Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

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Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


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einigen Sekunden bewegte sich die Erde heftig, in der das arme Opfer eingeschlossen war.

      »Er ist tot«, rief Dr. Viglow triumphierend. Er teilte die Erde mit einem Stäbchen, um die Wahrheit seiner Behauptung zu beweisen. »Und nicht nur das Tier ist tot, sondern diese Handvoll Erde bringt auch jedem anderen Regenwurm Verderben, der damit in Berührung kommt.« Er klingelte, und eine seiner Assistentinnen kam herein. »Nehmen Sie das weg«, sagte er und schüttelte sich vor Widerwillen. Dann ging er mit düsteren Blicken zu seinem Schreibtisch.

      Leon sprach auf dem Heimweg nicht. Er saß zusammengekauert in einer Ecke des Wagens, hatte die Arme über der Brust gekreuzt und das Kinn nachdenklich gesenkt. Am selben Abend verließ er das Haus ohne irgendein Wort der Erklärung. Er hatte vorher Manfreds Einladung zu einem gemeinsamen Spaziergang abgelehnt und nicht gesagt, wohin er gehen wollte.

      Gonsalez ging den Weg an den Klippen entlang quer über die Hügel von Babbacombe und kam nach einer längeren Wanderung ungefähr um neun Uhr abends zu der Wohnung Dr. Viglows. Das Haus des Doktors war ziemlich groß und erforderte eine Menge Dienstboten. Aber es gehörte zu seinen vielen Eigentümlichkeiten, daß er in einem kleinen Gärtnerhaus schlief, das in einiger Entfernung von dem Hauptgebäude stand.

      Erst vor kurzem hatte sich Dr. Viglow diesen einsamen Aufenthaltsort ausgesucht. Vorher war es ihm in dem großen Hause recht gut gegangen, in dem schon sein Vater gewohnt hatte. Aber in letzter Zeit hatte er dort nachts Stimmen und Knarren im Holzwerk gehört, auch hatte er Gestalten aus dem Dunkel auftauchen sehen, die in den langen Gängen einherschlichen. In seinen krankhaften Anwandlungen war er zu der Überzeugung gekommen, daß sich seine Dienstboten gegen ihn verschworen hätten und ihn während der Nacht ermorden wollten. Deshalb hatte er den Gärtner ausquartiert und das kleine Haus neu ausstatten und möblieren lassen. Hier verbrachte er nun hinter verschlossenen Türen die Nächte, indem er las, seinen Gedanken nachhing oder schlief. Gonsalez hatte schon von dieser Schrulle gehört und näherte sich dem Gärtnerhaus mit einiger Vorsicht, denn ein furchtsamer Mann ist gefährlicher als ein böser Mann. Er klopfte an die Tür und hörte gleich darauf Schritte auf dem Steinflur.

      »Wer ist da?« fragte eine Stimme.

      »Ich bin es«, erwiderte Gonsalez und nannte den Namen, unter dem er bekannt war.

      Nach einem Zögern wurde aufgeschlossen, und die Tür öffnete sich.

      »Treten Sie bitte ein«, sagte Dr. Viglow unwirsch und schloß die Tür wieder hinter ihm zu. »Sie sind sicher hierhergekommen, um mir zu gratulieren. Sie müssen auch zu meiner Hochzeit kommen, lieber Freund. Es wird ein großartiges Fest werden, denn ich werde dabei eine Rede halten über die Bedeutung meiner Entdeckung. Wollen Sie etwas trinken? Ich habe zwar nichts hier, aber ich kann es vom Haupthaus bringen lassen. In meinem Schlafzimmer habe ich ein Telefon.«

      Leon schüttelte den Kopf.

      »Ich habe mir noch viele Gedanken über Ihre Entdeckung gemacht, Doktor«, sagte er dann und nahm die angebotene Zigarette an. »Auch die vielen Postpakete, die heute vor Ihrer Tür aufgeladen wurden, habe ich mit der Entdeckung in Verbindung gebracht, von der Sie uns erzählten.«

      Dr. Viglows Züge erhellten sich, und er strahlte vor Genugtuung. Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und legte ein Bein über das andere wie jemand, der sich auf eine längere Rede vorbereitet.

      »Das will ich Ihnen auch erklären. Seit Monaten stehe ich in Briefwechsel mit landwirtschaftlichen Gesellschaften, sowohl hier in diesem Lande als auf dem Kontinent. Ich bin eine europäische Größe«, sagte er hochfahrend und anmaßend. »Ich habe ein Mittel gegen die Reblaus gefunden, und durch mich wurde diese Geißel der Weinberge unschädlich gemacht.«

      Leon nickte, denn er wußte, daß er die Wahrheit gesprochen hatte.

      »Sie sehen also, daß man auf mein Wort etwas gibt, wenn es sich um Ackerbau handelt. Aber nach verschiedenen Unterredungen mit unseren beschränkten Landwirten fand ich, daß sie die Vernichtung dieser ...«, er erwähnte den Namen der ihm so schrecklichen Tiere nicht, aber er zitterte, »... nicht gerne sehen. Und nach dieser Erfahrung muß ich natürlich meine Handlungsweise einrichten, jetzt, da ich davon überzeugt bin, daß mein Mittel in jeder Weise wirksam ist, kann ich der Post den Auftrag geben, die Pakete abzusenden. Ich wollte eben mit dem Vorsteher des Postamts telefonieren, als Sie an die Tür klopften. Die Pakete sind schon adressiert und mit Marken versehen.«

      »An wen schicken Sie denn die Pakete?«

      »An Gutsbesitzer und Landwirte. Es sind ungefähr vierzehntausend Pakete, die nach allen Teilen Europas versandt werden. In jedem Paket befindet sich eine gedruckte Anweisung in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch. Damit die Leute meine Vorschriften auch ausführen, habe ich ihnen gesagt, daß dieses Pulver ein neues Düngemittel ist.«

      »Was sollen die Leute denn tun, wenn sie die Pakete bekommen?« fragte Leon weiter.

      »Sie sollen das graue Pulver in Wasser auflösen und einen gewissen Teil ihres Landes damit besprengen. Ich habe angegeben, daß es am besten auf gepflügtem Lande geschieht. Sie brauchen nur einen Teil ihres Landes damit zu besprengen. Diese niederträchtigen Biester werden das andere Land bald genug infizieren. Ich bin fest davon überzeugt, daß in sechs Monaten in ganz Europa und Asien kein Exemplar dieser schrecklichen Geschöpfe mehr am Leben ist.«

      »Die Leute wissen also nicht, daß dieses Gift dazu bestimmt ist, Regenwürmer zu töten?«

      »Nein, das habe ich Ihnen doch eben erklärt«, erwiderte der Doktor böse. »Warten Sie einen Augenblick. Ich will nur mit dem Postmeister telefonieren.«

      Er erhob sich schnell, aber Leon war noch schneller und packte ihn am Arm.

      »Mein lieber Freund«, sagte er, »das dürfen Sie nicht.«

      Dr. Viglow versuchte sich loszumachen.

      »Lassen Sie mich gehen«, schrie er wütend. »Gehören Sie auch zu diesen Dämonen, die mich quälen?«

      Unter gewöhnlichen Umständen wäre Leon stark genug gewesen, einen Mann wie Dr. Viglow aufzuhalten, aber der Wahnsinnige besaß außergewöhnliche Kräfte und warf Gonsalez in einen Stuhl. Bevor sich sein Gegner wieder erheben konnte, schlüpfte Dr. Viglow durch die Tür, machte sie rasch zu und schloß sie ab.

      Das eingeschossige Haus war durch eine Holzwand, die Dr. Viglow hatte einziehen lassen, in zwei Räume geteilt. Ober der Tür war ein Fenster angebracht; Leon zog schnell den Tisch dorthin, sprang hinauf und schlug das Glasfenster mit seinem Ellbogen ein.

      »Rühren Sie das Telefon nicht an!« rief er Viglow zu. »Hören Sie?«

      Der Doktor sah sich hämisch lachend um.

      »Sie sind auch ein Freund dieser Teufel!« Er streckte gerade die Hand aus, um den Hörer abzuheben, als Leon ihn niederschoß.

      *

      Als Manfred am nächsten Morgen von seinem Spaziergang zurückkam, traf er Gonsalez, der auf dem Rasen vor dem Haus auf und ab ging und eine besonders lange Zigarre rauchte.

      »Mein lieber Leon, du hast mir ja nichts von alledem gesagt?« Manfred legte seinen Arm in den seines Freundes.

      »Ich dachte, es wäre das beste, zu warten.«

      »Ganz zufällig habe ich die Geschichte gehört. Man erzählt, daß ein Dieb in das Gärtnerhaus einbrach und den Doktor erschoß, als er um Hilfe telefonieren wollte. Alles Silberzeug in dem äußeren Raum ist gestohlen worden, auch die goldene Taschenuhr und die Brieftasche des Doktors sind verschwunden.«

      »Sie ruhen auf dem Grund des Meeres in der Babbacombe-Bucht«, erwiderte Leon. »Ich bin heute morgen schon zum Angeln ausgefahren, als du noch schliefst.«

      Sie gingen eine Weile schweigend auf und ab.

      »War es denn wirklich notwendig?« fragte Manfred dann.

      »Durchaus«, antwortete Leon ernst. »Du mußt vor allem daran denken, daß dieser Mann, obwohl er verrückt war, nicht nur ein Gift, sondern auch einen Ansteckungsstoff entdeckte.«

      »Aber


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