Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

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Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


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genaue Nachforschungen anstellen und gab mir das Geld, damit ich es verwahren sollte. Ich mußte die Banknoten in eine alte Bierflasche stopfen, die halb mit Sand gefüllt war, dann fest verkorken und den Flaschenhals über und über mit geschmolzenem Stearin begießen, damit die Flasche wasserdicht wurde. Später versenkte ich sie in eine Zisterne, die man von einem der Räume unserer Wohnung auf der Rückseite des Hauses erreichen konnte. Ich war fast wahnsinnig vor Furcht, weil ich dachte, der Buchmacher sei ermordet worden. Aber ich tat alles, was Bash mir sagte, und versenkte die Flasche in dem Brunnen. Am selben Abend wollte Bash Jones mit seinem Komplicen nach Nordengland fahren, aber sie wurden schon am Euston-Bahnhof verhaftet. Bashs Freund wurde bei einem Fluchtversuch getötet, er lief in einen gerade ankommenden Zug hinein. Aber Bash Jones verhafteten sie, und unsere Wohnung wurde vollständig durchsucht. Er bekam fünfzehn Jahre Zuchthaus und wäre schon vor zwei Jahren herausgekommen, wenn er sich im Gefängnis ordentlich benommen hätte.

      Ich mußte nun meine Lage überdenken, und mein erster Gedanke galt meinem Kind. Es war mir klar, welch trauriges Los Grace bevorstand, wenn sie unter diesen Umständen aufwuchs, in dieser schrecklichen Umgebung, in den Elendsquartieren von London, in ständiger Furcht vor der Polizei. Mein Mann hätte sein Geld immer wieder in ein paar Wochen durchgebracht, selbst wenn er eine Million besessen hätte. Ich wußte, daß ich Bash nun für mindestens zwölf Jahre los war, und als ich lange und angestrengt alles überdacht hatte, faßte ich einen Entschluß.

      Nach zwölf Monaten wagte ich es, das Geld aus dem Brunnen zu holen, denn die Polizei hatte immer noch ein Auge auf mich und beobachtete mich scharf, da das gestohlene Geld nicht gefunden worden war. Ich will Ihnen nicht erzählen, wie ich gute Kleider kaufte, so daß niemand eine Arbeiterfrau in mir vermuten konnte, und wie ich das Geld anlegte.

      Ich kaufte wertbeständige Aktien dafür. Ich habe zwar keine gute Erziehung genossen, aber ich habe monatelang die Zeitungen gelesen und immer die Börsenberichte genau studiert. Zuerst verwirrten mich die vielen Zahlen, und ich wußte nicht, was ich daraus machen sollte. Aber allmählich verstand ich sie immer besser, und schließlich kaufte ich argentinische Eisenbahnaktien. Ich übergab sie einem Rechtsanwalt in Bermondsey, den ich zum Verwalter des Vermögens machte. Meine Tochter erhält vierteljährlich die Zinsen und zahlt davon alle ihre eigenen Rechnungen. Ich habe niemals einen Shilling von dem Geld angerührt. Die nächste Aufgabe war nun, meine Tochter aus dieser armseligen Umgebung fortzubringen. Mein Herz brach beinahe, daß ich mich von ihr trennen mußte, aber ich schickte sie in ein Heim für kleine Kinder, bis sie alt genug war, um in die Schule zu gehen. Ich besuchte sie in regelmäßigen Zwischenräumen. Als ich aber nach meinem ersten Besuch merkte, daß sie fast vergessen hatte, wer ich war, gab ich mich als ihre Kinderfrau aus. Nun wissen Sie alles.«

      Gonsalez schwieg eine lange Weile.

      »Weiß Ihr Mann davon?« fragte er dann.

      »Er weiß, daß ich das Geld verbraucht habe.« Sie starrte geistesabwesend aus dem Fenster. »Er weiß auch, daß das Mädchen auf einer guten Schule ist. Er wird alles herausbringen«, sagte sie leise.

      Das war also das Geheimnis dieser Frau. Leon war aufs tiefste erschüttert.

      »Warum glauben Sie, daß er Sie töten will? Diese Leute drohen zwar häufig, aber sie führen ihre Drohungen nicht aus.«

      »Bash Jones droht für gewöhnlich nicht«, unterbrach sie ihn. »Das hat er auch nicht getan. Ich weiß nur, daß er die Leute, die mich kennen, nach mir ausgefragt hat. Es sind die Leute von Deptford, die er im Gefängnis getroffen hat. Er fragt sie, wo ich über Nacht bin, wann ich zu Bett gehe, welche Beschäftigung ich tagsüber habe.«

      »Ja, jetzt verstehe ich den Zusammenhang. Haben ihm denn die Leute die nötigen Angaben gemacht?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Nein, sie sind alle für mich und haben ihr Bestes getan, um mir zu helfen. Es sind wohl schlechte Menschen, sie begehen Verbrechen, aber in mancher Beziehung haben sie doch ein gutes Herz. Sie haben ihm nichts verraten.«

      »Wissen Sie das ganz bestimmt?«

      »Ja. Wenn sie es ihm gesagt hätten, würde er doch nicht weiterfragen. Vor einem Monat wurde Toby Brown von dort entlassen. Er erzählte mir, daß Bash Jones immer noch nach mir fragt. Mein Mann will nicht wieder ins Gefängnis zurück und rechnet damit, daß er noch bis Mitte des Jahres zu leben hat, wenn sie ihn fangen.«

      Leon kehrte in gehobener Stimmung nach Hause zurück.

      »Wo warst du denn?« fragte Manfred. »Ich habe inzwischen mit dem tüchtigen Mr. Fare zu Mittag gespeist.«

      »Und ich habe etwas außerordentlich Erhebendes und Großartiges erlebt. Nicht daß ich selbst eine Heldentat vollbracht hätte, George, nein, aber ich bin ganz begeistert von dieser Amelia Jones. Sie ist eine wunderbare Frau, George. Um ihretwillen werde ich einen Monat Ferien machen. Während der Zeit kannst du ja nach Spanien reisen, unseren lieben Poiccart besuchen und einmal hören, wie es mit seinen Zwiebelfeldern steht.«

      »Ich würde ganz gerne auf einige Tage nach Madrid gehen«, meinte Manfred nachdenklich. »Ich finde zwar London auch sehr anziehend, aber wenn du wirklich eine Erholungsreise machen willst – wo willst du übrigens deine Ferien verbringen?«

      »Im Gefängnis zu Devizes«, antwortete Gonsalez freundlich.

      Manfred kannte ihn zu gut, um irgendeine Bemerkung darüber zu machen.

      Schon am nächsten Nachmittag begab sich Leon Gonsalez nach Devizes. Er kam bei Einbruch der Dunkelheit dort an und schwankte mit unsicheren Schritten auf den Marktplatz. Um zehn Uhr abends lehnte er an der Rückwand des »Hotel zum Bären« und sang mit lauter Stimme lustige Lieder. Ein Polizist fand ihn dort und forderte ihn auf, ruhig zu sein und weiterzugehen. Darauf begann Leon den Beamten in der unflätigsten Weise zu beschimpfen.

      Am nächsten Morgen mußte er sich deshalb vor dem Polizeirichter verantworten. Er war angeklagt wegen Trunkenheit, wegen widersetzlichen Benehmens gegen einen Polizisten und wegen Beamtenbeleidigung.

      »Dieser Fall ist so schwer, daß er kaum mit einer Geldstrafe gesühnt werden kann«, sagte der Polizeirichter. »Dies ist ein Fremder, der von London hierhergekommen ist und sich in der niederträchtigsten Weise benommen hat. Liegt sonst etwas gegen den Mann vor?«

      »Nein«, entgegnete der Gefängniswärter bedauernd.

      »Sie werden eine Strafe von zwanzig Shilling zahlen oder, wenn Sie nicht zahlen, einundzwanzig Tage ins Gefängnis wandern.«

      »Dann will ich lieber ins Gefängnis gehen als das Geld zahlen«, erklärte Leon, der Wahrheit entsprechend.

      So wurde er denn in das Gefängnis des Ortes gebracht, wie er erwartet hatte.

      Einundzwanzig Tage später kam er braungebrannt, gesund und vergnügt in die gemeinschaftliche Wohnung in der Jermyn Street zurück. Manfred ging ihm mit ausgestreckten Händen entgegen.

      »Ich habe schon gehört, daß du zurückgekommen bist«, sagte Leon erfreut. »Ich habe eine großartige Zeit verlebt. Sie haben allerdings meine Berechnungen ziemlich über den Haufen geworfen, als sie mir nur drei Wochen statt eines Monats gaben, und ich dachte schon, ich würde vor dir zurück sein.«

      »Ich kam gestern an«, erwiderte George, und seine Blicke wanderten zum Büfett.

      Sechs große spanische Zwiebeln lagen dort in einer Reihe. Gonsalez mußte herzlich lachen. Dann ging er in sein Zimmer und legte den abgetragenen Anzug ab. Als er nach einiger Zeit wieder mit seinem gewöhnlichen Aussehen ins Zimmer trat, erzählte er George Manfred von seinen Erfahrungen.

      »Bash Jones hat unzweifelhaft die Absicht, seine Frau zu ermorden. Ich habe ihn genau betrachtet, derartig unregelmäßige Gesichtszüge habe ich noch nie gesehen. Wir haben zusammen in der Schneiderwerkstätte gearbeitet. Nächsten Montag kommt er heraus.«

      »Er hat sich wohl an dich herangemacht, als er entdeckte, daß du von Deptford kamst?«

      Leon nickte.

      »Er wird den Anschlag gegen seine Frau am Dritten nächsten Monats ausführen,


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