Der leuchtende Schlüssel. Edgar Wallace

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Der leuchtende Schlüssel - Edgar Wallace


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durch Baynes Mews ging, hörte einen Mann singen, und wenn er sich nicht sehr täuschte, war der Mann betrunken. Die Stimme kam aus einer der vielen kleinen Wohnungen über den Garagen, die zu beiden Seiten der Nebenstraße lagen.

      An dem Gesang war nichts Besonderes, und der Polizist wäre auch weitergegangen, wenn er nicht eine Gestalt auf den Stufen zur Haustür hätte sitzen sehen.

      Er leuchtete den Mann mit seiner Taschenlampe an, konnte aber nichts Auffälliges an ihm entdecken. Der Fremde hatte ein rotes Gesicht, war unrasiert und außerordentlich schlecht gekleidet.

      »Hören Sie ihn?« fragte er den Polizisten und wies mit dem Kopf nach oben. »Das erste Mal, daß so was passiert«, sagte er grinsend. »Der ist ja mächtig benebelt. Zu toll, daß der sich auch besäuft! Heute Abend ist er mir durch die Lappen gegangen, und ich hätte ihn niemals wieder erwischt ... da hör' ich ihn zufällig singen. Er muß ordentlich geladen haben.«

      Der laute Gesang war inzwischen verstummt, und sie hörten nur noch ein unmelodisches Summen.

      »Ist das ein Freund von Ihnen?« fragte der Beamte den seltsamen Fremden.

      Der kleine Mann schüttelte den Kopf.

      »Das weiß ich nicht. Ich will ja gerade herausbringen, ob er nett zu mir ist oder nicht.«

      Der Polizist machte eine unwillige Handbewegung.

      »Sehen Sie zu, daß Sie weiterkommen, und lassen Sie sich hier nicht wieder blicken«, sagte er barsch.

      »Schon gut«, erwiderte Mr. Tickler und ging davon.

      Der Polizist kam in Versuchung, ihn zurückzurufen, um den Namen des betrunkenen Sängers zu erfahren, aber dann entschloß er sich doch nicht dazu und beobachtete Mr. Tickler nur, bis er ihn nicht mehr sehen konnte.

      Es war kurz vor zwei Uhr morgens, und der Polizist ging zu der Stelle, an der er seinen Sergeanten treffen sollte.

      Mr. Tickler wanderte den Portland Place entlang und schaute in jeder Türnische nach Zigaretten- oder Zigarrenstummeln, die die Herren bei ihrer Rückkehr nach Hause vielleicht fortgeworfen hatten.

      Welchen Erfolg würde er haben, wenn er an der richtigen Stelle erzählen könnte, was er erfahren hatte! Oder er hätte auch gleich den Sänger da oben erpressen können. Damit kann man leicht Geld verdienen, wenn der andere genug besitzt. In einer Wirtschaft in der Oxford Street trank er eine Tasse Kaffee. Er hatte zur Zeit etwas Geld, sogar eine Schlafstelle, und er konnte mit dem Autobus fahren, wenn er wollte.

      Gestärkt trat er wieder auf die Straße und schlenderte Regent Street entlang. Dort traf er den Mann, dem er am wenigsten begegnen wollte.

      Surefoot Smith stand im Schatten eines zurückliegenden Schaufensters. Er war untersetzt und trug einen eng anliegenden Mantel. Den steifen Filzhut hatte er wie gewöhnlich in den Nacken geschoben; sein rundes Gesicht war lebhaft gerötet. Hätte er nicht geraucht, so hätte er eine Statue sein können.

      »Heda!«

      Widerwillig drehte sich Tickler um und erkannte den Beobachter. Er richtete sich auf, nahm die Schultern zurück und ging mit leichten Schritten vorwärts. Dadurch hoffte er, nicht erkannt zu werden.

      Surefoot Smith hatte aber ein seltsam gutes Gedächtnis, das wie eine geordnete Kartei funktionierte. Selbst den kleinsten und unwichtigsten Missetäter, der durch seine Hände gegangen war, vergaß dieser Polizeibeamte nicht.

      »Kommen Sie her.«

      Tickler gehorchte.

      »Was treiben Sie denn jetzt, Tickler? Verlegen Sie sich noch auf Einbrüche, oder schleppen Sie nur das Bier für größere Gauner herbei? Es ist zwei Uhr morgens – haben Sie eine Bleibe?«

      »Jawohl.«

      »So? Aber sicherlich doch nicht hier draußen in West End?«

      Mit oder ohne Berechtigung durchsuchte der Detektiv den Mann, und der Kleine streckte auch gehorsam die Arme aus.

      »Hab' kein Werkzeug bei mir, keinen Meißel, kein Stemmeisen, nicht einmal einen Schießprügel. Ich führe jetzt wirklich ein anständiges Leben.«

      Surefoot Smith war mit dem Ergebnis der Durchsuchung zufrieden.

      »Reden Sie keinen Unsinn. Auf was für besondere Diebereien sind Sie denn jetzt aus? Sie werden mir doch nicht sagen wollen, daß Sie ehrlich Ihr Geld verdienen.«

      In diesem Augenblick flammte zweimal eine Taschenlampe von dem Dach des Hauses auf, das Smith beobachtete. Sofort tauchten aus allen benachbarten Türnischen Gestalten auf, die das Gebäude umzingelten. Surefoot Smith war einer der ersten, die den gegenüberliegenden Bürgersteig erreichten.

      Ein lautes Klopfen drüben an der Haustür sagte Mr. Tickler, was er wissen wollte. Das Haus wurde von der Polizei durchsucht. Vielleicht war es ein Spielklub, vielleicht noch etwas Schlimmeres.

      Tickler war froh, daß er so gut weggekommen war, und machte sich schleunigst davon. Am Piccadilly Circus blieb er stehen und überlegte. Und je länger er nachdachte, desto mehr kam ihm zum Bewusstsein, daß er eine äußerst günstige Gelegenheit versäumt hatte. Mit gesenktem Kopf ging er Piccadilly entlang und träumte davon, sich leicht und mühelos Geld zu verschaffen.

      3

      Mary Lane sah erschrocken auf ihre goldene Armbanduhr.

      »Vier Uhr, mein Lieber!«

      Es tanzten immerhin noch etwa zwanzig Paare auf dem Parkett des Gesandtschaft-Klubs. Es war ein Galaabend, und bei solchen Festen wurde es immer sehr spät.

      »Tut mir leid, daß es so ein langweiliger Abend war.«

      Aber Dick Allenby sah nicht gelangweilt aus. Er hatte freundliche blaue Augen und ein faltenloses, sonnengebräuntes Gesicht, obwohl er in den letzten vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen hatte.

      »Auf jeden Fall hast du mich gerettet«, sagte er und winkte einem Kellner. »Bis du kamst, war ich ganz allein. Ich habe geschwindelt, als ich dir erzählte, daß Moran hier war und später wegging. Der Junge war überhaupt nicht da. Jerry Dornford sucht Anschluß – er scheint die Hoffnung noch nicht aufgegeben zu haben.«

      Er sah zu einem Tisch auf der anderen Seite des Tanzsaals hinüber, wo der tadellos gekleidete Jerry saß.

      »Ich kenne ihn kaum«, entgegnete Mary.

      Er lächelte.

      »Er möchte dich eben besser kennenlernen, aber ich kann dir nur den guten Rat geben, ihm aus dem Weg zu gehen. Jerry entfernte sich kurz vor dem Abendessen und ist erst vor kurzem wieder aufgetaucht. Die Gesellschaft, die du besucht hast, war wohl auch nicht sehr anregend, was? Dieser Wirth ist doch ein ganz merkwürdiger Kerl. Ich muß sagen, Mike Hennessey hat sich ziemlich viel herausgenommen, daß er dich dazu eingeladen hat.«

      »Aber Mike ist ein netter Mensch«, protestierte sie.

      »Mike ist ein Verbrecher. Ein liebenswürdiger Charakter, aber doch ein Verbrecher. Solange der frei herumläuft, ist es eine Schande, daß andere Leute im Gefängnis sitzen.«

      Sie traten auf die Straße hinaus, und während sie auf ein Taxi warteten, sah Dick Allenby ein bekanntes Gesicht.

      »Mr. Smith, Sie sind noch so spät auf den Beinen?«

      »Sie meinen so früh am Morgen«, entgegnete der Detektiv und begrüßte die junge Dame.

      »Guten Morgen, Miss Lane. Eigentlich keine gute Angewohnheit, in einen Nachtklub zu gehen.«

      »Ich habe eine ganze Menge schlechter Angewohnheiten«, erwiderte sie lächelnd.

      Ein Taxi fuhr vor. Mary lehnte Dicks Begleitung ab, und der Wagen entfernte sich.

      »Nette junge Dame«, bemerkte der Chefinspektor. »Schauspielerinnen mag ich im allgemeinen nicht – ich komme gerade von der Marlborough Street, wo ich drei verhaftet habe.«

      »Haben


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