Nur ein Tropfen Leben. Christina M. Kerpen

Читать онлайн книгу.

Nur ein Tropfen Leben - Christina M. Kerpen


Скачать книгу
schon recht bejahrt.

      Auf der Ranch allerdings wird der Mann schon von Carol erwartet.

      Das Girl hat sein Pferd schon versorgt und sitzt nun auf dem Gatter des Corrals. Erwartungsvoll schaut sie ihm entgegen. Sie sucht in seinem Gesicht nach Spuren eines berechtigten Unmuts gegen sie, denn sie hat sich ziemlich ungehörig benommen.

      Nachdem er abgesessen ist, tritt sie zu ihm, schaut ihn halb zerknirscht, aber mit einem sehr offenen Blick an, dann murmelt sie: „Es tut mir leid, Festus. Ich habe mich eben mal wieder total daneben benommen und im Ton vergriffen. Bitte verzeih mir meine Ungezogenheiten und meine manchmal furchtbar schlechten Manieren.“

      „Klar, Carol, schon vergessen“, brummt der Alte gerührt, „aber es ist eben so, dass wir alle nur Dein Bestes wollen und da macht man sich dann halt viele Gedanken.“

      Das Girl gibt dem Cowboy einen Kuss auf die mit Bartstoppeln übersäte Wange. „Das weiß ich doch, nur denkt ihr alle nicht darüber nach, was ich für mich für das Beste halte und David ist nun mal das absolut Beste, was mir passieren konnte. Ihn zu treffen, von ihm hier hergebracht zu werden, all das waren Geschenke des Himmels und es ist bestimmt so eine Art Vorsehung gewesen, dass wir uns ineinander verliebt haben. Der da oben“, Carol deutet mit dem Zeigefinger in Richtung Himmel, „der hat uns ganz sicher füreinander bestimmt.“

      „Na Du“, Festus kratzt sich an der Schläfe, „ich weiß nicht, dann hat er aber bei einem von Euch einen Fehler im Geburtsjahr gemacht. Entweder hat er David zu früh oder Dich zu spät auf die Welt geschickt.“

      Traurig schüttelt das junge Mädchen den Kopf. „Du glaubst gar nicht, wie sehr es mich nervt, dass jeder auf dem bisschen Altersunterschied zwischen David und mir herumhackt. Selbst David fragt ewig, ob er mir nicht zu alt ist. Dabei ist das alles Blödsinn. Auch auf die Gefahr hin, dass ihr mich alle für dumm haltet, ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass ich einen Mann heirate, der einer anderen Generation angehört, der bereits erwachsen war, als ich noch nicht auf der Welt war und der schon mit anderen Frauen geschlafen hat, als an mich noch niemand dachte. Ich weiß auch, dass David schon mal eine feste Beziehung hatte und dass das Kind aus dieser Beziehung , wenn es hätte leben dürfen, älter wäre wie ich, aber das sind alles Gedanken, die mich nicht im Mindesten stören, im Gegenteil, es ist gerade diese Lebenserfahrung, die ich besonders an ihm liebe.“

      Festus horcht auf. Er wusste bisher nicht, dass der Indian schon einmal fast eine Familie gehabt hätte. Er beißt sich auf die Unterlippe. Hoffentlich heiratet der Boss das Kind nicht nur, damit es ihm das nie geborene eigene Kind ersetzt. Er räuspert sich und brummt. „Mensch, Carol, glaube mir, Ehen werden zwar scheinbar im Himmel geschlossen, aber geführt werden sie auf der Erde und das ist verdammt schwierig. Du hast Dir zwar zugegebenermaßen einen überaus verlässlichen Mann ausgewählt, aber David hat durch seine indianische Herkunft oft genug mit Vorurteilen zu kämpfen und wenn ihr erst verheiratet seid, werden diese auch auf Dich und Deine Kinder übertragen werden und dann noch die vielen Jahre, die Euch trennen. Ich fürchte, Du wirst in ein paar Jahren bitter an meine Worte zurückdenken.“

      „Festus, wir leben doch nicht mehr im vorigen Jahrhundert. Ich habe noch niemals gemerkt, dass auch nur irgendwer dem Indian irgendwelche Vorbehalte entgegenbringt. Er sieht ja auch nicht sehr indianisch aus und seinem Namen kann man die indianische Mutter auch nicht entnehmen.“ Das Mädchen lacht leise. „Und der Altersunterschied könnte schlimmer sein. Es gibt wesentlich ältere Männer, die viel jüngere Frauen heiraten. Zu allen Zeiten war es gang und gäbe, dass Mädchen schon im Kindesalter verheiratet wurden und in vielen Kulturen ist das auch heute noch so. Ich hätte mir doch noch einen noch viel älteren Mann aussuchen können.“

      Festus verzieht das Gesicht, was Carol mit einem reizenden Lächeln quittiert und dann murmelt: „Was ich Dir jetzt sage, bleibt ein Geheimnis, genau so, wie die Sache von David und seiner früheren Verlobten, versprochen?“

      Nun lächelt auch der Alte und brummt: „Klar doch, Du weißt, dass ich schweigen kann, wie ein Grab.“

      Grinsend nickt das Girl. „Weiß ich, und nur deshalb verrate ich es Dir ja auch. – Mr. Carpenter hat mir vor einigen Tagen gestanden, dass er mich auch liebt und dass er mich, wenn er etwas jünger wäre selbst um meine Hand gebeten hätte.“

      Der Cowboy wird bleich und schluckt: „Ach Du Scheiße! Und was hast Du darauf geantwortet?“

      Carols Blick geht verträumt in die Ferne. „Ich wusste im Prinzip nichts darauf zu sagen. Ich fühlte mich wohl erst mal geschmeichelt und was wirklich irre ist, ich habe lange darüber nachgedacht und bin zu einem merkwürdigen Ergebnis gekommen.“

      Gespannt schaut Festus seine kindliche Kollegin aus zusammengekniffenen Augen an, ohne etwas zu sagen.

      „Ich habe festgestellt, dass ich gar keine Schwierigkeiten hatte, mir vorzustellen, Mrs. James Carpenter zu sein. Wenn ich nicht so verliebt in David wäre, ich glaube, in dem Moment, als der Alte mir seine Gefühle offenbart hat, hätte in meinem Kopf etwas ausgesetzt und er hätte alles mit mir machen können. Seine Klugheit, seine Lebenserfahrung und sein nicht zu leugnender Charme hätten mich glatt aus der Bahn geworfen.“ Nun grient sie: „Und Willow-Tree als nettes Anhängsel wäre doch auch nicht zu verachten.“

      Festus schüttelt den Kopf. „Oh Mädchen, Du hast einen ausgeprägten Vaterkomplex. Dein Dad ist einfach zu früh verstorben, deshalb stehst Du wahrscheinlich so auf alte Männer. Das ist aber gar nicht gesund. Stell Dir doch bloß mal vor, Du liegst, mit Verlaub gesagt, mit dem alten Carpenter im Bett und der fasst Dich überall an, könntest Du das schön finden?“

      Carol zuckt mit den Schultern. So genau hat sie sich das noch nicht überlegt. Ehrlich sagt sie: „Warum eigentlich nicht? Ich kann mir gut vorstellen, dass er keine Schwierigkeiten hätte, mich noch einige Male zu schwängern.“

      „Pfui Teufel, Carol!“ Festus verzieht angewidert das Gesicht. „Schon der Gedanke ist so unaussprechlich grässlich, dass ich mich frage, ob in Deinem Kopf noch alles richtig tickt.“

      Carol lacht laut auf. Sie wirft den Kopf in den Nacken und lacht schallend. „Dann also doch besser den Vormann.“

      „Na, aber immer! Der ist schließlich nur halb so alt, wie der Big Boss. Nur, warum es ausgerechnet überhaupt ein um so vieles älterer Typ sein muss. Es laufen doch so viele Jungs in Deinem Alter hier rum.“

      „Ach Festus, ich habe das dumpfe Gefühl, Du glaubst mich beschützen zu müssen. Guck mal, ein älterer Mann ist doch schon ein wenig abgeklärter und normalerweise auch ruhiger, wie ein Junger. Du musst doch ehrlich zugeben, dass ich ganz hübsch wuschig und zappelig sein kann und nun stell dir bloß mal vor, ich hätte mir auch noch einen ungestümen, zappeligen Mann ausgesucht, so einen Typen wie Blacky zum Beispiel. Schon der Gedanke ist die reinste Horrorvision, das wäre eine glatte Katastrophe.“

      Carol schüttelt sich schon allein bei der Vorstellung. „Nein, nein, ich mache das schon richtig. David ist mein Ruhepol. Er kompensiert meine Unruhe mit seiner ruhigen Gelassenheit und außerdem“, Carols Stimme wird zu einen Flüstern, „außerdem liebe ich ihn wirklich sehr. Ich fühle mich krank und unvollständig, wenn ich weiß, dass ich ihn ein paar Tage nicht sehen kann und ich bin unendlich glücklich, wenn ich mit ihm zusammen bin und sei es auf einer Weide viele Yards von ihm entfernt. Allein ihn von weitem zu sehen, ist für mich schon Glück.“ Festus schüttelt den Kopf. „Mensch, Mädchen, ich glaube, Euch ist wirklich nicht mehr zu helfen. Ich wünsche Euch alles Glück der Erde und dass Euch noch viele gemeinsame Jahre mit ein oder zwei Kindern vergönnt sein mögen.“

      Auf dem Gesicht des Mädchens liegt ein glücklicher Schimmer, als sie flüstert: „Danke Festus. Ich weiß, dass Du es ehrlich meinst und ich danke Dir auch, dass Du versuchst, mich vor kopflosen Dummheiten zu bewahren, aber Du hast es bestimmt bemerkt, ich habe mir selbst schon meine Gedanken gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich meinen Weg gehen werde. Dieser Weg kann aber nur mit David gemeinsam gegangen ein guter Weg sein. Und“, in ihren großen Augen ruht plötzlich eine ungekannte Weisheit, „ich bin mir auch darüber im Klaren, dass durch den Altersunterschied die Gefahr besteht, dass er mich sehr früh verlassen muss, dass


Скачать книгу