Teller. »Das Problem liegt im Kopf, nicht auf dem Teller. Das Grübeln bringt dich um.«
Hank antwortete nicht, er kaute auf seinem Fisch. Deshalb sprach Larry weiter: »Seefisch weist einen hohen Quecksilbergehalt auf, hab ich wo gelesen. Höchstens einmal die Woche zu essen.«
Unbehaglich kaute Hank etwas langsamer. »Woher hast du denn das?«
»Nature.«
»Schieße. Mandy kocht vier Mal die Woche Fisch. Quecksilber?«
»Du endest noch als Fieberthermometer.«
4. Schildern der Umgebung
Diese Form der indirekten Charakterisierung können Sie verwenden, um eine Figur zu beschreiben, ohne dass diese Figur vor den Augen des Lesers auftreten muss. Sie tun nichts weiter, als einen Schauplatz, einen Ort, ein Zimmer, ein Büro, in dem sich die Figur für gewöhnlich aufhält, zu beschreiben (zeigen).
Der Schreibtisch, ein edles Stück aus einem Königshaus, thronte direkt unter dem lebensgroßen Ölgemälde von Mozart. Neben dem Meister blickte er selbst in das Zimmer, mit seinen dunklen, zornigen Augen und seiner erhabenen Haltung eines Kaisers. Die schweren Samtvorhänge filterten den Großteil des Sonnenlichts aus, das bizarre Schatten von Marmorstatuen auf Perserteppiche und Parkettboden zeichnete. Der offene Kamin an der gegenüberliegenden Seite des Arbeitszimmers wurde von Bücherregalen aus Mahagoniholz gesäumt. Mit goldenen Lettern am Buchrücken und in edles Leder gebunden, reihte sich Klassiker an Klassiker.
Wir bekommen einen Eindruck von der Person, der dieses Arbeitszimmer gehört, obwohl die Figur selbst nicht auftritt. Der Schreibtisch aus dem Königshaus, Mozart, die Haltung eines Kaisers, schwere Samtvorhänge, Marmorstatuen, Perserteppiche. Offenbar handelt es sich um eine wohlhabende Person, die sich selbst auf der Ebene mit Größen wie Mozart und den Kaisern sieht. Ebenso hält die Person viel auf Bildung - Klassiker im Bücherregal, edel in Leder gebunden. Und dennoch erahnen wir etwas ›Dunkles‹. Die dunklen Samtvorhänge filtern Licht aus, dunkle, zornige Augen. Die Umgebung suggeriert den Charakter der Figur.
Im Zimmer eines Jungen, der sich für Musik interessiert, werden Noten zu sehen sein oder ein Instrument, ein Mädchen, das Reitunterricht nimmt, hängt sich vielleicht Poster von Pferden auf. Die Umgebung charakterisiert Personen.
›Zeig mir, wie du wohnst, und ich sage dir, wer du bist‹, heißt ein wahres Sprichwort.
Weitere Insider-Geheimnisse
An dieser Stelle verrate ich Ihnen noch weitere Insider-Geheimnisse von Starautoren. Diese Kenntnisse versetzen Sie umgehend in die Lage, es wie die Profis zu machen. Beherzigen Sie diese Ratschläge zum Umgang mit den eben erworbenen Techniken.
Wenn Sie Ihrer Figur eine besonders originelle Eigenschaft geben, dann stellen Sie diese für den Leser gleich beim ersten Auftreten dar.
Ihr Held sollte im Verlauf der Geschichte eine Veränderung durchmachen. So könnte der Geizhals am Ende einem Kinderheim eine ansehnliche Summe spenden.
Schildern Sie Ihre Figuren durch szenische Handlungen, lassen Sie die Helden etwas tun, das ihren Charakter zeigt. Dadurch laden Sie den Leser ein, an einem Fantasiespiel teilzunehmen, er darf aktiv ›mitraten‹ und wird nicht vom Autor bevormundet.
So machen Sie Figuren sympathisch: Sympathie wecken Sie durch Attraktivität, Aktivität, Humor, Bildung, Mut, Intelligenz, Fair Play, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Zielstrebigkeit. Statten Sie Ihren Helden mit solchen Fähigkeiten aus.
So machen Sie Figuren unbeliebt: Ablehnung erzielen Sie durch Eigenschaften wie Perfektion, Wortbrecherei, Sadismus. Mörder, Egoisten, Angeber sind unsympathisch. Ebenso belehrende, humorlose, sentimentale, obergescheite oder wehleidige Figuren lehnt der Leser ab.
Als guter Autor präsentieren Sie dem Leser Figuren, die bereits beim ersten Auftreten auf ihn außergewöhnlich wirken – Menschen, die sich von der Masse abheben.
Wenn Sie Probleme haben, den Charakter Ihrer Figur zu finden, dann benötigen Sie mehr Informationen über Ihren Helden. Folgende Methoden werden Ihnen dabei helfen:
1: Betrachten Sie die Figur aus einem anderen Blickwinkel heraus. Als Vater, Mutter, Freund, Nachhilfelehrer, Trainer.
2: Lassen Sie die Figur in einer gefühlsbetonten Situation über sich selbst erzählen. Vielleicht, wenn sich Ihr Held ärgert und wütend herausschreit, angetrunken ist (im Wein liegt die Wahrheit), den besten Freund bei einem Autounfall soeben verloren hat und trauert. In solchen Momenten kommen die Worte nicht rational aus dem Kopf, sondern aus dem Bauch heraus.
3: Stellen Sie sich vor, die Figur bewirbt sich in Ihrer Firma. Stellen Sie ihr beim Vorstellungsgespräch provokative Fragen, reizen Sie Ihre Figur und lassen Sie sich von ihr reizen.
4: Ihr Held könnte vor vielen Menschen eine Rede halten müssen und sich selbst vorstellen.
5: Stellen Sie sich Ihren Helden mit 90 Jahren vor und lassen Sie ihn rückblickend sein Leben schildern. Jede Frage und Vorstellung, die sich auf die Handlung einer Figur bezieht, ist dienlich, denn das Tun der Figuren ist das ideale Mittel der Charakterisierung.
Ihr Held