Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre ….. Band 3. Jörn Kolder

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Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre ….. Band 3 - Jörn Kolder


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rätselte wie die Männer zielen könnten, entweder hatten sie noch irgendwelche Hilfsmittel zur Verfügung oder die jahrelange Übung versetzte sie dazu in die Lage. Momentan manövrierten die Männer die Schiffe noch und scheinbar schienen sie sich in eine günstige Schussposition bringen zu wollen. Bergmann war klar, da er mittlerweile auf Arbeit auch theoretische Schriften über die Seekriegsführung wälzte, dass eine volle Breitseite den größten Effekt haben würde aber auch das „Crossing the T“ (das Schiff musste sich dafür in einem rechten Winkel vor den Bug des anderen setzen um alle seine Geschütze einsetzen zu können, sein Gegner könnte dadurch nur die vorderen Türme nutzen) und das gelang dem russischen Schiff in einem schneidigen Manöver zuerst. Der Mann an Land feuerte in dieser günstigen Position ab, aber die Granaten schlugen knapp vor der „New Jersey“ ins Wasser ein. Bergmann wusste, dass das Nachladen gut 2 Minuten in Anspruch nehmen würde und hoffte auf einen Konter durch die „New Jersey“. Deren Steuermann zwang sein Schiff jetzt wagemutig in einen Vollkreis und in der Hälfte der Drehung feuerte er auch, allerdings ebenfalls ohne Erfolg. Das russische Kriegsschiff war der „New Jersey“ gefährlich nahe gekommen und die Salve aus den vorderen Türmen lag deckend im Bereich des Vorschiffs ihres Gegners. Sofort flammte Feuer auf (zu Beginn des Videos hatten die beiden Männer ihre Schiffe mit dem Brandbeschleuniger eingestrichen) und als die achternen Türme die Granaten ausspuckten schlugen diese direkt in den Kommandoturm ein.

      Bergmann schluckte, an dieser Stelle, die jetzt auch in Brand geriet, befand sich der Empfänger der Fernbedienung und seine Befürchtungen wurden dadurch bestätigt, dass der Steuermann der „New Jersey“ wild gestikulierte und laut fluchte. Sein Gegner hatte jetzt alle Zeit der Welt und setzte sein Schiff in aller Ruhe auf Parallelkurs zu der schwer angeschlagenen „New Jersey“, dann zielte er lange und die volle Breitseite donnerte schließlich in den Rumpf des Gegners. Überall brannte es und Frieder Bergmann sah ganze Plastikteile verschmoren, als der Russe wieder nachgeladen hatte gab er der „New Jersey“ mit der letzten Salve den Gnadenstoß. Das Schiff sackte wie in Zeitlupe tiefer, dann versank es endgültig. Soeben waren 235 Euro auf dem Grund des Teiches angekommen. Bergmann hatte eiskalte Hände, wenn er sich so einem Match stellen wollte müsste er noch mächtig üben müssen, aber seine Motivation sein Modellschiff perfekt steuern zu können, war extrem hoch, denn was er im Kleinen beherrschte, konnte er im Großen (auf dem Hausboot) dann umsetzen. Also grübelte er darüber nach, welche Ausbildungsschritte er unternehmen musste und fertigte dazu eine Liste an. Diese würde er jetzt täglich zu Hause im Badezimmer abarbeiten.

      Frieder Bergmann wollte sich mit eigenen Augen und Gaumen einen Eindruck von den Änderungen in der Mittagessenversorgung verschaffen und um seine Eindrücke festzuhalten hatte er ein kleines Notizbuch und einen Kugelschreiber mit seinem eingravierten Namen in der Brusttasche seines Hemdes verstaut, woran er aber bald nicht mehr dachte. Sicher wäre es dem Küchenleiter gegenüber taktlos gewesen, wenn er sich wie üblich in die Schar seiner Angestellten einreihen und dann eventuell doch nicht so von dem Ergebnis überzeugt wäre und dies möglicherweise durch seine Mimik zum Ausdruck bringen würde. Also meldete er sich bei Hoffmann an und bat um einen erneuten Rundgang durch die Küche und eine Verkostung , er würde selbstredend den Preis für das Mittagessen entrichten, in dieser Hinsicht hielt sich Frieder Bergmann genau an die Vorschriften, solche Sachen hatten schon einigen Funktionsträgern das Genick gebrochen. In diesem Kontext – also der vorbildhaften Wirkung seiner eigenen Person als auch seiner Behörde – hatte Bergman den Küchenleiter vor einigen Wochen mehr oder weniger gezwungen, einen Behinderten einzustellen, der unter spastischen Anfällen litt. Die Ausprägung der Krankheit war zwar einschränkend für den jungen Mann – sein Name war Maik Becher -, aber führte zu keiner Arbeitsunfähigkeit, so dass Bergmann stolz darauf war, damit einen Beitrag zur Inklusion behinderter Mitmenschen zu leisten.

      Hoffmann hatte schon einige Male über die Ungeschicklichkeit des Mannes geklagt, aber Bergmann setzte ihn mit fein gewählten Sprüchen („Haben Sie denn etwas gegen Behinderte“, oder „Und wo bleibt Ihr Beitrag zur Integration solcher Bürger“) unter Druck gesetzt, so dass dem Küchenleiter nichts weiter übrig blieb als sich zähneknirschend zu fügen. Dass Hoffmann diese Suppe selbst auslöffeln musste war nicht Bergmanns Problem und wo der Küchenleiter den Mann einsetzte ebenfalls nicht seine Sache, schließlich konnte er sich nicht um alle Dinge in seinem Laden kümmern. Maik Becher wurde von Hoffmann zuerst in die Spülküche gesteckt und die Sache lief anfangs recht gut, aber nur bis zu jenem Tag, als Becher gerade dabei war einen riesigen Stapel sauberer Teller auf einen Transportwagen zu befördern, auf welchem schon Unmengen des Geschirrs standen. Als er den neuen Stapel absetzen wollte wirbelte der plötzlich einsetzende spastische Anfall erst Bechers Glieder, und dann die Teller durcheinander. Mit einem Schlag war der Bestand an Tellern um knapp 90 Stück geschrumpft und Bechers Karriere in der Spülküche vorerst zu Ende. Hoffmann grübelte lange darüber nach wo er den Mann einsetzen konnte und befehligte ihn probeweise zum Gemüseputzen und -schneiden. Bechers Geschick dafür hielt sich in Grenzen aber dort kam es nicht so darauf an und es sah so aus, als ob er nunmehr seinen richtigen Bestimmungsort gefunden hätte. Allerdings war er ausgesprochen langsam bei diesen Tätigkeiten und in Stoßzeiten musste Hoffmann einige seiner Kräfte dorthin abordnen, die ihm wiederum an anderen Stellen fehlten. Die dritte Station für Maik Becher war die Suppenzubereitung und entgegen jeglicher negativer Vermutungen lief es dort bestens, denn selbst wenn Becher von einem Anfall heimgesucht wurde beeinträchtigte dies sein Arbeitsergebnis kaum, er wirbelte den riesigen Kochlöffel dann eben für eine Weile etwas ungelenker und schneller in dem großen Behälter umher. Außerdem besaß der Mann ein geradezu sensationelles Gefühl für die Mengenverhältnisse der Gewürze – ohne dies jemals richtig gelernt zu haben – und was er fabrizierte stieß auf große Zustimmung der Essensgäste. Hoffmann atmete auf und ließ Becher freie Hand, die Suppen waren der Renner in der Speisekarte.

      „Wie macht sich denn Herr Becher“ erkundigte sich Frieder Bergmann beim Küchenleiter und dieser erwiderte, dass sein behinderter Mitarbeiter bestens in das Team integriert sei, eine hervorragende Arbeit abliefere und erheblich an Selbstbewusstsein gewonnen hätte.

      „Sehen Sie“ sagte Bergmann lächelnd „und Sie haben sich anfangs so gegen ihn gesträubt. Man muss sich eben auch Dingen stellen, die einem nicht machbar erscheinen oder unangenehm sind. Was denken Sie denn, wie oft ich vor einer Akte sitze und mich durch die verschlungenen Sachverhalte durchackern muss, das ist auch kein Zuckerschlecken. Manchmal möchte ich schon mit Ihnen tauschen und etwas Handfestes tun. Verstehen Sie was ich meine, ein Produkt herzustellen und nicht nur seinen Intellekt fordern und sich das Gehirn über Verwaltungsvorschriften zu zermartern.“

      Hoffmann sah ihn misstrauisch an und sagte nichts, stattdessen wies er mit der Hand auf einen Garderobenschrank und Frieder Bergmann erkannte einen Stapel Schutzkleidung. Bergmann schälte sich in einen langen weißen Kittel, da es aber in der Küche mächtig warm war verschloss er ihn nicht. Der Küchenleiter führte ihn zu einer Kippbratpfanne in welcher eine Menge von Fleischstücken schmorten.

      „Lende“ sagte er stolz „ich habe den Preis noch mal drücken können und durch das Zusatzbudget für die Lebensmittel kann ich jetzt öfter so was Feines anbieten. Kosten Sie mal den Bratensaft“ ermunterte er Frieder Bergmann und drückte diesem einen kleinen Teller und einen Löffel in die Hand. Bergmann beugte sich über die Pfanne und schwappte etwas Soße auf den Teller, dann schlürfte er ein bisschen in seinen Mund.

      „Für meinen Geschmack fehlt ein wenig Salz“ sagte er vorsichtig und Hoffmann kostete ebenfalls.

      Wortlos griff er sich ein großes Behältnis und streute ordentlich Salz in die Pfanne, dann stellte er den Behälter achtlos auf den Rand der Pfanne und ging weiter.

      „Darf ich noch einmal kosten“ fragte Frieder Bergmann vorsichtig und Hoffmann nickte nur, einer seiner Mitarbeiter sprach ihn gerade an. Bergmann schöpfte nochmals Soße auf den Teller und beugte sich weit vor, unbemerkt glitt sein keines Notizbuch aus der Brusttasche des Hemdes und verschwand zwischen den zischenden Fleischstücken. Die Soße war jetzt vorzüglich gelungen und wenn alles andere in dieser Qualität auf die Teller kam sollte niemand einen Grund zur Klage haben.

      Maik Becher


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