Wie das Leben so spielt. Karl Zbigniew Grund

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Wie das Leben so spielt - Karl Zbigniew Grund


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sein.

       Ich hab ein Bild

      

       von dir

      

       fixiert

      

       für alle Zeiten

      

       in der Kälte

      

       hält es sich

      

       besonders

      

       gut

      French Open

      Heute ist einfach nicht mein Tag. Alles läuft schief – alles hat sich gegen mich verschworen. Wie soll das nur enden? Jetzt hat die Stefi auch noch verloren. Ist nicht zu fassen. Ausgerechnet gegen die kleine Martina. Und vor allem, wie sie verloren hat. Lässt sich von der Kleinen regelrecht vorführen. Das war kein Spiel – das war eine Schande. Eine Zumutung für die Augen und für meine ohnehin strapazierten Nerven. Soll sich weg hängen, kann ich nur sagen. Es ist vorbei mit ihr. Ihre Zeit ist abgelaufen.

      Der ganze Tag ist versaut. Die Verhandlung, diese beschissene Verhandlung hätte ich mir auch sparen können. Da habe ich mir heute die erste mentale Prellung abgeholt. Die Pappnasen haben es tatsächlich geschafft, sogar mich regelrecht vorzuführen. Dabei habe ich es geahnt. Ich wusste oder hätte wissen müssen, dass die sich wie immer auf nichts einlassen werden. Die Zeit der Sonderangebote ist lange vorbei. Das Vorlesen meiner Vorstrafen dauert schon viel zu lange und dann ist meistens auch nichts mehr zu retten. Dann ist im Vorfeld schon alles klar. Eigentlich war ich also von Vornherein auf nichts Gutes eingestellt. Mit der Zeit weiß man eben wie und wo der Hase läuft.

      Tja, diesmal war aber doch einiges irgendwie anders. Man fragte mich, was ich denn im Falle einer Entlassung machen würde und was sich denn so grundlegend bei mir geändert hätte. Darauf war ich geistig nicht vorbereitet. Solche Fragen habe ich schon lange nicht mehr gehört. Vor allem die Art, wie der Richter mich befragte, machte mich stutzig. Er schien tatsächlich interessiert, nickte während ich sprach immer wieder mit dem Kopf und auch die anderen Beigeordneten vermittelten den Eindruck, als ob sie alles verstehen und nachvollziehen könnten. Bin dann, so peinlich mir das jetzt im Nachhinein auch ist, wieder mal darauf reingefallen. Habe mich sogar richtig ins Zeug gelegt und überhaupt viel länger geredet als ich ursprünglich wollte. Über meine neue positive Einstellung, und dass ich jetzt auf die alten Tage meine kriminelle Laufbahn endgültig beenden möchte. Aus gesundheitlichen Gründen und auch wegen der Einsicht. Es ist immer gut, wenn man auch medizinische Aspekte mit einfließen lässt. Dann klingt die ganze Geschichte etwas glaubwürdiger Die Sprüche hatte ich schon immer gut drauf, aber da habe ich mich richtig rein gesteigert. Eben weil der Richter so blöd mit dem Kopf nickte und weil ich auch nicht so leicht zu bremsen bin, wenn es mich mal überkommt. Das war schon echt komisch. Zwischendurch fing ich sogar an, all das zu glauben, was ich erzählte. Und naja, vielleicht hätte ich diesmal tatsächlich einiges anders gemacht als sonst. Aber hätte der Hund nicht geschissen…

      Bei der Urteilsverkündung spürte ich dann auch wieder die übliche Anspannung, wenn noch alles offen, alles möglich ist. Vor Aufregung bekam ich sogar einen trockenen Hals. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert. In Bruchteilen von Sekunden verfolgte ich jedes einzelne Wort. Oft lässt sich schon im Satzaufbau, bei den ersten Worten, die Kernaussage erkennen. Ist auch nicht weiter schwierig, weil die Juristen in der Regel immer die gleichen Sprüche und Redewendungen verwenden. In meinem Fall war bereits im ersten Satz alles klar und erledigt. Mein kurzer Traum zerplatzte wie eine Seifenblase. Nix Entlassung, nix Freiheit, keine letzte Chance.

      Dumm gelaufen, sagte ich zu mir selbst, aber ich spürte auch mein Blut kochen und kriegte ganz komische Gefühle. In solchen Momenten muss ich schon ganz tief in meine psychologische Trickkiste greifen, um mich wieder zu beruhigen. Nun gut, sagte ich mir, die wollen es wohl nicht anders haben. Jetzt dauert es halt ein wenig länger, aber eines Tages müssen sie dich ja entlassen und dann ist nur noch ein harter Film angesagt. Keine Rücksicht mehr, keine falsche Zurückhaltung. Dann wird vom Entlassungsgeld erst mal eine Knarre gekauft, am besten eine 9mm. Die versteht nämlich jeder. Da gibt es keine Fehldeutungen und da braucht auch keiner mehr zustimmend mit dem Kopf zu nicken. Dann ist von vornherein alles klar und unmissverständlich.

      Nach diesen klaren und erfrischenden Gedanken fühlte ich mich wieder etwas besser. Ziemlich gelassen ließ ich mich in den Zellentrakt abführen. Ich genehmigte mir sogar ein leichtes Lächeln. Draußen hätte ich womöglich meine „French Open“ verpasst. Und das geht nun mal gar nicht.

      Die Zellen im Gerichtsgebäude sind schon eine Zumutung, meistens total verdreckt und überall auf den Wänden die üblichen schwachsinnigen Sprüche:“ Andrea ich liebe dich, Bullen sind Schweine“, oder einfach und trocken „nur noch 674 Tage“. Letzteres ist natürlich etwas intelligenter. Es zeigt, dass einige zumindest rechnen können. Mich persönlich nervt jedoch das stundenlange Warten auf den Transporter, auf die Rückfahrt. Daran werde ich mich nie gewöhnen. Das ist und bleibt eine Sauerei. Diesmal war jedoch wie gesagt alles ganz anders. Nach kurzer Zeit hörte ich Schritte und dann wie eine Tür recht zügig aufgeschlossen wurde. Der folgende Dialog war ebenfalls recht aufschlussreich: „Was soll der Schwachsinn“, hörte ich einen Beamten rufen. Keine Antwort. Nach einer Weile ein hartes Röcheln und Würgen. Noch mehr Schritte. „Hier liegt einer, ruf mal vorsichtshalber den Notarzt“. Dann eine zweite Stimme: „Schütt‘ ihm doch Wasser über den Kopf“. Erneutes Röcheln. „Weiß nicht, ob das so gut ist, soll besser der Arzt entscheiden“. Plötzlich verstummten die Stimmen und auch alle anderen verdächtigen Geräusche. Bei derartigen Vorfällen werden in der Regel erst mal alle unliebsamen Zeugen weg geschafft. Das ist normal und verständlich. Ich freute mich schon auf einen schnellen Rücktransport – auf meine „French Open“.

      Der Bus kam dann aber noch schneller als man denken konnte. Die müssen den im Eiltempo herbei gezaubert haben. Zusammen mit anderen Inhaftierten wurden wir unverzüglich in den Bus geführt, der sich auch sofort in Bewegung setzte. Er parkte noch kurz seitlich im Gerichtsgebäude, um den Notarztwagen vorbei zu lassen.

      „Mit Schnürsenkeln – stümperhaft“, hörte ich noch einen der Busfahrer sprechen. Mehr konnte ich nicht verstehen, weil das Radio eingeschaltet wurde und irgendeine bekloppte Musik alles übertönte. Den Rest konnte ich mir aber auch so schon denken und zusammen reimen. Wieder einer dieser schwachsinnigen

      Selbstmordversuche. Mit Schnürsenkeln erhängen ist wirklich stümperhaft. Das kann ja gar nicht gut gehen. Er hätte auch fragen können. Bestimmt hätte ihm jemand seinen Gürtel oder was anderes geliehen. In der Beziehung ist man großzügig. Von mir aus sollen sie sich alle weg hängen, aber richtig, keine halben Sachen. Wenn die Todesrate nämlich steigt, dann kann es passieren, dass vorübergehend ein paar Lockerungen eingeführt werden. Unter Umständen könnte es im Sommer einmal Duschen mehr in der Woche geben. Der Arzt wird dann auch etwas lockerer mit seinen Beruhigungspillen und die Psychologen werden ihre Gesprächszeit für die Problemfälle etwas verlängern. Das alles natürlich nur, wenn der Durchschnittswert deutlich überschritten wird. Wenn der Handlungsbedarf nicht mehr zu übersehen ist. Keine Anstalt will ja auch unbedingt mit den meisten Toten glänzen. Allerdings kann ich, ehrlich gesagt, beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum sich heute überhaupt noch jemand weg macht. An den Haftbedingungen kann es nun wirklich nicht liegen. Heute hat man fast alles im Knast. Fernseher, Recorder und was weiß ich nicht alles. Es soll auch welche geben, die sich gezielt verhaften lassen, weil sie draußen nicht


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