Kurswechsel. Gerd Eickhoelter
Читать онлайн книгу.zusätzliche Deviseneinnahmen, denn pro Tag zahlte der Besucher aus dem Westen 25 Deutsche Mark Gebühr für die Grenzpassage. Die DDR war ein Ausstellungsobjekt.
Neben den Einnahmen brachte auch jeder Besucher Genussmittel und andere Geschenke mit bzw. kaufte für die Verwandtschaft im Intershop für harte Westmark ein.
Die erste Teilablehnung meiner Bewerbung zur DSR erhielt ich als Neujahrsgeschenk im Jahre 1986, allerdings mit der Mitteilung, dass mein Einsatz möglich sei – Hoffnung - .
Ich solle die mitgelieferten Anträge zur Erteilung des Sichtvermerkes unverzüglich und vollständig ausfüllen und nochmals einreichen. Eigentlich lag ja alles vor. Ein Wochenende zur polizeigerechten Beschriftung der Formulare folgte. Der Staatssicherheitsdienst musste ja persönliche Angaben des Bewerbers den eigenen geheimdienstlichen Informationen gegenüberstellen.
Mit dem Ausfüllen der Vordrucke wurde ein großes Maß ganz persönlicher Daten erfasst, wie Angaben aller verwandten im Ausland incl. der Bundesrepublik, deren Adresse, Beruf, Arbeitsstelle und Tätigkeit sowie deren Parteizugehörigkeit und die Art der Kontakte. Bei letzterem war zu unterscheiden zwischen Besuchen, Briefwechsel, gelegentlichem Briefwechsel oder ohne Verbindung. Die persönlichen Angaben mussten eidesstattlich signiert werden.
Aus meiner früheren Tätigkeit hatte ich Durchschriften solcher Einreichungen zur Bestätigung des Sichtvermerkes. Ich hielt mich bei meinen Angaben an die damaligen Aussagen, die mit den Realitäten annähernd übereinstimmten.
Nach eintägiger (!) Bearbeitungszeit wurde mir mitgeteilt, dass nach eingehender Prüfung meiner Unterlagen keine weitere Bearbeitung erfolgen könne, da die daraus hervorgehenden Angaben nicht den Einstellungsrichtlinien entsprächen. Wer die Arbeit in den Behörden kennt kann sich vorstellen wie eingehend geprüft wurde. Allein die Auflistung der umfangreichen Verwandtschaftsbeziehungen stand einer Fortführung des Seemannsberufes im Wege. Im Innern hatte ich es ja gewusst, nur wollte ich es schwarz auf weiß sehen. Streng nach dem Motto, alle Möglichkeiten ausnutzen, wandte ich mich mit einer Eingabe an den zuständigen stellvertretenden Minister für Verkehrswesen. Ihm waren die See- und Binnenschifffahrt sowie Hafenwirtschaft unterstellt.
Einen ganzen Monat musste ich warten, dann traf die Antwort ein. Dr. Distler, Leiter der Hauptverwaltung Seeverkehr, teilte mir im Namen des Ministers mit, dass die vom Betrieb getroffene Entscheidung zu recht bestünde und nicht mehr korrigiert werden könne.
Meine Schuld, weshalb war ich nicht zum Mitläufer mutiert.
Ausgetreten
Lange genug hatte ich ihn erwägt, am 28. April 1986 war es soweit. Für ein Verbleiben in der Partei sprach die Tatsache, dass es Menschen geben musste, die die Veränderung von innen anstrebten. Gegen eine weitere Mitgliedschaft zielte der Gedanke, dass ich ein viel zu kleines Licht sei um hier überhaupt etwas ausrichten zu können. Mit meinem Austritt vergrößerte sich mein Meinungsspielraum, die berufliche Entwicklung aber wurde gestoppt. Ich war auch nicht bereit mit meinem Beitrag eine Politik zu unterstützen, die von mir ein bedingungsloses Vertreten von Beschlüssen verlangte, meine Interessen aber in keiner Weise wahrnahm.
Damals vor 15 Jahren hatte ich mir alles ganz anders vorgestellt. Geworben wurden wir, mein Studienfreund und ich, seinerzeit von Dr. Jentsch und Dr. Herbronn, beides Dozenten der Ingenieurhochschule für Seefahrt. Unsere kritischen Ansichten zur Politik und Wirtschaft deckten sich. Beide Dozenten meinten, dass sie solche Menschen wie uns in der Partei brauchten um etwas bewegen zu können, eine Umwandlung der starren dogmatischen Vorstellungen zu bewirken - dabei blieb es dann auch.
Beim Bezahlen des Parteibeitrags kamen wir auf das Thema.
Genosse Müller, Kaderleiter und seit Jahresbeginn Parteisekretär, einer Funktion die ihm einmal die Funktionärsrente von 80% des Verdienstes der letzten 10 besten Jahre einbringen sollte, fragte mich was aus meiner Bewerbung zur Seereederei geworden sei.
Ich sagte, dass ich die endgültige Ablehnung erhalten hätte und dieses wiederholt ausgesprochene Berufsverbot nicht kommentarlos hinnehmen werde. Die Konsequenz sei für mich der Austritt aus der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland. Komisch – der Name der Partei beinhaltete die gesamte deutsche Nation, die sie so gerne teilen wollte.
Genosse Müller wurde nachdenklich und erwiderte mit einem Lächeln auf den Lippen: „Überlege dir die Sache genau, du warst 15 Jahre Mitglied unserer Partei. In deiner Position kann man nicht austreten. Ein solches Anliegen kann nur über ein Parteiausschlussverfahren geregelt werden. Wir haben gewisse Zwänge, an die wir uns halten müssen. An die Position des Haupttechnologen werden gesonderte Anforderungen gestellt, darin ist auch die Parteizugehörigkeit enthalten. Es gibt Gesetze, die wir erfüllen müssen und denen sich ein Parteimitglied unterzuordnen hat“.
Ich sagte ihm, dass ich gerade deshalb meinen Austritt in Erwägung gezogen hätte, weil ich fachlich und ideologisch eine Sache nur dann mit ganzem Herzen vertrete, wenn die innere Übereinstimmung hierzu vorhanden sei. Zu einem Ja-Sager eigne ich mich nicht.
„Die Partei ist kein Verein, in den man ein- und wieder austreten kann, wie man will,“ hielt mir der dicke Müller vor, „ die von dir angegriffene Sicherheitspolitik der Kontakteinschränkung bedeutet grundsätzlich eine Absicherung deiner selbst. Du weißt ja gar nicht, was drüben los ist, dort ist es viel schlimmer als bei uns. Du hast Recht, unsere Sicherheitspolitik richtet sich gegen das unberechtigte Verlassen der Republik. Wenn bereits Kapitäne und Leitende Ingenieure abhauen, dann ist das eine ganz andere Qualität, die uns da verlässt. Ich muss mit der Kreisleitung darüber reden, dass du austreten willst, dazu bin ich verpflichtet. Ich weiß nicht, wie wir uns da verhalten müssen. Du musst dir natürlich bei einem solchen Schritt im Klaren sein, dass das Auswirkungen auf deine gesamte Familie hat. In jedem Personalbogen, jeder Bewerbung deiner Frau, der Kinder und dir selbst für eine andere Tätigkeit ist dieser Austritt in der Kaderakte vermerkt. Dieser kleine Vermerk wird immer Voreingenommenheit schaffen und eine negative Beeinflussung bei der Befürwortung einer Studienbewerbung oder der Berufswahl deiner Kinder bedeuten. Du möchtest doch, dass deine Kinder einmal studieren.“
Ich entgegnete, dass ich zwanzig Jahre meine Loyalität unter Beweis gestellt habe und seine Ansicht in keiner Weise teile, ja – in meiner Auffassung noch bestärkt werde, da seine Worte das wahre Gesicht dieser Macht verdeutlichten.
Zuhause sprach ich alles noch einmal mit Gabi durch. Wir kamen zu keiner anderen Übereinstimmung. Unsere Schlussfolgerungen aus der Problematik entstammten keiner Spontanreaktion, sie waren wohl durchdacht und mit unserem Gewissen zu vereinbaren.
Am 04. Mai 1986 gab ich meine Erklärung zum Austritt beim Parteisekretär ab. Diese meine schriftlich begründete Austrittserklärung schaffte allgemeine Verwirrung, galt ich doch dem Staat gegenüber bisher als loyal, aufgrund meiner privilegierten Seefahrtzeit und meines fachlich kompetenten Auftretens. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass mich eine Woche später der technische Direktor zu sich bat, um mit mir darüber zu reden.
„ Was haben sie sich dabei gedacht aus der Partei auszutreten“, empfing er mich.“ Sie können sich doch denken, dass der Direktor so etwas nicht einfach hinnimmt. Schon gegenüber seinen Fachdirektoren muss er reagieren und kann diese Handlungsweise nicht auf sich beruhen lassen. Die Stelle des Haupttechnologen ist dem Generaldirektor unterstellt, das bedeutet Geheime Verschlusssache, also GVS-Verpflichtung! Ich schätze sie als exzellenten Fachmann und erstklassigen Mitarbeiter. Selbstverständlich möchte ich sie behalten. Als Fachmann für den Maschinensektor gibt es bei uns keinen gleichwertigen. In ihrem Arbeitsbereich Technologie werde ich ihnen eine Stelle mit HF IV - Gehalt anbieten, wie sie es vor ihrem Einsatz als Haupttechnologe hatten.
Das offizielle Gespräch hierzu wird nach Pfingsten geführt werden und ich möchte sie bitten, sich Gedanken zu machen und dann Stellung zu beziehen. Der Kollege Kamann ist ganz wild auf sie. Er möchte sie in seiner Werft als Spezialist für Kanalschubschiffe in Genthin gewinnen.
Zusätzlich sind bei ihm aber noch Planaufgaben zu bewältigen. Gerüchte sind im Umlauf, dass sie zur Yachtwerft wollen“.
„Davon